01| Regenschirmdiebin

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Mit einem Krachen kam mein zerknicktes Lieblingsbuch auf dem säuberlich polierten Mamorboden auf. Seite 146 noch aufgeschlagen. Ella und Jamie hatten gerade ihren bedeutendsten Kuss. Beide standen im Regen und schrien sich an. Jamie hätte die Nase voll davon, dass Ella ständig die überwältigende Anziehung leugnen würde. Da verlor Ella die Kontrolle, ging auf Jamie zu und sie küssten sich energisch. Es war zum dahinschmelzen.

Wenn die beiden doch nur wüssten, dass ihre Zeit begrenzt war. Dass am Ende des Buches etwas Schreckliches geschehen würde. Dann würden sie die gemeinsame Zeit, die ihnen blieb, nicht ständig buchstäblich aus dem Fenster werfen.

Ich hatte über zwanzig bunte Post-Its über die Seite gekleistert und nahezu jeden Satz genauestens analysiert. Dabei kannte ich jede Redewendung, jede Beschreibung und jeden Rausch der Gefühle zwischen den Protagonisten auswendig. Was diese Worte ergaben war in meinen Augen ein Meisterwerk.

Es war bereits das fünfzehnte Mal, dass ich dieses Buch erneut lesen musste. Und mit jedem Mal wurde es besser. Wenn das überhaupt möglich war.

Nein, es musste definitiv möglich sein. Anders konnte ich mir nicht erklären, wieso ich sofort lächeln musste, sobald ich die Worte des ersten Kapitels las. Ein zarter Hauch von Wehmut lag in Ellas Stimme, als sie mit Tränen in den Augen erklärte, dass ihre Mutter der wundervollste Mensch der Welt gewesen sei.

Nun aber, ergoss sich noch warmer Kakao über die vergilbten Seiten. Ich korrigiere, vergilbte und klitschnasse Seiten. Direkt nach meinem Buch hatte ich die gepunktete Tasse mit dem linken Ellenbogen vom Tisch gepfeffert. Dabei wollte ich mich nur anders hinsetzten.

Großartig.

Hastig zog ich mir die Kopfhörer aus den Ohren. Lana Del Reys Stimme verstummte nun endgültig und das laute Stimmengewirr des Cafés wurde präsent. Kreischende Kinder, sich etwas zu rufende Kellner und aufgebretzelte Renter, die lautstark über ihren qualitativ schlechten Kaffee motzten. Angeblich schmeckte er nach vergammeltem Abwasser.

Wenn man sonst keine Probleme hatte...

Mit spitzen Fingern griff ich zwischen die Scherben und hob mein nun halb auseinanderfallendes Buch an. Mein Gott. Hätte ich verdammt nochmal nicht vorsichtiger sein können? Das war meine Schuld.

Pech gehabt, Tilda. Heul jetzt nicht rum, schnauzte meine innere Stimme sichtlich genervt.

Doch ich konnte es gar nicht verhindern. Wenn mein Kopf etwas hinbekam, dann in Millisekunden Gefühle und darauffolgende Reaktionen hervorzurufen.

Schon damals war ich eine kleine Heulsuse gewesen, die bei allem einfach anfing zu weinen. Aus Frust, aus Wut, aus Trauer. Komplett egal. Mir half es zu weinen, um mit den meisten meiner Emotionen klarzukommen. Die meisten nervte das, doch ich konnte nichts dagegen tun.

When I saw her smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt