Kapitel 34

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FRANK

Alba sah müde aus, kein bisschen erholt von den Strapazen, die ihr das Leben in jüngster Vergangenheit zugemutet hatte. Es war nicht richtig, sie direkt wieder mit Fragen zu bombardieren, dachte er nachträglich. Jedenfalls wirkte sie nicht, als würde sie darauf antworten wollen.

Ihr Gesicht war eingefallen, generell sah sie total ausgemergelt aus. Der fragile Körper hing wie eine Stockpuppe in dem hellbraunen Trenchcoat, den sie trug. Mit müden Augen ließ Alba sich zur Seite fallen, dass sie längs auf dem Bett landete, zog die Knie an und schob beide Hände zwischen Matratze und Wange.

"Sie sagten, sie wollen mich schützen", murmelte sie kaum verständlich.

"Das hast du ihnen geglaubt?" Frank war sich bewusst, dass seine Stimme voller Sarkasmus war. Ihm wäre so ein Fehler nicht unterlaufen, das stand fest.

Er lief durch den Raum, hinüber zu der Kommode neben der Badezimmertür, um sich einen Hoodie aus der obersten Schublade zu holen. Als er das Hemd aufknöpfte und es auszog, brannten Albas Blicke auf ihm. Er meinte sogar, einen kleinen Seufzer von ihr vernommen zu haben, nachdem er Hemd gegen Hoodie getauscht und damit seinen nackten Oberkörper wieder bedeckt hatte.

Das kurzzeitige Leuchten in ihren Augen verschwand wieder und sie sprach weiter: "Ich habe ehrlich gesagt nicht darüber nachgedacht, als man mir den falschen Ausweis gab. Ich war in Panik, hatte Angst, dass man auch hinter mir her sein würde. Marcs Chef, dieser Henderson, kam zu mir, sprach mir sein Beileid aus und faselte von all den Fällen, die mein Mann für die Kanzlei gewonnen hatte. Unwichtiges Zeug, was mich in dem Moment kein bisschen interessierte."

Sie machte eine kurze Pause, um Frank prüfend anzusehen, der einfach mitten im Raum stand und ihr zuhörte. "Henderson meinte, es sei das Mindeste, was er tun konnte, um mich aus der Schusslinie zu bringen."

"Warum du in der Schusslinie bist hat er nicht erwähnt, richtig?" Innerlich begann Wut in Frank aufzusteigen. Er konnte sich denken, dass dieser Drecksack in krumme Geschäfte verwickelt ist, wenn er solche Maßnahmen ergreift. Falsche Ausweise verteilt normalerweise nur der Staat.

"Ich dachte, er würde das selbst nicht wissen."

"Oh, ich denke, der weiß das ganz genau", presste Frank hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Wenn dieser Mistkerl von Anwalt einer Gegenpartei einen Gefallen schuldete, der daraus bestand einen Kriminellen frei zu bekommen, dann konnte nur Dreck am Stecken sein.

Alba schwieg eine Weile. Frank hätte verstanden, wenn sie einfach nur schlafen und vergessen wollte. Doch dann suchte sie wieder seinen Blick und fragte matt: "Frank? Würdest du dich zu mir legen?" Ihr Bitte erwischte ihn kalt. Es war nichts dabei und trotzdem versetzte es ihm eine Gänsehaut.

"Ja ... klar", bestätigte er leicht verwirrt und legte sich mit etwas Abstand zu ihr aufs Bett, dass ihr leichter Körper unter seinem zusätzlichen Gewicht auf der Matratze ebenfalls etwas tiefer sank.

Noch während Frank sich über diese Bitte wunderte, fuhr Alba fort: "Kannst du mich festhalten?"

Er leistete ihrer Bitte Folge, schmiegte sich von hinten an und schloss die Arme um ihren Oberkörper. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, bei dem Gedanken daran, dass diese atemberaubende 34-Jährige sich ihm gegenüber so verletzlich gab. Jedenfalls ging er davon aus, dass zumindest das Alter auf ihrem falschen Ausweis nicht so weit hergeholt war, wie der Rest der Angaben.

"Wie war es?", wollte Alba wissen und ihre Stimme war dabei total klar, fast schon etwas aufgeregt.

"Wie war was?" Frank wusste nicht, worauf sich die Frage bezog.

"Die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen", erklärte sie den Hintergrund ihrer Frage und drehte den Kopf zu ihm, um ihn ansehen zu können. "Ich habe mich oft gefragt, wie es gewesen wäre, wenn Theo seinen ersten Geburtstag mit uns gehabt hätte. Die ersten Schritte und Worte, ich durfte nichts davon erleben."

Frank bekam eine Gänsehaut, denn Albas Stimme klang mit einem Mal mehr als fremd. Wie sie darüber sprach, hätte man glauben können, es ginge um irgendein Kind, nicht um ihr eigenes. Es war traurig, aber er konnte verstehen, dass ihre solche Fragen durch den Kopf gingen.



soulache | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt