Kapitel 2:

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Mein schlechtes Gewissen lässt mich ganze zwei Tage halbwegs in Ruhe. Am dritten aber halte ich es nicht mehr aus.
Ich fahre zurück zu Jordans Haus und das seiner Frau. Aber ich will nicht mit ihm sprechen. Ihm gegenüber habe ich nichts zu verantworten. Ich will mich bei Grace Mavrik entschuldigen. Oder ihr zumindest sagen, dass es mir leid tut und dass ich nichts von Jordans Ehe mit ihr wusste.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich an der Tür klingle. Aber zu meiner Verwunderung macht nur eine ältere Dame mit einem kleinen, blonden Mädchen mit süßer Zahnlücke auf dem Arm die Tür auf.
„Ja bitte?"
„Entschuldigen Sie die Störung, ich wollte mit Mrs. Mavrik sprechen. Ist sie da?", sage ich schnell und lächle dem kleinen Mädchen freundlich zu. Offenbar ist sie eines von Jordans Kindern.
„Tut mir leid, aber meine Tochter ist nicht zuhause. Aber fragen Sie mal an der Uni nach, sie arbeitet dort als Dozentin", gibt mir die Dame freundlich Auskunft und ich verabschiede mich dankend.
Im Sekretariat der Universität, auf die auch ich in einer Woche gehen werde, bekomme ich einen Hörsaal gesagt und als ich endlich dort ankomme, strömen mir schon etliche Studenten entgegen. Ich warte noch bis keiner mehr von ihnen zu sehen ist, dann schlüpfe ich schnell in den leeren Raum hinein.
Ich sehe Mrs. Mavrik an ihrem Pult stehen und gerade ihre Tasche zusammenpacken. Als sie mich erkennt, macht sich ein kalter Ausdruck auf ihrem schönen Gesicht breit. An den dunklen Schatten unter ihren geröteten Augen, erkenne ich, dass sie in den letzten Tagen viel geweint haben muss und in den Nächten auch nicht wirklich viel geschlafen hat.
„Du hast vielleicht Nerven hier aufzutauchen", schnappt sie sofort und funkelt mich wütend an. Ich aber beiße mir nur auf die Lippe und sehe die Ehefrau meines beinahe One-night-stands flehentlich an.
„Mrs. Mavrik, es tut mir leid. Ich-...ich wusste wirklich nicht, dass Jordan verheiratet ist, sonst hätte ich mich nie auf ihn eingelassen. Ich-", versuche ich mich zu entschuldigen, doch sie unterbricht mich unwirsch.
„Das ändert trotzdem nichts daran, dass es geschehen ist."
Ich senke kurz den Kopf und überlege angestrengt, was ich jetzt noch sagen könnte. Immerhin trifft mich eigentlich keine Schuld. Aber ich kann auch verstehen, wie sich Mrs. Mavrik jetzt fühlen muss.
„Naja...es kam nicht zu...mehr als ein paar Küssen. Falls Ihnen das irgendetwas hilft", erwidere ich leise und sehe der schönen Frau in ihre durchdringenden, blauen Augen. Doch die presst nur ärgerlich ihre vollen Lippen aufeinander.
„Das tut es nicht, denn genau dasselbe hat mir Jordan auch schon gesagt. Wenn ich euch nicht erwischt hätte, wäre es garantiert zum Sex gekommen. Und darum tut es mir auch gar nicht leid, dass ich euch den Spaß verdorben habe. Wenn du jetzt bitte gehen würdest!"
Mit schneidender Stimme deutet Mrs. Mavrik auf die Tür und mir bleibt nichts anderes übrig, als mit eingezogenem Schwanz den Rückzug anzutreten.
An der Tür des Hörsaales angekommen, drehe ich mich dann aber doch noch einmal um.
„Ich werde übrigens ab nächster Woche hier studieren. Nur damit Sie Bescheid wissen."
Ich sehe wie die schöne Ehefrau von Jordan ihr blauen Augen verdreht.
„Na ganz super."
Dann verlasse ich die Universität.

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