Kapitel 5:

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Als ich Grace wenige Tage später wieder in der Uni sehe, habe ich ihr Neuigkeiten zu berichten. Und wie immer suche ich sie dafür direkt nach ihrer Vorlesung auf.
„Vivien? Was gibt es?", fragt mich die junge Dozentin mit einem Lächeln, was jedoch wieder verschwindet, als sie mein ernstes Gesicht bemerkt.
„Jordan hat mir geschrieben. Ich weiß nicht wie zur Hölle er an meine Nummer gekommen ist, aber ich wollte, dass du die Erste bist, die davon erfährt", sage ich leise und halte Grace den geöffneten Chat auf meinem Handy hin.
Mit gerunzelten Augenbrauen liest die sich Jordans Nachricht an mich durch.

Hey Vivien, ich hoffe du kennst mich noch. Wenn du Lust hast können wir uns morgen gerne wieder in der Bar treffen und an letztes Mal anknüpfen ;).
Gruß, Jordan.

„Wann hast du diese Nachricht bekommen?", fragt mich Grace mit dünner Stimme und gibt mir mein Handy zurück.
„Gestern Nacht. Ich habe sie aber erst heute Morgen gesehen", antworte ich wahrheitsgemäß und blicke der schönen Frau tief in die blauen Augen. Ich sehe Verletztheit darin und auch Verrat.
„Tja, ihr seid jetzt beide Single, ihr könnt tun und lassen was ihr wollt", sagt Grace mit bemüht fester Stimme, doch ich höre genau ihren Schmerz darin. Und er tut mir weh.
„Grace!"
Wir sehen uns ernst an. Und die Gefühle für die hübsche Frau in meinem Bauch, sind mal wieder allgegenwärtig.
„Ich werde mich nie wieder mit Jordan treffen. Ich wollte nur, dass du weißt, dass er mir geschrieben hat. Ich vertraue dir. Und ich finde du hast ein Recht darauf, es zu wissen", sage ich eindringlich und lege behutsam eine Hand auf Grace Unterarm. Ihre blauen Augen mustern mich mit einer Mischung aus Verwunderung und neu gewonnenem Respekt.
„Das...das ist ein sehr feiner Zug von dir, Vivien. Ich hoffe nur, dass du auch zu deinem Wort stehst", erwidert die hübsche Dozentin ruhig und legt nun ebenfalls ihre eigene Hand auf meine. Wir sehen uns tief an.
„Versprochen. Ich werde dir nicht noch mehr Schmerz zufügen, als ich es schon getan habe. Ich kann Jordans Nummer auch sofort löschen, damit du weißt, dass ich es ernst meine", biete ich an und als Grace nichts erwidert, lösche ich kurzerhand vor ihren Augen die SMS von ihrem Mann und somit auch seine Nummer.
„So. Alles weg. Ich will nichts mehr mit Jordan zu tun haben", sage ich leise und streichle sanft über Grace' Arm, als ich sehe, dass sich Tränen in ihren blauen Augen bilden. Doch die schöne Frau wischt sie entschlossen weg.
„Danke. Du beweist eine große Ehrlichkeit. Und ich weiß das zu schätzen", sagt sie dann mit zitternder Stimme und entzieht mir den Kontakt zu ihrem Arm. Die ersten Studenten betreten bereits den Raum. Ein flüchtiges Lächeln noch, dann verlässt sie eilig den Hörsaal zu ihrer nächsten Vorlesung.

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