Fünf

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Chloé

Eine Stunde später befand ich bei der genannten Adresse. Erfolgreich hatte ich mich an meiner Mutter, die noch in ihrem Büro bei uns in der Wohnung arbeitete, vorbei geschlichen. Auch Mark hatte nichts mitbekommen, denn er war gerade dabei Sophie ins Bett zu bringen. Ich hatte mich lediglich in ein sündhaft teures schwarzes Satinkleid geschmissen, Goldschmuck angezogen und mein Make-up sowie meine Haare aufgefrischt um so angemessen das Haus verlassen.

Bevor die Nacht anbrechen würde, wäre ich auch schon längst wieder zuhause- da war ich mir sicher

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Bevor die Nacht anbrechen würde, wäre ich auch schon längst wieder zuhause- da war ich mir sicher. Das Restaurant befand sich auf einer Dachterrasse, ganz weit oben in Williamsburg. Weg von den überfüllten Straßen der New Yorker Innenstadt, rein in die volle Bar. Für April war es eine lauwarme Nacht, sodass wir gut draußen sitzen konnten. Auch wenn ich zuvor noch nie an diesem Spot gewesen war, kam ich - wie fast immer- ohne Probleme rein. Ich wurde noch nicht mal nach meinem Ausweis gefragt. Nachdem der Security Typ mich gesehen hatte, winkte er mich an der Schlange vorbei und ließ mich durch. Sobald ich die Bar betreten hatte, schaute ich mich aufmerksam um. Nicht nur um Ausschau nach Ava zu halten, sondern auch um mir ein Bild von der Location zu machen. Wie zu erwarten war sie modern eingerichtet. Im großen Raum standen mehrere runde Tische mit Stühlen sowie Sofas zum Sitzen verteilt. Das Westlight war größtenteils in gedeckten und hellen Farben eingerichtet. Die Stühle strahlten in einem hellblauen oder senfgelben Samt. An der Decke hingen riesige Leuchter, die gedimmt wurden. Die Atmosphäre war ausgelassen und eher ungezwungen. Diese Location war eher untypisch für Ava, denn normalerweise hielt sie sich in den Elite Hotspots in Manhattan auf. Solche die man als Normalsterblicher nicht von innen zu Gesicht bekam. Nahe zu jeder Tisch war besetzt, die Kellner waren gut beschäftigt und ich während ich achtsam beobachtete ob ich meine Verabredung sah, den Gang runterlief. Jedoch war von Ava drinnen keine Spur, also ging ich durch die glasige Fensterfront raus ins Freie. Draußen erstrahlte die Skyline von Manhattan und Queens im abendlichen Glanz. Obwohl ich täglich diese Aussicht gewohnt war, würde ich mich nie dran satt sehen können. Außerdem kam ich nicht oft in den Genuss, New York von dieser Seite des Hudson Rivers zu bewundern. Kurz nachdem ich den Blick von den Lichtern der Stadt nehmen konnte, suchte ich wieder meinen Weg durch die Menge. Das Konzept zog sich weiter durch, modern aber locker. Ich musste nicht lange suchen da fand ich Ava auch schon. Sie hatte sich einen Tisch mit einer mega Aussicht ergattert, wahrscheinlich der Besten des ganzen Lokals. Zielstrebig lief ich auf sie zu, sobald sie mich sah erhob Ava sich. Mit einem Grinsen zog sie mich in die Umarmung und küsste erst die eine Wange, dann die andere. "Ich dachte schon du kommst nicht mehr, little Miss C." begrüßte sie mich etwas schnippisch. "Jetzt bin ich ja hier." antwortete ich ihr nur und setzte mich ihr gegenüber. Dabei fiel mir auf, dass zwei Gläser auf dem Tisch standen. "Cosmopolitan as usual?" erwiderte Ava grinsend als sie meinen Blick sah und ich zuckte nur mit den Schultern. Eigentlich war ich nicht mehr dieses Cosmopolitan Girl. Doch ich wollte jetzt kein Drama draus machen, immerhin hatte sie für mich bestellt und wartete schon länger. "Passt schon." meinte ich, nahm einen Schluck und lächelte gezwungen.
