Kapitel 6

47 7 1
                                    


FRANK

Elena schlief noch, als er aufwachte. Wie eine überfürsorgliche Mutter fühlte er sich, als er schon wieder mit der Hand an ihrer Stirn prüfte, ob das Fieber verschwunden sei. Seine Bemühungen, sie dabei nicht zu wecken, waren glücklicherweise von Erfolg gekrönt. Zu allem Übel war das Fieber aber immer noch nicht abgeklungen. Wenigstens haben die wilden Träume aufgehört, dachte er und beobachtete sie eine Weile beim Schlafen. Das samtige Haar lag wild verteilt über dem weißen Kopfkissen, Elenas etwas dunklerer Teint ergänzte den Kontrast perfekt.

Frank überlegte, was eigentlich in ihn gefahren war, sie mit in sein Apartment zu nehmen. Er hätte einen Krankenwagen rufen sollen, anstatt selbst an ihr herum zu doktorn. Doch so viel Blut, wie sie verlor, hatte er ihre Chancen als zu gering eingeschätzt, um bis zum Eintreffen der Rettungskräfte durchhalten zu können. Und obwohl er die Blutung hatte stoppen können, deutete jetzt alles daraufhin, dass es damit nicht getan war. Im schlimmsten Fall hatte sich die Wunde entzündet. Zumindest wäre es die plausibelste Erklärung für die immer noch viel zu hohe Temperatur. Verdammt! Manche Wunden waren einfach nur fies.

Viele solcher Verletzungen hatte er bereits am eigenen Leib erfahren. Einige waren nicht der Rede wert, ließen sich einfach flicken und machten keine weiteren Probleme. Doch manche konnten einem das Leben wirklich schwer machen, sich entzünden oder immer wieder aufbrechen. Wie dieser Cut an seiner Schläfe. Der wurde ihm nun bereits zum dritten Mal aufgedroschen und nervte wie verrückt. Genau dort hatte sie ihn berührt. Frank verzog das Gesicht bei der Erinnerung daran, was für ein merkwürdig, fremdes Gefühl ihre Berührung bei ihm verursachte.

Leise wie eine Raubkatze verließ er das Bett und schlich durch die Wohnung. Er wollte Elena nicht wecken. Am Ende war er von sich selbst überrascht, wie geräuschlos es ihm gelang, sich einen Kaffee zu machen. Zum Glück hatte er den hässlichen Signalton der Kaffeemaschine deaktiviert, sodass dieser nicht schrill durch das Apartment hallte, als das Gerät seine Aufgabe erfüllt und frischen Kaffee in einen Becher ergossen hatte. Frank lehnte sich an die Wand neben dem Küchenfenster, die warme Kaffeetasse wärmend zwischen beiden Händen haltend, und schaute runter auf die Straße, wo bereits das typische New Yorker Verkehrschaos herrschte.

Nach einer Weile ließ sich das Rascheln der Bettdecke im Hintergrund vernehmen. Elena war aufgewacht, setzte sich gerade auf und rutschte an die Bettkante, was ihr augenscheinlich Mühe bereitete. Frank rührte sich nicht, sondern beobachtete sie vom anderen Ende des Raumes aus. "Wie fühlst du dich?"

"Fiebrig", antwortete sie und rieb sich die Augen. "Und ziemlich schwach." Sie brachte die Füße auf den Boden, stütze sich mit den Armen an der Matratze und versuchte sich aufzurichten. Ihr Stand war wackelig und hielt nur wenige Sekunden, bevor sie neben dem Bett zusammensackte. Er hätte es wissen müssen. Mist! Mit zwei großen Sätzen überwand er die Distanz zu ihr und kniete nieder. "Schwach ist untertrieben." Mit zwei Fingern suchte er den Puls an ihrem Hals, er war kaum auffindbar.

Er fummelte sein Smartphone aus der Hosentasche und drückte die Wahlwiederholung, um David anzurufen. "Komm schon, geh ran", fluchte er, als das Freizeichen mehrmals ertönte. "Du musst sie sofort ins Krankenhaus bringen!", schmetterte er seinem Freund um die Ohren, noch bevor dieser etwas sagen konnte, als er den Anruf entgegennahm.

"Äh ... natürlich ... bin schon auf dem Weg!", murmelte David erschrocken und legte direkt wieder auf.

Frank warf das Smartphone aufs Bett. "Du musst dir was anziehen. Ich helfe dir, okay?" Elena nickte zögerlich und er griff nach der Tasche, in der sich die Kleidung von Sarah befand. Nur Davids Frau konnte es schaffen, Kleidung so zu kombinieren, dass sie bequem und gleichzeitig modisch aussah. David hatte wirklich Glück mit ihr. Und Elena profitierte ebenfalls davon. Sie schaffte es allein, sich die schwarze Bluse und die Jacke eines Trainingsanzuges anzuziehen, den man ohne Bedenken auch zu einem besonderen Anlass hätte tragen können. Sarahs Kleidung schmeichelte Elena nicht weniger, als die Sportkleidung, die sie zuvor trug, und betonte ihre Weiblichkeit ziemlich stark. Du hast das alles schon einmal gesehen, schimpfte er sich im Stillen und wendete den Blick leicht ab. Dass sein Magen dabei so flau wurde, wie in seiner Teenagerzeit, wenn er mit einem Mädchen rummachte, irritierte ihn.

Elena räusperte sich leise, nachdem sie die Oberteile angezogen hatte. Mit einem Hilfe suchenden Blick sah sie zu ihm auf. Trotz dass Frank vor ihr kniete, war er einen Kopf größer als sie. Hilfe beim Anziehen der Hosen anzufordern, war ihr sichtlich unangenehm. Er nickte, griff ihr unter die Arme und half Elena dabei, sich aufzurichten.

Als stünde Frank im OP und operierte am offenen Herzen, legte er alle Konzentration daran, gelassen zu bleiben, während er Elenas perfekten Beinen dabei behilflich war, den Weg in die Hosenbeine zu finden. Für eine Millisekunde setzte sein Verstand aus, als eine seiner Hände flüchtig die zarte Haut an ihrem Oberschenkel berührte, während er die Hose hinauf zur Taille zog. "Geschafft", bemerkte er, obwohl es eine komplett unnötige Äußerung war. Sie starrte ihn von unten her an und lächelte verlegen, als er den Blick erwidert.

soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt