ALBA
Ein schrilles Klingeln sorgte dafür, dass sie aufwachte. Noch völlig schlaftrunken nahm sie gerade so wahr, wie dumpfe Schritte durch den Raum hallten, als der Fremde zur Sprechanlage ging.
Es klickte, als er den Sprechknopf betätigte. "Komm hoch", forderte er denjenigen auf, der geklingelt hatte. Durch die Gegensprechanlage konnte man hören, wie der Türöffner brummte. Es dauerte nicht lange, bis es erneut klingelte. Diesmal an der Wohnungstür, die daraufhin geöffnet wurde. Zwei Hände schlugen grüßend ineinander, dass es klatschte.
"Hast du so übertrieben, dass du Metamizol brauchst?", fragte der zweite Unbekannte in einer komischen Tonlage. Es war eine Mischung aus Scherz und Tadel, aber seine Stimme war warm und freundlich.
"Nicht ich, sondern sie", erklärte die vertraut tiefe Stimme desjenigen, der sich um sie gekümmert hatte. Die Wohnungstür fiel ins Schloss und die beiden kamen zu ihr rüber.
"Hey!" Ein Mann Ende 30 kniete sich zu ihr nieder. Als er sich die dunkelgraue Mütze vom Kopf zog, sprangen wilde, dunkelblonde Locken darunter hervor, wie ein Clown, der mittels Sprungfeder aus einer Kiste schießt. "Ich bin David", stellte er sich vor. Seine grau-blauen Augen funkelten freundlich. "Bald geht's dir besser!" Er schenkte ihr ein besonders aufmunterndes Lächeln und tätschelte ihre Schulter.
"Frank, hol ihr etwas Wasser", wies er an und streckte den linken Arm nach hinten aus, um diesem eine Tasche in die Hand zu drücken. Da erst fiel ihr auf, dass dieser Frank sich bisher gar nicht vorgestellt hatte. Wobei man es ihm nicht verübeln konnte, wo sie doch die meiste Zeit bewusstlos war.
Beide folgten sie Frank mit den Augen, wie er zu einem der Küchenschränke lief, ein Glas herausnahm und es mit Wasser gefüllt herbei brachte. Er überreichte ihr das Glas, nahm die Medikamentenpackung aus der Tasche, die David mitgebracht hatte, und drückte eine Tablette aus dem silbernen Blister in ihre offene Handfläche. Nachdem sie die Tablette eingenommen hatte, starrten die beiden Männer sie einen Moment lang an, als erwarteten sie, dass ihr gleich ein weiteres Körperteil wuchs. Natürlich passierte das nicht.
"Guuuut", sagte David gedehnt und rieb die Handflächen aneinander. Er wirkte ziemlich gelassen, in Anbetracht der Situation. Vielleicht war er Arzt oder so. "Wir warten ein paar Minuten, bis die Tablette beginnt zu wirken, und dann bringe ich dich ins Krankenhaus."
Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Krankenhaus? Keine gute Idee! "Danke, aber das ist nicht nötig", entgegnete sie freundlich und so gefasst wie möglich. Auf Davids Stirn zeichneten sich Falten ab, während er den Kopf leicht schief zur Seite neigte. "Ich brauche nur etwas Ruhe, dann bin ich wieder fit", fügte sie schnell hinzu.
Er wollte gerade etwas erwidern, doch Frank legte ihm die Hand auf die Schulter und meinte, "Sie kann hier bleiben." Ein Freund vieler Worte, dachte sie. Allerdings genügten die Worte und sorgten dafür, dass sie nicht weiter in Verlegenheit geriet.
Ergeben hob David beide Hände in die Luft. "Ja, okay, gut. Wenn ihr beide meint, dass man auf der Couch abhängen und nicht ins Krankenhaus gehen sollte, nachdem man halb abgestochen wurde, will ich euch glauben." Es fiel nicht schwer, die pure Ironie herauszuhören. Frank, der hinter David stand, rollte mit den Augen.
"Tja, dann ..." David drückte ihr erneut die Schulter, hielt allerdings inne, weil er ihren Namen nicht kannte und sah sie fragend an.
"Elena", stellte sie sich ohne zu zögern vor. Davids Blick erhellte sich. "Elena", wiederholte er. "Ich hoffe, du erholst dich gut."
Er stand auf und drehte sich mit einem Räuspern zu Frank. "Hör zu, ich muss jetzt gehen. Sarah und die Kinder warten mit dem Essen auf mich. Sie hat Kleidung in die Tasche gepackt. Wenn du noch etwas brauchst, sag Bescheid. Ich kann es später vorbeibringen."
Frank nickte. "Danke!" Er hielt ihm die rechte Hand hin. David schlug ein, die beiden umarmten sich brüderlich und klopften sich zum Abschied gegenseitig auf die Schulter. Anschließend brachte Frank David zur Tür, wo sie nochmal kurz stehenblieben.
"Du bist doch nicht dafür verantwortlich, oder Frank?", flüsterte David leise. Vermutlich glaubte er, sie wären nicht zu verstehen. Doch sie verstand jedes Wort, denn die Distanz war viel zu gering.
"Nein, natürlich nicht. Hab sie letzte Nacht gefunden. Sie taumelte mit dieser Stichwunde aus einer Gasse und brach zusammen", erklärte Frank.
"Was zum ... Wer hat ihr das angetan?" David klang entrüstet.
"Keine Ahnung." Es war verblüffend, wie wortkarg dieser Frank war.
"Na ja, ich muss los. Bis später, alter Freund."
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soulache | ✓
FanfictionLange hat Alba sich vor ihrer Vergangenheit versteckt. Doch ihr Schmerz, und daher auch Wunsch nach Vergeltung, ist zu groß. Als sie zurück nach New York kommt, läuft allerdings erst einmal gar nichts wie geplant. Völlig unvorbereitet läuft sie in e...