Die erste halbe Stunde verlief echt schleppend. Mehr oder weniger hielten wir Smalltalk. Es war wirklich verkrampft. Vielleicht weil ich mich sträubte hier zu sein oder auch Angst hatte, dass es mir zu sehr gefallen würde. Denn das würde das würde es mir bestimmt wenn ich mich nur drauf einlassen würde. Aufgrund der Trennung war ich ein ziemlich einfaches Ziel für sie und somit empfänglich für ihre Spielchen die sie mit den andern Menschen trieb. Es würde mir schwerfallen dem ganzen nicht nach zu geben. Zurzeit war ich ziemlich beeinflussbar. Doch das war noch nicht mal das Schlimmste. Ich hatte gehofft etwas Ablenkung zu bekommen, den Kopf frei zu kriegen. Doch das Gegenteil war davon der Fall. Stattdessen konnte ich nur noch an Mason denke. Und er würde diese Aktion alles andere als gut heißen. Nicht, dass es ihn was angehen würde aber ich wusste es einfach. Unwillkürlich schoss mir dieser Gedanke in den Kopf. Die ganze Zeit über fragte ich mich, was er in diesem Moment tat. Ob Jenna bei ihm war? Ob er auch an mich denken würde? Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Warum kontrollierte er immer noch meine Gedanken? Obwohl ich versuchte  mich auf das Gespräch zu konzentrieren lag das in weiter Ferne. Ich antwortete, wenn überhaupt eher passiv. Ihre Worte erreichten meine Ohren, aber meinen Kopf nicht. Wahrscheinlich weil es so ziemlich belanglos war. Wieso hatte ich mich eigentlich nur darauf eingelassen?
"Chloé?!" tönte ihre Stimme irgendwann mal an mein Ohr. Ava hörte sich genervt an und genauso schaute sie mich an. Ich nahm meinen Blick von der Silhouette der Metropole und starrte in ihre weit aufgerissenen, ungeduldigen Augen. Dann fiel mein Blick auf den schwarz gekleideten Kellner, der auch mich erwartungsvoll anschaute. "Sorry." entschuldigte ich mich bei den beiden. "Für mich nichts mehr, danke." erwiderte ich, doch Ava sprach dazwischen. "Für sie bitte Hall of Fame. Und wenn's geht schnell, ja?" der Kellner notierte sich die Bestellung und verschwand. "Ähm, ich sollte jetzt lieber gehen ich muss morgen fit sein." erklärte ich ihr und war gerade dabei den Stuhl zurück zu schieben. "Was ist bloß aus dir geworden, lil Miss C? Wir haben grad mal zehn Uhr und du verschwindest schon? Die alte Chloé, hätte getrunken bis zum Morgengrauen und sich dann eine Pille eingeworfen. Von der ist nichts mehr übrig, boring. Statt Spaß zu haben, bist du ein richtiger Snob geworden." warf sie mir vor und Ava hatte Recht, von der Chloé die sie früher kannte war wirklich nicht mehr viel übrig geblieben. Und genau das war der Punkt. "Vielleicht weil ich noch nie diese Person war, weil ich immer schon boring war. Das bin einfach nicht ich und das habe ich in den letzten Jahren gemerkt. Das ist einfach nicht das Leben was ich möchte. Jeden Tag auf einer anderen Party, mich zu dröhnen zu lassen und Drinks von alten Säcken ausgegeben zu bekommen." konterte ich ehrlich. Die Vergangenheit gehörte zu mir, ich konnte es nicht abstreiten. Jedoch konnte ich es in der Zukunft besser machen. Ava lachte amüsiert auf. "Bullshit. Das was du gerade erzählst ist absoluter Schwachsinn, Chloé! Du hast die attention geliebt, die Partys, den Alkohol und ja selbst dich von den Säcken begrapschen zu lassen. Du warst das Partygirl No. 1. Secrets hat dich vergöttert, so wie die anderen Bitches weil sie genau so sein wollten wie du. Das was du jetzt spielst ist nur eine Täuschung. Du möchtest, dass die anderen glauben du bist little Miss Sunshine. Du spielst diese Rolle nahezu einwandfrei, des perfekten lieben Mädchens von nebenan. Aber ich kenne dich besser als jeder andere, anscheinend besser als du dich selbst. Du bist nicht das girl next door, das warst du noch nie. Sondern viel mehr. Du bist einer der Frauen vor denen die anderen sich fürchten weil sie unberechenbar sind. Denn tief in dir drin brauchst du das Drama, dieses Game. Like me! Wir sind eins. Du möchtest es nur nicht zugeben, weil du dich schämst für das was du bist. Stattdessen verstellst du dich. Und sag mir nicht du hattest keinen Spaß damals. " warf sie mir vor und machte eine Pause. Und ich musste ihren Monolog erstmal sitzen lassen. In diesem Moment kam der Kellner mit den Drinks zurück und stellte diese hin. Nachdem ich mich bedankt hatte, verschwand er wieder unauffällig. Doch mir blieb nicht viel Zeit, denn Ava fuhr fort. "Denkst du ich hätte deine Ausbrüche nicht mitbekommen? Halloween und Shawn? Der Skandal mit Mason? Und