Kapitel 19

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FRANK

Von einem zum anderen Moment ändert sich Albas Ausdruck schlagartig, das anfängliche Entsetzen über das, was sich ereignet hatte, wurde von einer erdrückenden Traurigkeit, gepaart mit einem Anflug von Resignation, abgelöst und stand ihr wortwörtlich ins Gesicht geschrieben. Ihre Bitte, nicht zu schießen, war gar nicht auf sie bezogen, sondern auf diesen Bastard, schoss es Frank durch den Kopf.

"Du hast ihn erschossen", sagte Alba erneut, aber flüsternd. Frank fragte sich, wie oft sie das jetzt noch wiederholen wollte, war das nicht offensichtlich?

Mit einem Schwung erhob sie sich von der Couch, doch der Schwindel ließ sie schwanken und beförderte sie prompt zurück auf den Hosenboden. Frank wollte sie auffangen, hielt ihr reflexartig schützend die Hände entgegen, wobei die beiden sich flüchtig berührten. Doch Alba fauchte, wie eine wilde Katze, und riss den Arm, den er streifte, fort.

Warum auch immer, aber diese Geste versetzte ihm einen Stich ins Herz. Ihre Augen funkelten zornig und verstärkten das komische Gefühl in Franks Brust nur noch mehr. Mitleidig betrachtete er sie, denn es war eindeutig, dass Alba sich etwas von diesem Abschaum erhofft hatte, was auch immer es war.

In einem zweiten Versuch, allerdings weniger energisch, erhob sie sich erneut. Es gelang ihr, wobei sie eher schlecht als recht stehenblieb, und etwas ulkig dabei aussah, weil sie sich zusätzlich immer noch die Erbsen zur Kühlung an den Hinterkopf drückte. Frank musste sein Grinsen unterdrücken.

"Du hast ihn ...", begann sie den Satz wiederholen zu wollen, doch er unterbrach sie: "Es zu wiederholen macht ihn nicht wieder lebendig."

Albas Augen weiteten sich und er fürchtete, dass sie gleich anfangen würde zu schreien, aber erst mal klappte ihr nur die Kinnlade runter und dann schüttelte sie heftig den Kopf, als wäre sie im Begriff den Verstand zu verlieren. Als das Kopfschütteln allmählich abebbte, fand sie ihre Stimme wieder: "Du verstehst das nicht."

Frank legte den Kopf leicht schief. "Stimmt. Vor allem aber verstehe ich nicht, warum du dort aufkreuzt, nachdem du vor nicht einmal zwei Wochen halb abgestochen wurdest, Alba."

Augenblicklich versteifte sie sich komplett, so als wäre ihr Organismus in Schockstarre übergegangen. Die erhobene Hand mit den Erbsen senkte sich und der Arm hing, gleich dem anderen, schlaff an ihr runter wie bei einer Marionette, deren Fäden plötzlich keiner mehr aufrecht hielt.

Shit! Ihm war gar nicht aufgefallen, dass er ihren richtigen Namen benutzt hatte, den er ja offiziell gar nicht wissen konnte, weil sie sich als Elena vorgestellt hatte.

Alba öffnete den Mund, als wollte sie etwas sagen, schloss ihn, öffnete ihn wieder und brachte doch nichts heraus, und augenblicklich bereute Frank, dass er überhaupt geblieben war. Er hätte sie nach Hause bringen und dann direkt verschwinden sollen. Die Probleme anderer sind nicht deine Probleme, schimpfte er sich stumm.

"D-du ... wo ... woher ...", stotterte Alba schließlich, wurde allerdings davon unterbrochen, dass es erst klingelte und dann auch noch von draußen laut an die Wohnungstür hämmerte. Frank drehte sich in Richtung Tür um und auch Albas Blick war für ein paar Sekunden darauf fixiert, ohne dass sie sich bewegte.

"Mach auf oder ich trete die Tür ein!", schimpfte eine Männerstimme im Hausflur.

Alba schien erleichtert und atmete auf, dann setzte sie sich in Bewegung, um zu öffnen. "Jay, du hast mich gerade ganz schön erschreckt! Was machst du hier?", fragte sie in einem völlig unbekannten, liebevollen Tonfall und umarmte den Mann im Türrahmen überglücklich.

Der plapperte sofort drauf los und klang dabei nicht weniger aufgeregt als sie selbst. "Ich weiß, ich sollte in D.C. bleiben, aber ich habe mir einfach solche Sorgen um dich gemacht, nachdem du aus dem Krankenhaus entlassen wurdest und am Telefon so komisch warst."

Der blonde Kerl überragte die zierliche Frau um eineinhalb Kopf, hatte eine dicke Rahmenbrille auf der Nase und sah noch nerdiger als David aus. Alba hielt sich an ihm fest, als sei er ihr Fels in der Brandung.

Doch dann sah er über ihre Schulter hinweg ins Wohnzimmer, wo Frank wie Fehl am Platz auf der Couch saß, und zuckte zusammen. "Scheiße, Alba, was ...?", setzte er an und warf ihr einen schockierten Blick zu. Wie in Zeitlupe löste er sich aus der Umarmung. Verwirrt blickte Alba zwischen den beiden Männern hin und her.

Unangenehm, dachte Frank still, rückte seinen Hoodie zurecht und machte sich daran den Zipper zu schließen, weil genau dort auf dem weißen Totenkopf der Blick des anderen klebte. Der schien so überrumpelt, dass er nur starrte.

"Nichts für ungut", murmelte Frank. "Ich wollte gerade gehen." Er beeilte sich, die Wohnung zu verlassen und zog die Tür hinter sich zu.

soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt