„Sind die Kühlsysteme der Hawk ausgefallen?", frage ich Beau über die Schulter, als ich ihr voran ins Cockpit der Hawk stürme. Hier drinnen ist es kaum auszuhalten, so heiß ist es!
„Ja! Ich vermute, dass es mit dem defekten Antrieb zusammenhängt. Vermutlich wird auch die Kühlung nicht mehr mit Energie versorgt", antwortet Beau und folgt mir auf dem Fuß.
„Wie lange noch bis wir endgültig in diesem schwarzen Monster verschwunden sind?", rufe ich der erfahrenen Pilotin zu und laufe eilig in den hinteren Bereich des Spähers, direkt dorthin wo sich hinter einer Abdeckung der Antrieb des Raumschiffs befindet. Hier ist es so kochend heiß, dass die Luft vor meinen Augen beinahe flimmert.
„Ich kann es nur schätzen. Der Funkkontakt zur Alignment ist seit einigen Minuten abgebrochen und der Radar der Hawk ist nicht so genau. Vielleicht noch eine viertel Stunde!", ruft Beau aus dem Cockpit zurück und legt einige Schalter um, „ich werde jetzt die Rettungskapsel absprengen, vielleicht verschafft uns das ein wenig mehr Zeit!"
„Na ganz super", stöhne ich und mache mich hastig daran die nur lose angebrachte Abdeckung zu entfernen, um die wirren Rohre und Leitungen des Antriebs freizulegen. 15 Minuten? Ich brauche mindestens 25!
Ein unsanftes Rucken geht durch das Schiff, was bedeutet, dass Beau soeben die Rettungskapsel mit der ich gekommen bin von der Hawk getrennt hat. Durch diesen minimalen Schub driften wir wenigstens für den Moment von dem Kern des schwarzen Lochs weg. Aber es reicht bei weitem nicht aus, um dem Gravitationsfeld rum um das Loch zu entkommen.
„Ist die Hawk komplett manövrierunfähig?", frage ich Beau, als diese zu mir in den hinteren Bereich des Spähers kommt, um mich bei meiner Arbeit zu unterstützen.
„Absolut! Ich komme weder vor noch zurück oder in irgendeine andere Richtung", bestätigt Beau meine schlimmsten Befürchtungen und öffnet den Kasten mit dem neuen Trandensator. Ich nicke nur stumm und mache mich in der brütenden Hitze daran die Energieversorgung des Antriebs zu überprüfen. Nach nur wenigen Momenten komme ich zu dem Schluss, dass Beau mit ihrer Vermutung recht gehabt hat. Der Antrieb ist von der Energie restlos abgeschnitten. Und Schuld ist der verbaute Trandensator.
„Diese Vollidioten von Kurzstreckentechnikern! Die haben das falsche Modell in die Hawk eingebaut. Kein Wunder, dass dir das Ding über kurz oder lang durchgeschmort ist", knurre ich wütend und greife nach dem geöffneten Werkzeugkoffer am Boden, mit dem Beau offenbar schon versucht hatte den Antrieb zu reparieren.
„Ich werde ihnen einen schlechten Bericht schreiben", gibt Beau sarkastisch zurück und reicht mir geduldig jedes neue Werkzeug, als ich konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen damit beginne, den defekten Trandensator auszubauen. Die Hitze um uns herum wird immer unerträglicher und auch ich bin mittlerweile von einer Schweißschicht überzogen. Also schlüpfe ich kurzentschlossen Beaus Beispiel folgend aus dem Oberteil meines Overalls und trage so nur noch das kurzärmliche, dunkelrote Funktionsshirt meiner Arbeibtskleidung. Das verschafft mir zumindest ein bisschen Linderung.
„Meinst du, du kannst die Hawk rechtzeitig reparieren?", fragt die erfahrene Kundschafterin vorsichtig, während sie einen schnellen Blick zurück zum Cockpit wirft, durch dessen Scheibe das schwarze Loch unaufhaltsam näher rückt.
„Das werden wir sehen", antworte ich knapp und arbeite fieberhaft weiter. Ich weiß, dass mir nur noch wenige Minuten bleiben, aber ich vertraue meinen Fähigkeiten. Außerdem würde ich mir nie verzeihen, wenn Beau wegen mir sterben würde!
„Ich kann immer noch nicht fassen, dass du das getan hast, Reev. Wenn ich gerade nicht so froh wäre, dich bei mir zu haben, wäre ich unfassbar wütend auf dich! Wie lange habe ich dich nicht mehr geschimpft?"
Ich lache nur leise auf und krieche noch ein Stück tiefer in das Leitungsgewirr hinein.
„Bestimmt schon zwei Jahre nicht mehr. Du hattest bis vor kurzem noch den Eindruck, ich wäre erwachsen geworden", gebe ich belustigt zurück und löse zwei weitere Verschraubungen. Eigentlich müsste ich in dieser Situation Todesangst haben und nicht mehr in der Lage sein irgendwelche Witze zu reißen, aber allein Beaus Anwesenheit lässt die ganze Angst und Furcht beinahe restlos von mir abfallen.
Wenn wir sterben, dann zusammen. Nichts und niemand wird mich je wieder von ihr trennen können. Und das ist irgendwie ein beruhigender Gedanke.
„Ich brauche den Verbindungslöser", weise ich Beau an und die junge Pilotin reicht mir kommentarlos das verlangte Werkzeug. Dann allerdings stehe ich vor einer schwierigen Entscheidung. Ich kann den alten Trandensator nicht vollständig ausbauen, ohne dabei mit meinem Arm die Abfuhrleitung des Antriebs zu berühren. Allerdings merke ich bereits beim bloßen in die Nähe kommen, dass die Leitung kochend heiß ist! Aber ich habe keine Wahl. Denn die Zeit, mich anders an die letzte Verschraubung heranzuarbeiten, habe ich nicht. Ich muss es also tun.
„Noch etwa sieben Minuten", höre ich Beau in diesem Moment aus dem Cockpit rufen und beiße entschlossen die Zähne aufeinander.
Nur nicht schreien! Du kannst das!
In dem Moment, als das glühende Rohr mit meinem Unterarm in Berührung kommt, durchzuckt der schlimmste Schmerz den ich je gespürt habe meinen Körper. Mit aller Macht versuche ich leise zu sein, aber ich kann nicht verhindern dass mir ein schmerzerfülltes Stöhnen über die Lippen kommt, als ich angestrengt die letzte Schraube löse und endlich den defekten Trandensator in den Händen halte.
„Reev? Ist alles in Ordnung? Kann ich dir helfen?", erkundigt sich Beau besorgt, als ich erschöpft und mit brennendem Arm aus dem Antrieb hervor krabble.
„Ich brauche den Verschweißer. Und wenn ich jetzt sage, gibst du vollen Schub, verstanden?"
Beau nickt nur ernst und ich bin froh, dass sie die Brandwunde an meinem Unterarm nicht bemerkt hat. Ohne noch mehr Zeit zu verlieren, schnappe ich mir das mitgebrachte Ersatzteil und verschwinde wieder im Leitungsgewirr. Nach einer Minute habe ich den neuen Trandensator so weit vorbereitet, dass ich ihn an seinen Platz einbauen kann.
„Reev? Wir haben höchstens noch zwei Minuten!"
Beaus sonst so ruhige Stimme hört sich aus meiner Position dumpf an, aber ich erkenne deutlich ihre Angespanntheit. Und das lässt mich doppelt so schnell weiterarbeiten!
Ich schaffe das! Ich muss!
Wieder atme ich tief durch, bevor ich den Trandensator hochhebe und in das bestehende System einfüge.
„Noch eine Minute!"
Ich beiße erneut die Zähne aufeinander und ein unterdrückter Schmerzensschrei entweicht mir, als ich die letzte Schraube festziehe und die heiße Leitung sich tief in meine Haut brennt! Doch damit nicht genug! Etwas Flüssigkeit hat sich aus dem Rohr gelöst und tropft mir siedend heiß auf den Brustkorb. Ich keuche laut auf.
„Reev! Noch maximal dreißig Sekunden!"
Beaus Stimme hat einen panischen Unterton angenommen und ich höre den Alarm im Cockpit laut und schrill losgehen.
Fieberhaft verbinde ich die letzten Leitungen mit dem Antrieb, meine Arme zittern vor Anstrengung und ich kann kaum noch das Werkzeug in der Hand halten.
„JETZT!"
Mir bleibt gerade noch genug Zeit aus der unmittelbaren Nähe des Antriebs zu robben, da gibt Beau vollen Schub und die Gray Hawk schießt wie ein Pfeil vorwärts. Augenblicklich leitet Beau ein riskantes Wendemanöver ein und ich kann mich gerade noch an den Sprossen der Leiter neben mir festhalten, als Beau eine Rolle rückwärts fliegt und dann mit höchster Geschwindigkeit dem Gravitationsfeld des schwarzen Lochs zu entfliehen versucht.
Taumelnd komme ich wieder auf die Beine und schaffe es tatsächlich mich bis nach vorne ins Cockpit zu schleppen, wo Beau hochkonzentriert und mit geschickten Manövern jedem einzelnen Himmelskörper ausweicht, der ebenfalls in der Reichweite des Felds gefangen ist.
„Glaubst du wir schaffen es?", frage ich atemlos und da wirft mir Beau einen beunruhigten Blick zu.
„Nur wenn wir genug Energie übrig haben", sagt sie trocken und weicht erneut einem kleinen Meteoriten aus. Ihre Flugkünste sind wirklich beeindruckend. Und trotz der lebensgefährlichen Situation in der wir uns noch immer befinden und den höllischen Schmerzen in meinem linken Unterarm, kann ich es nicht verhindern, dass ich Beau für einen kurzen Moment schwärmerisch betrachte.
„Du bist eine wahninnig gute Pilotin, weißt du das?", sage ich leise und da lacht Beau zum ersten Mal seit meiner Ankunft belustigt auf.
„Warte nur bis wir hier raus sind und ich deine unfassbaren Fähigkeiten Raumschiffe zu reparieren bis ans Ende deines Lebens loben kann!"
Doch dann wird Beau wieder ernst und wirft einen raschen Blick auf ihren Bordcomputer.
„Wir erreichen in wenigen Minuten den Rand des Gravitationsfelds. Aber unsere Geschwindigkeit ist zu niedrig...so schaffen wir es nicht hinaus."
Die erfahrene Kundschafterin und ich sehen uns tief und lange an. Und dann kommt mir eine riskante Idee...
„Ich könnte die Drosselung des Antriebs abklemmen. Dann hättest du für ein paar Sekunden den doppelten Schub! Danach ist dieses Schiff aber wahrscheinlich Schrott", schlage ich meine Idee vor, wohlwissend dass es keine wirkliche Alternative zu diesem Vorschlag gibt. Beau nickt ohne zu zögern.
„Ich hatte sowieso nicht mehr so viel Vertrauen in diese Kiste", erwidert sie mit einem ironischen Augenrollen und so verschwende ich keine Zeit mehr. In Windeseile laufe ich zurück zu dem noch immer geöffneten Antrieb und stelle zu meiner großen Freude fest, dass auch die Kühlung endlich ihre Arbeit wieder aufgenommen hat und die Hawk Stück für Stück herunter
kühlt.
Mit geübten Handgriffen bereite ich die Umleitung der Energie vor und warte dann nur noch auf Beaus Kommando.
„Bist du bereit?"
„Sag mir nur wann!"
„In drei, zwei, eins...jetzt!"
Ich lasse die Trennung zwischen den Kontakten los und werde augenblicklich einen Meter zurückgeschleudert. Die Gray Hawk schießt mit unglaublicher Beschleunigung ins schwarze All hinaus, bevor der Antrieb mit einem lauten Knall vollständig durchbrennt.
„Hat-...hat es funktioniert?" rufe ich hoffnungsvoll nach vorne ins Cockpit, während ich mich mühsam wieder in eine sitzende Position kämpfe. Doch als mir Beau kurz darauf mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht entgegen gestürmt kommt, sagt mir das mehr als tausend Worte.
„Du bist der Wahnsinn!", höre ich die erfahrene Kundschafterin nur noch flüstern und da hat sie sich auch schon vor mir auf die Knie fallen lassen und zieht mich in eine feste, innige Umarmung. Meinen Körper überläuft daraufhin eine frische Welle Adrenalin und ich schmiege mich überglücklich an die andere Frau heran, halte sie fest in meinen Armen. Ich fühle in diesem Moment so viele Dinge gleichzeitig! Und so dauert es nicht lange, bis mich die Tränen wieder überwältigen.
„Ich konnte dich nicht sterben lassen, Beau. Du bist alles für mich. Alles was ich habe...", flüstere ich mit erstickter Stimme und als sich Beau daraufhin eine Stück von mir löst, sehe ich ihr tief und ehrlich in die Augen. Es sind so vertraute Augen. So blau und so wunderschön.
„Ich kann dich nicht verlieren..."
Und dann gebe ich mich nur noch meinem Instinkt hin...Leidenschaftlich dränge ich meine Lippen gegen Beaus, küsse sie so wie ich es in dem alten Liebesfilm in unserem Archiv gesehen hatte. Und wie mein Herz es mir sagt.
Für einen Moment ist Beau wie erstarrt. Doch dann legt sie eine Hand in meinen Nacken und küsst mich langsam und innig zurück.
Noch nie in meinem Leben habe ich etwas schöneres erlebt...
Noch nie in meinem Leben war ich so glücklich wie in diesem Moment...
Und noch nie in meinem Leben wollte ich Beau so nahe sein wie jetzt.
Es ist ohne Frage mein erster Kuss. Aber Beaus weiche Lippen gegen meine fühlen sich so unfassbar gut und richtig an. Ihr süßer Duft vernebelt mir buchstäblich den Verstand und ich verliere mich in der zärtlichen Berührung ihrer Lippen.
Das Brennen an meinem Arm ist nichts gegen das Brennen, welches Beau durch ihren Kuss in meiner Brust entfacht hat. Und ich will nicht, dass es je wieder aufhört.
„Major! Major können Sie mich hören?"
Wie durch einen dichten Schleier dringt die tiefe Stimme des Captains zu mir hindurch und ich spüre, wie Beau sich behutsam von mir löst.
„Klar und deutlich, Captain", erwidert die erfahrene Pilotin atemlos in Richtung Cockpit, doch sie sieht mich dabei unverwandt an. Deutlicher Schock und noch etwas anderes steht in ihren blauen Augen.
„Gut. Was ist passiert? Ihr Puls ist plötzlich bei 188 Schlägen pro Minute!"Hallo meine lieben Leser!
Wenn ihr gerne noch eine Fortsetzung dieser Kurzgeschichte „Trapped In Space" lesen wollt, lasst es mich doch in den Kommentaren wissen. :)
LG
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Kurzgeschichten
FantasíaHier werdet ihr Kurzgeschichten (Love Stories) von mir zu lesen bekommen. Ich wünsche Euch viel Spaß dabei! 1. Cheetah 2. Pirates Die In Hell 3. Summer 1942 4. Trapped In Space