ja auch das in London? Du brauchst diese Ektase, denn du bist nicht das brave Mädchen wie du denkst. Du hast etwas gefährliches in dir, was jeden Moment raus kommen könnte. Du wirst nie dieses sweet little Girl sein können und ich glaube das wissen wir beide." Auch wenn ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen war ich von Avas Aussage geschockt. Ich kannte sie und wusste, dass sie manipulativ sein konnte. Und es ihr auch egal war, was sie mit ihren Taten und Worten anrichten konnte. Doch das war krass, selbst für sie. Dennoch es war nicht die Tatsache, dass sie es mir sagte was mich zum Nachdenken brachte. Sondern vielmehr die Wahrhaftigkeit der Worte die sie aussprach. Ich zweifelte an mir selber. Hatte ich mir die letzten Jahre nur was vorgemacht? Auch wenn ich immer noch gerne Feiern ging, gerne trank hatte ich mich mittlerweile ziemlich gewandelt. Ich brauchte nicht mehr diese Exzesse, diese ungesunde Aufmerksamkeit oder die Lügen. Zumindest dachte ich das immer. Was ist wenn sie Recht hatte und ich die ganze Zeit allen nur etwas vormachte? Weil ich mich dafür schämte. Ich war gewiss nicht stolz darauf. Wenn die Ausbrüche das zeigten was ich wirklich war. Wenn ich wirklich so war und ich es nur nicht einsehen wollte? Ich wollte daran nicht glauben. Doch in mir schrie eine- ziemlich laute- Stimme, dass Ava Recht hatte. Das ich die ganze Zeit den dunklen Teil von mir eingeschlossen hatte. Und dann dachte ich wieder an Mason. Denn streng genommen war ich diejenige, die unsere Beziehung wegen meiner Lügen, dem Misstrauen und den verschiedenen Aktionen zerstört hatte. Ich war diejenige gewesen, die einfach nicht damit aufhören konnte. Als hätte ich uns absichtlich ruiniert. Ich war Mason gegenüber immer egoistisch gewesen. Immer musste er mich trösten und nicht umgekehrt. Immer ging es um meine Gefühle, um meine Bedürfnisse und um meine Bedingungen. Selbst als wir uns getrennt haben, habe ich ihn zum Bleiben überredet. Ohne auf seine Gefühle zu achten, ohne dabei zu beachten wie schwer es ihm fällt und vor allem wie verletzt Mason war. Sobald ich meinen Willen nicht bekam, tat ich etwas was uns auseinander brachte. Auf einmal wurde mir klar, dass er immer viel mehr gegeben hatte als umgekehrt. Ich liebte Mason, aber er liebte mich um jeden Preis. Auch wenn ich unfair ihm gegenüber war. Und langsam dämmerte es mir, dass Ava gar nicht so unrecht hatte. Ich konnte nicht anders, ich nahm das Glas, das vor mir stand in die Hand und trank es in einem aus. Währenddessen kullerte mir eine Träne über die Wange. Ich war sauer und enttäuscht über mich selbst. "No worries, Chlo- Chlo. Ich hab was für dich." meinte Ava zu mir. Sie schob ihre Hand unter dem Tisch zu mir, ich öffnete meine und sie legte etwas kleines rundes rein. Ich fühlte, dass es eine Pille war ohne zu wissen was es war. Ich schaute sie einfach nur an. Mit der anderen Hand signalisierte sie mir, dass auch sie eine einnahm. Ava hatte die Tablette zwischen den Fingerspitzen, hob die Hand einmal hoch und führte sie zu ihren Lippen. Dann öffnete sie leicht den Mund, legte den Inhalt auf die Zunge und warf den Kopf in den Nacken. Wenn ich jetzt diese Pille zu mir nehmen würde, würde das alles verändern. Nicht nur heute Abend, dabei war ich mir sicher. Eigentlich so ziemlich alles in mir, schrie es nicht zu tun und nach Hause zu gehen. Vor allem die Stimme der Vernunft wurde laut. Auch wenn ich mit mir haderte, war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Denn es gab eine kleine Stimme, die ziemlich mächtig war. Und dieser Instinkt in mir wollte nicht mehr darüber nachdenken. Weder über Mason, noch über mich selbst, wer ich überhaupt war oder nicht. Noch über sonst irgendetwas. Ich wollt mich nicht schlecht fühlen, weil ich Mason das alles angetan hatte. Ich wollte einfach, dass ich aufhörte mir Sorgen zu machen. Ich wollte das nicht mehr. Auch wenn ich damit ins Verderben stürzen würde... Kurz entschlossen machte ich es Ava gleich.

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