FRANK
Ihre Versicherung, zu schlafen zu versuchen genügte, dass ihm selbst die Augen zufielen. Er war solche Anstrengungen gewohnt, aber trotzdem kein Übermensch. Sie zu ihm nach Hause zu tragen und dann zusammenzuflicken, hatte ihn ermüdet. Frank arbeitete hoch konzentriert, denn sie war eine bildschöne Frau, deren Körper er nicht unnötig mit einer hässlichen Naht ruinieren wollte. Schlimm genug, dass man ihr ein Messer in den Bauch gerammt hatte.
Er schlief, allerdings sehr unruhig und gewissermaßen mit einem offenen Auge, während er ihrem Atem lauschte. Es ließ sich noch nicht mit Gewissheit sagen, ob das Schmerzmittel wirkte oder nicht. Das Fieber hielt an. In Abständen murmelte sie wirre, unverständliche Dinge.
Im Laufe der Nacht wurden die Träume immer schlimmer, bis sie schließlich den Kopf umher warf und wimmerte. Es war ein beklemmendes Gefühl, Elena so zu erleben. Dieser Zustand konnte das Resultat des Medikaments sein. Andernfalls konnten die Albträume auch auf nicht ausreichend verarbeiteten Ereignissen ihres Lebens gründen. Frank kannte sie schließlich nicht. Wusste nicht, was in ihr vorging.
Träumende soll man bekanntlich nicht wecken. Der Gedanke daran, sie die gesamte Nacht so zu erleben, missfiel ihm. Das würde er nicht ertragen. Zum einen fand Frank so keinen Schlaf, obwohl er todmüde war. Zum anderen ging ihm ihr Wimmern durch Mark und Bein. Vorsichtig streckte er also die Hand nach ihr aus und strich ihr sanft über das rabenschwarze, lange Haar. Es dauerte einen Weile, bis sie aufwachte. Verwirrt und aus müden Augen schaute sie ihn an.
"Frank?", fragte sie mit schwacher Stimme und blinzelte ein paar Mal. Er zuckte innerlich zusammen. Es war mehr als seltsam, sie seinen Namen sagen zu hören. Ein ungewöhnlicher Druck legte sich dabei auf sein Herz.
"Weißt du, wo bist?"
Elena überlegte einen Moment und sah sich prüfend um, ehe sie antwortete: "Ich bin bei dir."
Franks Mundwinkel wanderten leicht nach oben. Mit einer so unschuldigen Antwort hatte er nicht gerechnet. Aus ihrem Mund klang es beinahe schon liebevoll. "Tja, da hast du irgendwie Recht."
"Lass mich bitte nur geträumt haben, dass mir ein verdammtes Messer in den Bauch gerammt wurde", murmelte sie. Ihr Zustand war nicht gut und die Situation wirklich nicht schön, doch der Kraftausdruck aus ihrem Mund klang urkomisch.
Verlegen rieb er sich mit einer Hand den Nacken. Frank wünschte ihr, dass es nicht so war, aber die harten Fakten sahen anders aus. "Ich fürchte, das war nicht nur ein Traum."
"Ich weiß. Ich spüre den Schmerz, Frank." Wieder zuckte er bei seinem Namen zusammen. Warum hatte es so eine große Macht auf ihn, wenn sie seinen Namen aussprach?
"Nicht gut. Die Schmerzen sollten längst abklingen. Wenigstens ein bisschen." Wunden zu versorgen war die eine Sache, damit kannte Frank sich weitreichend aus. Allerdings hatte er wenig Ahnung von Schmerzmitteln, weil er selbst nie welche einnahm. Schmerz war so ziemlich alles, was sein Leben noch real machte, deshalb blendete er ihn zu keiner Zeit aus. Er verließ das Bett, um ihr eine weitere Tablette und frisches Wasser zu holen.
Wenn sie bis Tagesanbruch nicht halbwegs schmerzfrei wäre, würde David sie ins Krankenhaus fahren müssen, dachte er, während Elena die Pille schluckte. Auf keinen Fall konnte er sie selbst dorthin bringen. Er nahm ihr das Wasserglas ab, stellte es auf seiner Seite des Bettes auf die runde Oberfläche eines kleinen, ramponierten Nachttisches und rollte sich, ihr zugewandt, wieder auf die Seite.
Ihre dunkelgrünen Iriden waren mit kleinen gelben Sprenkeln übersät und funkelten im spärlichen Licht. Es war nicht der erste tiefe Blick, den die beiden austauschten. Aber in diesem Moment bemerkte er, wie besonders ihre Augen waren. Er verlor sich in ihnen, driftete in die Erinnerung an die vergangenen Stunden ab.
"Tat das weh?", wollte sie plötzlich wissen und berührte sanft die aufgeplatzte Haut an seiner Schläfe, womit sie ihn zurück in die Gegenwart holte. Ihm stockte der Atem. An der Stelle, wo Elena ihn berührte, gab es einen leichten, elektrischen Schlag, der sich tief in seine Haut bohrte.
"Nicht so sehr wie das", antwortete er und deutete auf ihren Bauch, während sie immer noch über die lädierte Stelle an seinem Kopf strich. Es war ein seltsames Gefühl, ihre Finger waren sündhaft weich und erzeugten eine wohlige Wärme. Frank griff nach ihrer Hand, die sich in seiner eigenen sonderbar klein anfühlte. Sie musste damit aufhören, das konnte er nicht ertragen.
"Tut mir leid", sagte sie kleinlaut, erschrocken von seiner Reaktion, zog die Hand zurück und wandte den Kopf leicht ab. Frank blieb in seiner Position und beobachtete, wie Elena die Augen schloss und versuchte, wieder einzuschlafen. Es dauerte ein paar Minuten, bis der Schlaf sie einholte. Er versuchte, wach zu bleiben, wollte auf sie aufpassen, doch der gleichmäßige Rhythmus ihres Atmens sorgte dafür, dass auch er endlich Schlaf fand.
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soulache | ✓
FanfictionLange hat Alba sich vor ihrer Vergangenheit versteckt. Doch ihr Schmerz, und daher auch Wunsch nach Vergeltung, ist zu groß. Als sie zurück nach New York kommt, läuft allerdings erst einmal gar nichts wie geplant. Völlig unvorbereitet läuft sie in e...