00| Ihr Lächeln

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                 z w e i    j a h r e   s p ä t e r

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»Bis später, wir sehen uns am Strand. Denk an die Pizza.«, sagte ich zu Ylvie, legte danach auf und steckte mir mein Handy grinsend zurück in meine Hosentasche.

Es war heute ein verdammt anstrengender Arbeitstag gewesen. Theo und ich hatten gemeinsam die ersten Entwürfe für ein großes Projekt mit neuen Klienten besprochen. Es war ein vielversprechender Auftrag gewesen, der allerdings auch sehr zeitintensiv war.

Ich hatte kurz danach mit meinem Dad telefoniert, der meinte, es könnte uns zum Durchbruch verhelfen. Er lebte seit genau drei Monaten mit Fine auch hier in Kopenhagen. Gleich nachdem er sich von Mom geschieden hatte, waren beide hergezogen und glücklicher als zuvor.

Mir ging es nicht anders. Theo und ich hatten den Schritt gewagt, und gleich nachdem wir unser Staatsexamen überraschend gut geschafft hatten, unsere eigene Firma gegründet. Es war unfassbar viel Arbeit, die wir täglich hinein steckten, doch ich merkte jeden Tag, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Das ich mein Ding gefunden hatte.

Apropos Theo- Gott, der Junge war vielleicht jeden Tag am strahlen. Er war letztes Jahr mit Ylvie zusammengekommen. Endlich hatten auch die beiden mal erkannt, dass sie wohl oder übel füreinander geschaffen waren.
Sie waren zusammen in eine hübsche Wohnung gezogen und vor knapp einer Woche sogar stolze Hundeltern geworden. Ihr kleiner Husky Fenrir machte ihnen alle Arbeit, aber ich hatte gesehen, dass Theo bereits ein Bild von ihm und einer lachenden Ylvie im Hintergrund als Sperrbildschirm hatte. Er liebte den Hund, auch wenn er sich ständig bei mir über ihn beschwerte.

Liv hatte- Überraschung- ihren professionellen Modeblog eröffnet und baute ihn gerade auf. Sie sammelte täglich neue Follower und verkaufte nebenbei in ihrem Online- Shop selbstgenähte Kleidung.
Henry machte seine Therapeutenausbildung und hatte sich ebenfalls verliebt. Die Brünette hieß Ida und war echt nett. Sie kam damals aus Schweden für ein Semester Psychologie hier, aber entschied sich dann doch zu bleiben.

Alles lief gut. Wie ich es mir immer gewünscht hatte.

Ich lächelte zufrieden und betrat das kleine Café. Sofort schlug mir der angenehm süße Duft der weltbesten Zimtschnecken entgegen.

Kurz sprang mir Matilda in den Kopf. Wie sie dieses Gebäck immer vergöttert hatte. Wie wir es am Strand gegessen hatten.

Sie war ganz hoch in den Norden gezogen, wo sie mehrmals in der Woche eine Therapie besuchte und in einer WG lebte. Wir schrieben manchmal, aber oft ging das im Stress unserer beiden Leben unter.

Auf ihren Insta- Posts wirkte sie jedenfalls glücklich und zufrieden. Ihr Lächeln wirkte echt, und ihre neuen Freunde sahen nett aus. Ich freute mich für sie.

Es war damals schwer für mich gewesen, sie endgültig loszulassen, nachdem sie weg war. Mein Herz hatte ein großes Loch, und es brauchte einige Wochen, zugegeben Alkohol, und viel Unterstützung meiner Freunde, damit es mir wieder gut ging.

Und auch, obwohl es so wehgetan hatte, wusste ich, dass sie das richtige tat. Das, was für sie am besten war. Ich kam damit klar. Es war in Ordnung.

»Das selbe wie immer, schätze ich?«, fragte mich Sofie, die Barista mit den grün gefärbten Haaren und grinste frech. Ich nickte und setzte mich auf einen der Barhocker. Wahrscheinlich würde ich gleich noch ein bisschen arbeiten müssen, eine Präsentation für morgen vorbereiten.

Es verging eine halbe Stunde, ich hatte meinen Kaffe ausgetrunken und die Zimtschnecke aufgegessen, da lehnte sich Sofie unauffällig zu mir. »Oscar, ich will echt nicht komisch wirken, aber da ist so eine Frau, die dich die ganze Zeit ziemlich seltsam anstarrt.«, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand.

»Sie starrt mich an?«

»Ja, sogar sehr offensichtlich.«

»Hm, vielleicht jemand aus dem Büro?«

»Keine Ahnung. Vielleicht aber auch einfach eine Fremde, die ein Date wird.« Sie wackelte anzüglich mit den Augenbrauen. »Geh zu ihr, mein Gott, die ist echt wahnsinnig hübsch. Sie sitzt vorne, am Fenster.« Sofie grinste und ich seufzte.

Ich packte meine Sachen zusammen, bezahlte, gab Sofie Trinkgeld, woraufhin sie mir eine Kusshand zuwarf und stand auf. Na gut. Dann würde ich eben zu der starrenden Frau gehen.

Seit der Sache mit Matilda hatte ich zwei Dates gehabt. Beide waren gut gewesen, aber... die Frauen waren eben nicht Matilda. Zumindest sagte mir das mein verräterisches Herz.

Vorsichtig drängte ich mich an einem Tisch vorbei und ging direkt zu den heiß begehrten Fensterplätzen. Eine blonde Frau saß dort, die Haare schulterlang und in Wellen gelockt. Sie hatte mir den Rücken zugewandt. Ein Buch lag neben ihr.

Ich blieb vor ihr stehen. »Entschuldigung?«

Sie richtete sich ein Stückchen auf, hielt kurz Inne. Dann, ganz langsam, warf sie einen Blick über die Schulter.

Das erste was ich sah waren die braunen Augen. Mit goldenen Sprenkeln. Heller Lidschatten war auf den Liedern. Dann der Mund, die geschwungenen Lippen. Dazu die gerade Nase.

»Oscar?« Sie war es. Sie war es wirklich.

»Matilda.«

Und da war es. Dieses wunderschöne Lächeln, bei dem ihr Grübchen hervorkam. Das Lächeln, das ich so sehr vermisst hatte.

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When I saw her smileWo Geschichten leben. Entdecke jetzt