Kapitel 18

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ALBA

Von Berührungen geweckt kam Alba zu sich. Sie brauchte eine Weile, bis sie begriff, dass die Berührungen von einer anderen Person ausgingen, die dabei war, sie aus einem Auto zu heben. Erschrocken riss sie die Augen weit auf, als sie in Franks Gesicht schaute. Er hatte eine Platzwunde über der Nase und war blutverschmiert. Allein dieser Anblick verschreckte sie, aber auch die etwas getrübte Erinnerung über das, was geschehen war.

"Komm schon", forderte er sie auf, als er die Sorge in ihrem Gesicht sah, und hielt Alba eine Hand hin.

Nicht einmal nach der wildesten Partynacht ihrer Jugend hatte sie so höllische Kopfschmerzen, wie in diesem Moment. Ihr war so schwindelig, dass sie fürchtete, sich jeden Moment auf den Gehweg übergeben zu müssen.

Frank jedoch war komplett bei der Sache, schloss die Beifahrertür, nachdem Alba endlich aus dem Wagen war, hielt ihr den Arm hin und sagte: "Halt dich fest."

Alba tat, was er verlangte, da sie sich nicht in der Lage fühlte, allein aufrecht stehenbleiben, geschweige denn gehen, zu können. Bei jedem Schritt, und sie setzte wirklich einen nach dem anderen, pulsierte ihr der Kopf. Sie betete dafür, keinen der Nachbarn zu treffen, denn Frank und sie mussten fürchterlich ausgesehen haben.

Am Fahrstuhl angekommen bemerkte sie, dass Franks Hand vor der Konsole mit den Knöpfen verweilte, weil er nicht wusste, welche Etage er wählen musste. "13", krächzte Alba mit trockenem Mund und bekam einen Hustenanfall. Mit einem Grummeln quittierte Frank die Aussage, drückte auf den mit Gold beschrifteten Knopf mit der Nummer 13 und schob sie vorsichtig aber fordernd ins Innere des Aufzuges.

Drinnen ließ sich gegen die Wand gleiten und versuchte sich zu konzentrieren, um am Ende nicht noch in den Fahrstuhl zu brechen, denn der Schwindel wollte nicht weggehen. Frank stand ihr etwas abgewandt und schaute über die Tür auf die elektronische Anzeige, um zu sehen, wo sich der Aufzug befand. Er wirkte komplett ruhig, atmete tief und gleichmäßig. Wie konnte er nur so gelassen sein?, fragte Alba sich.

Als die Fahrstuhltür sich öffnete, holte sie eilig den Wohnungsschlüssel aus der Jackentasche und drückte ihm Frank in die Hand, bevor sie sich wieder bei ihm einhakte und die beiden den Flur betraten. Alba nickte in Richtung ihrer Wohnungstür, damit er sie aufschloss.

Frank war total vorsichtig mit ihr, vermutlich weil er sich vorstellen konnte, wie miserabel sie sich nach dem Schlag auf den Hinterkopf fühlte, und begleitete sie bis zur Couch. Nachdem Alba sich gesetzt hatte, lief er zielgerichtet auf den Kühlschrank zu und kramte im Eisfach.

Kurz darauf kam er mit einer Tüte gefrorenen Erbsen zurück und hielt sie Alba hinten an den Kopf, was ziemlich unangenehm war und ihr ein Zischen entlockte. Frank setzte sich mit etwas Abstand neben sie und sah sie stumm an.

"Du blutest", bemerkte Alba und richtete den Zeigefinger auf seine Nase, die er daraufhin leicht kräuselte und antwortete: "Nicht schlimm."

Nicht so schlimm, wie eine handvoll Krimineller abzuknallen, dachte Alba still, sprach es aber nicht aus. Ihr Blick fiel zurück auf die Weste mit dem weißen Totenkopf, die er trug, und sie fragte sich, was diese Aufmachung sollte. Frank sah genau, wohin sie blickte, blieb allerdings ebenfalls stumm.

Seine Zunge huschte schnell über die Lippen, mit ernster Miene fragte er: "Machst du so etwas öfter?" Verwirrt über diese Frage, runzelte Alba die Stirn. "Dich in Gefahr bringen, meine ich", setzt er nach.

"Nicht so oft wie du, offensichtlich", antwortete sie nüchtern und fixierte ihn. Es wirkte nicht so, als hätte er das zum ersten Mal gemacht. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie rückte ein Stück weiter von ihm weg, was ihn wiederum dazu brachte, die Stirn in Falten zu legen.

Frank wollte gerade etwas sagen, da fiel Alba ihm ins Wort, als ihr etwas ganz anderes, weitaus Schlimmeres aufging: "Du hast ihn erschossen!"

Für einen Moment herrschte Stille und sie wendete den Blick ab. Alles, woran Alba noch denken konnte war, wie Frank damit ihre Hoffnung, auf die benötigten Informationen, zunichte gemacht hatte, indem er Vargas erschossen hatte. Sie hatte sich überwunden zurück nach New York zu kommen, hatte sich endlich dazu durchgerungen etwas zu unternehmen, und dann kam dieser verrückte Kerl, bei dem sie nun keine Zweifel mehr hatte, dass er verrückt war, und knallte ihre Chance auf Vergeltung ab.

Albas Unterlippe begann zu zittern, ihre Augen wurden leicht glasig und sie hatte Mühe, vor lauter Verärgerung, nicht hysterisch zu werden. Als sie Frank wieder ansah, stand ihm die Irritation ins Gesicht geschrieben. Er wirkte plötzlich gar nicht mehr so knallhart, sondern auf ziemlich menschlich. Das böse Funkeln in seinen Augen war etwas Milderem gewichen, ohne dass Alba hätte sagen können, was das zu bedeuten hatte.

soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt