Kapitel 35

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ALBA

Sie war froh, dass Frank sich auf die Nähe eingelassen und sie in den Arm genommen hatte. In diesem Moment fühlte Alba sich am sichersten Ort der Welt. Sie wollte etwas über ihn wissen, seine menschliche Seite besser kennenlernen, und die Frage über seine Kinder erschien ihr dafür am geeignetsten.

Franks Muskeln hatten sich spürbar angespannt, als sie diese gestellt hatte. Doch mit jedem Wort, das er sprach, ließ die Anspannung in ihm wieder nach.

"Oh, es war großartig. Weißt du, ich hatte keine Ahnung von Kindern. Maria jagte mir eine Heidenangst ein, als sie mir von der ersten Schwangerschaft berichtete. Wir kannten uns kaum, waren noch so jung. Im ersten Moment war ich völlig überfordert." Er pausierte kurz und räusperte sich.

"Aber es funktionierte einfach. Maria war die beste Mutter der Welt. Oh und meine Kleine, meine süße Kleine, sie entwickelte sich prächtig, war ein richtig schlaues Mädchen. Das hatte sie nicht von mir, so viel stand fest." Wieder hielt Frank inne, als erinnere er sich an ganz bestimmte Dinge.

"Wie war dein Sohn?"

"Frank Junior?" Sie nickte. "Tja, er ... er kam ganz nach seinem Vater, aufmüpfig und gnadenlos ehrlich, wenn es darum ging, seine Gedanken auszusprechen." Frank lachte leise. "Er war ein guter Junge, passte auf unsere Mädels auf, wenn ich nicht da war."

Sie hatte gar nicht daran gedacht, dass Frank wohl auch viele Momente seiner Kinder gar nicht richtig mitbekommen hatte, weil er im Marine Corps war. "Hast du sie vermisst, wenn dort fort warst?"

"Jede Sekunde", antwortete er ohne zu zögern. "Aber es gab immer auch die andere Seite."

"Welche andere Seite?"

"Das da draußen, dieser ganze Scheiß, dem wir in der Army ausgesetzt waren ... Gott, ich liebte es."

Alba hielt die Luft an. Es war das erste Mal, dass sie bewusst wahrnahm, das etwas an dem dran war, was die restliche Welt über ihn behauptete.

"Der Krieg verändert einen, man kommt nie unbeschadet da raus, selbst wenn man zurück kommt."

Der Staat formte Männer wie Frank zu lebendigen Waffen, die im Ausland auf Befehl schreckliche Dinge verübten. Alba fragte sich, in wie weit man wem der Beteiligten an diesem Fakt die Schuld geben sollte.

"Bereust du es?", wollte sie wissen und sah Frank das erste Mal mit etwas Furcht an.

"Alles", gestand er knapp.

Frank rückte ein wenig von ihr ab, um sich auf den Rücken zu drehen, sodass die Kälte des Raumes seine Wärme vertrieb und Alba das sichere Gefühl, gehalten zu werden, sofort vermisste.

Letztlich war es tröstlich, zu hören, dass er seine Taten ungeschehen machen wollen würde, wenn es möglich gewesen wäre.

"Warum machst du damit weiter?"

Er kniff die Augen zusammen, als wäre diese Frage völlig absurd. "Weil ich gut darin bin." Die zuvor besagte, gnadenlose Ehrlichkeit.

Alba konnte nicht abstreiten, wie präzise Frank war, aber er sprach dabei über das Töten von Menschen, was de facto als Verbrechen galt.
Vielleicht musste sie ihre Meinung über ihn noch einmal überdenken.

"Was wirst du tun, wenn du die Chance zur Rache bekommst?", war es an ihm eine Gegenfrage zu stellen.

"Du hast sie mir zwei Mal genommen", rief Alba ihm ins Gedächtnis, was Frank mit einem schiefen Grinsen quittierte.

"Sei froh darüber. Du möchtest diese Grenze nicht überschreiten, glaub mir. Außerdem", er drehte sich zu ihr zurück, "hättest du nichts ausrichten können, völlig unbewaffnet." Der Punkt ging an ihn.

Eigentlich wollte Alba etwas Abstand zu ihren eigenen Problemen erhalten, aber das Gespräch wendete sich unweigerlich wieder zu diesen hin, als wären sie an einen Boomerang gebunden, der immer wieder damit zurück kam egal wie gut man ihn fortwarf.

Es vergingen mehrere Minuten, in denen die beiden sich anschließend einfach nur stumm gegenüberlagen und einander in die Augen schauten.

"Ich hätte dich gern unter anderen Umständen kennengelernt", flüsterte Alba dann, um die Stille zu brechen, die langsam aber sicher immer erdrückender wurde.

"Ich denke, es musste so kommen", entgegnete Frank unerwartet.

"Warum glaubst du das?" Alba konnte sich kaum vorstellen, dass es merklich mehr Leute gab, die sich unter einem derart schlechten Stern trafen, wie sie.

"Weil es sich anfühlt, als würden wir uns gegenseitig beginnen Halt zu geben."

Dass er ihr in den letzten Wochen außerordentlich viel Halt gegeben hatte, auf die ein oder andere Art und Weise, konnte Alba nicht leugnen. Allerdings stellte sich ihr die Frage, inwiefern es umgekehrt der Fall war, dass Frank so etwas behauptete.

soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt