Kapitel 36

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FRANK

Als er ihr sagte, dass er sich fühlte, als gäben sie sich gegenseitig mehr Halt, hatte Alba sich ein wenig versteift. Empfand sie nicht so?

Ihr von den Kindern zu erzählen schmerzte weniger, als Frank angenommen hatte. In ihrer Gegenwart hatte er nicht das Gefühl, die Nerven zu verlieren, wenn er an seine Familie dachte. Irgendwie war es sogar schön, ein bisschen in den guten Erinnerungen zu schwelgen.

Es war, als wäre es erst gestern gewesen, und gleichzeitig kam es ihm vor, als lägen hundert Jahre dazwischen. Er konnte sich nie auch nur ansatzweise vorstellen, jemals ein Leben ohne seine Familie zu führen, doch während er Alba in den Armen hielt, wünschte er sich, dass es so werden würde. Dieser Wunsch irritierte ihn, denn er hatte sich sehr weit von jeder menschlichen Regung entfernt.

Albas Geschichte war so schrecklich, dass man selbst mit der allergrößten Distanz zur Menschlichkeit unweigerlich mitfühlen musste. Frank verstand ihren Schmerz, bedauerte ihren Verlust und wünschte ihr Frieden finden zu können, und trotzdem wurde er sich mit jeder Minute in ihrer Gegenwart sicherer, dass er nicht nur aus Empathie so für sie empfand.

"Frank?", sagte Alba leise, den Blick von ihm abgewandt, und holte ihn damit zurück in die Gegenwart. Er mochte es, wenn sie seinen Namen sagte, und gab ein Grummeln von sich, um seine Aufmerksamkeit zu bestätigen. "Ich bin verloren."

Sein Herz krampfte bei diesen Worten. Es musste furchtbar für sie sein, gleich zwei Chancen auf Rache genommen bekommen zu haben. Wegen mir!, rügte er sich stumm. "Du bist nicht verloren. Nur etwas orientierungslos", versuchte er sie zu beruhigen und streichelte sanft ihren Arm, wovon Alba eine leichte Gänsehaut bekam.

"Selbst wenn Henderson und Partner die Finger in der Sache haben, weiß ich nicht, wie ich das herausfinden soll." Ihre Stimme klang verzweifelt, während sie den Kopf schüttelte.

"Vertraust du mir?"

Sie regte sich, drehte sich in seinem Arm so, dass sie Frank direkt ansehen konnte. Ihr Gesicht war seinem ganz nah, was ihn fast verrückt machte, denn direkt in diese wundervollen Augen zu blicken, ließ ihn schwach werden. "Ja, Frank, ich vertraue dir. Aber warum fragst du das?"

"Wenn ich dir raten würde, dich David anzuvertrauen, ihn so weit wie nötig in diese Sache zu involvieren, würdest du es tun?"

Frank wusste, dass es vermutlich nicht gerade leicht für Alba werden würde, auch David von ihrer Vergangenheit zu erzählen. Vielleicht war es auch zu viel verlangt, weil es für sie unheimlich schmerzhaft war, darüber zu sprechen. Doch er wusste auch, dass sein alter Freund ihre beste Chance war.

"Ich glaube, ich verstehe nicht, was das bringen soll", gestand sie und runzelte die Stirn.

"David ist ziemlich gut im Recherchieren."

"Heißt das, er ist dein Informant?" Albas Augen wurden noch größer, als sie ohnehin schon waren, und die gelben Sprenkel begannen zu schimmern.

"Ja ... irgendwie schon. Es wäre für ihn ein Leichtes, dir Informationen zu verschaffen."

Für einen Moment lag Alba regungslos da, starrte ihn nur an, während ihre Augen immer hoffnungsvoller glänzten. Frank hoffte, ihr damit zu helfen. Es war ihre Angelegenheit und auch, wenn er Alba ohne große Mühe helfen konnte, musste sie die Entscheidung selbst treffen. Es konnte ja genauso gut der Fall sein, dass sie gar nicht weiter vorgehen wollte.

"Ich wäre David ewig dankbar", nuschelte sie schließlich und eine einzelne Träne rollte ihr übers Gesicht. Frank konnte dem Drang, die Träne mit dem Daumen weg zu wischen, nicht widerstehen.

"Ich rufe David morgen an, dann können wir uns mit ihm treffen", versprach er ihr.

soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt