Kapitel 7:

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Mit Grace und ihren Kindern zu kochen ist eines der schönsten Dinge, die ich seit langem getan habe. Zwar waren die beiden am Anfang noch sehr schüchtern und zurückhaltend mir gegenüber gewesen, doch nachdem ich mit beiden ausgiebig herumgealbert hatte, war vor allem Lily bald Feuer und Flamme für mich.
„Schau mal! Schau mal was ich machen kann!", ruft sie fröhlich und ich muss lachen als ich sehe, wie das kleine Mädchen versucht ein Karottenstück auf ihrer Nase zu balancieren.
„Das machst du super, willst du mal zum Zirkus?", necke ich Lily und pikse ihr anschließend sanft in den Bauch. Das blonde Mädchen lacht glucksend und streckt dann breit lachend die Arme nach mir aus. Ohne zu Zögern hebe ich die 6-Jährige hoch und nehme sie auf den Arm. Grace sieht uns mit einem warmen Lächeln dabei zu, während sie mit Jake zusammen das Fleisch würzt.
„Neiiiin", lacht Lily und hält sich mit ihren kleinen Händen an meinem Hals fest. Ich grinse nur und setze das Mädchen auf dem Küchentisch ab, nur um ihr kurz darauf eine Schüssel mit Teig auf den Schoß zu stellen.
„Möchtest du das umrühren?"
Während Lily fleißig rührt, gehe ich zu Grace und Jake hinüber. Wie zufällig streift meine Hand dabei die Taille der hübschen Frau und ich fange ein kurzes Lächeln von ihr auf, als ich dem schüchterten Vierjährigen einen kleinen Dino aus Gurkenscheiben hinhalte, den Lily und ich zuvor aus dem Gemüse ausgestanzt hatten.
„Magst du Dinos, Jake?", frage ich sanft und als der Junge nickt, lege ich ihm das Geschenk in seine geöffnete Hand.
„Oh, schau mal Jake. Das ist aber lieb", antwortet Grace an Stelle des Kleinen und fährt im liebevoll durch die Haare.
Ich komme jedoch gar nicht mehr dazu, mich weiter mit ihrem Sohn anzufreunden, da ruft bereits Lily wieder nach mir.
„Vivi!!! Ich bin feeeeertig!"
Das Essen schmeckt wirklich sehr lecker, auch wenn ich kaum dazu komme, es zu genießen, denn Lily hat offenbar eine Millionen Fragen auf Lager, die sie mir gerne stellen möchte.
„Wie alt bist du?"
„Was willst du mal sein wenn du groß bist?"
„Warum kennst du Mama?"
Ich versuche all diese Fragen so gut es nur geht zu beantworten, doch irgendwann schreitet Grace schließlich ein und weist ihre Tochter sanft zurecht.
„Vivien hat bald ein richtiges Loch im Bauch, wenn du sie noch weiter so ausfragst, mein Schatz."
Daraufhin ist die aufgeweckte 6-Jährige eine Weile still, was sie jedoch nicht davon abhält mich weiter fröhlich anzugrinsen. Und als es schließlich Zeit fürs Bett ist, weigert sie sich störrisch schlafen zu gehen. Jedenfalls so lange bis ich anbiete, Lily ins Bett zu bringen.
„Versprichst du mir etwas?", frage ich sie schließlich leise, als Lily still in ihrem Bett liegt und mich mit großen Augen ansieht.
„Was denn?"
„Bist du morgen ganz lieb zu deiner Mama? Sie würde sich bestimmt sehr darüber freuen."
Und als Lily eifrig nickt und dann zu ihrem Lieblingsbuch greift, kann ich mir ein glückliches Lächeln nicht verkneifen.
Als das Mädchen schließlich tief und fest eingeschlafen ist, verlasse ich leise ihr Kinderzimmer und warte im Esszimmer auf Grace, die gerade Jake ins Bett bringt. Wie selbstverständlich beginne ich schon einmal die benutzten Teller und Gläser in die Küche zu bringen und dort in die Spülmaschine zu räumen. Und als die Ehefrau meiner Affäre schließlich die Treppe herunter kommt, bin ich auch mit dem Spülen der Pfannen und Töpfe fast fertig.
„Hey! Du hast ja schon alles aufgeräumt", stellt Grace überrascht fest und gesellt sich zu mir in die Küche, „das hättest du doch nicht tun müssen!"
„Doch das hätte ich", erwidere ich nur und trockne mir die Hände an einem Geschirrhandtuch ab.
„Schläft Lily?"
„Ja, sie ist bei der fünften Seite tief und fest eingeschlafen. Was ist mit Jake?"
Grace lächelt leise und hilft mir dann damit, die Pfannen abzutrocknen.
„Er ist noch in meinen Armen eingeschlafen."
„Schön...", ich lächle die junge Dozentin sanft an, „und du? Wie geht es dir, Grace?"
Blaue Augen treffen meine, als Grace mich tief ansieht.
„Gut. Der Abend heute war sehr schön. Ich habe die Kinder nicht mehr so lachen gesehen, seit...ihr Vater ausgezogen ist", antwortet die hübsche Frau ehrlich und ich nicke andächtig.
„Besonders Lily hat dich jetzt schon in ihr Herz geschlossen. Du scheinst eine Art große Schwester für sie zu sein", schmunzelt Grace und nimmt mir sanft das Handtuch ab, als wir mit dem Abtrocknen fertig sind.
„Ich mag die Kleine auch sehr gerne. Und Jake ist genauso süß, auch wenn er noch etwas schüchtern ist", erwidere ich und sehe der jungen Mutter dabei zu, wie sie Töpfe und Pfannen wieder in der Schublade verstaut.
„Das wird schon. Er braucht nur mehr Zeit", sagt Grace aufmunternd und legt dann wie zufällig eine Hand auf ihren Bauch. Ich aber kenne diese Geste nur zu gut.
„Wie...wie fühlst du dich? Mit dem Baby meine ich?", frage ich vorsichtig und trete einen Schritt auf Grace zu. Die aber seufzt nur tief und blickt hinunter zu ihrem flachen Bauch, dem man noch nichts von seiner Schwangerschaft ansieht.
„Den Umständen entsprechend. Ich müsste jetzt ungefähr im 2. Monat sein. Aber ich habe immer noch keine Entscheidung getroffen", informiert sie mich und ich nicke verständnisvoll.
„Lass dir Zeit damit. Und egal wie du dich entscheiden wirst, du hast jedes Recht dazu. Es ist dein Körper. Es ist deine Familie und deine Zukunft. Nur du bestimmst darüber", bestärke ich die schöne Frau zusätzlich und wir lächeln uns sanft an.
„Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?"
„Nein, aber es ist sehr lieb, dass du fragst. Ich werde heute auch nicht mehr allzu viel machen und früh zu Bett gehen. Aber du kannst mir gerne deine Nummer dalassen, dass ich dich jederzeit erreichen kann."
Ich nicke zustimmend und ziehe mein Handy aus der Hosentasche, als mir plötzlich eine neue Nachricht angezeigt wird. Sie ist von einem Jungen aus meinem Kurs. Ich kenne ihn nur vom sehen, aber offenbar scheint ihm aufgefallen zu sein, dass ich mich gut mit Grace verstehe, denn er schreibt:

Hey Vivien, hier ist Ben. Ich habe heute gehört dass Mrs. Mavrik wieder Single sein soll. Und jemand meinte du kennst sie näher. Wär cool wenn du mir ihre Nummer oder so besorgen könntest, find die nämlich echt richtig heiß. Thx und bis bald!

Kopfschüttelnd überfliege ich die unmögliche SMS und als ich Grace fragenden Blick bemerke, zeige ich sie ihr.
„Du siehst, nicht nur Jordan bekommt junge Mädchen ab. Auch du könntest locker einen 22-Jährigen Studenten haben, wenn du willst", scherze ich matt, auch wenn sich in mir bei dem Gedanken Grace in fremden Händen zu sehen alles sträubt.
„Wohl kaum. Ich werde garantiert nichts mit einem Studenten aus meiner Uni anfangen! Auf den Klatsch kann ich verzichten. Es reicht schon, dass meine Trennung bis zu euch durchgesickert ist!", erwidert die schöne Frau augenrollend und nimmt mir kurzerhand mein Handy aus der Hand, um ihre Nummer selbst einzuspeichern.
„Versprich mir, sie niemandem zu geben, okay?"
Ich blicke Grace daraufhin gespielt entrüstet an.
„Natürlich nicht! Und Ben werde ich irgendetwas erzählen, sodass er gar nicht erst auf die Idee kommt, dich zu belästigen. Das Letzte was du jetzt vermutlich brauchen kannst, ist ein schwanzgesteuerter Kerl."
Nun muss die Ehefrau meines beinahe One-night-stands doch Lachen. Und wieder fliegen die Schmetterlinge in meinem Bauch, als Grace mir mein Handy zurückgibt und sich unsere Hände dabei zart berühren.
„Du vermutest ganz richtig. Aber ich kann auch dich nicht in Schwierigkeiten gebrauchen."
Sie zieht mahnend eine anmutig geschwungene Augenbraue nach oben.
„Keine Sorge, ich pass schon auf mich auf", erwidere ich selbstsicher und ernte dafür ein wohlwollendes Schmunzeln der jungen Dozentin.
„Dann nehme ich die Hilfe gerne an."
In dieser Nacht kann ich lange nicht einschlafen. Meine Gedanken drehen sich ausschließlich nur um Grace. Und meinen starken Gefühlen zu ihr. Meinem Verlangen sie und ihre Kinder zu beschützen. Das ungeborne Baby. Und ihr so viel Last und Kummer wie möglich abzunehmen.
Wie kann ich ihr nur jemals beichten, was ich tief in mir für sie empfinde?

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