Kapitel Eins

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Die Nacht war dunkel und ruhig. Nur das gelegentliche Rufen eines Uhus und der leise Wind, der durch das dichte Blätterdach der Bäume wehte, war zu hören. Am Himmel war der Mond nur noch zu erahnen, weshalb die Sterne umso deutlicher zu sehen waren. 

Und obwohl die Nacht so friedlich war, hasste ich sie gerade zutiefst. Es lag nicht an der Tages- beziehungsweise Nachtzeit selbst, sondern es hatte etwas mit der Mondphase zu tun.

Morgen ist Neumond. Und dieser war der Grund, weshalb Blake – mein Freund, wenn auch erst seit wenigen Tagen – nicht wie die letzten vier Nächte zu mir kommen konnte. Als Werwolf nahm der Mondzyklus nämlich einen ziemlich großen Einfluss auf sein Leben und auf seinen Körper. 

Während er zu Vollmond nur so vor Energie strotzte, seine Sinne deutlich geschärfter waren und auch seine Reflexe übermenschlich gut waren, war das zu Neumond ganz anders. Zu Neumond waren Werwölfe fast genauso normal wie die Menschen. Keine besseren Sinne, keine besseren Reflexe und sie fühlten sich schwach und krank.

Seufzend schloss ich das Fenster meines Zimmers, zog die Vorhänge zu und kuschelte mich in mein Bett. Das erste Mal seit vier Nächten, schlief ich alleine ein, ohne die warmen Berührungen von Blake, der sich – trotz der Schulordnung – jede Nacht über das Dach in mein Zimmer schlich um bei mir zu sein. 

Es klang vielleicht dämlich, aber er fehlte mir. Obwohl wir uns vor wenigen Stunden noch an der Treppe gesehen und uns gute Nacht gesagt hatten. Nur fehlte es mir wirklich, neben ihm einzuschlafen. Dabei waren wir erst seit fünf Tagen offiziell ein Paar. Oder zumindest so etwas in der Art.

So ganz im Detail hatten wir nicht besprochen, was das jetzt war. Wir verbrachten viel Zeit zusammen, meistens mit meinen Freunden und er war dabei. Aber dann hielt er immer meine Hand, legte den Arm um mich und sah mich mit diesem ganz speziellen Lächeln an, welches ich bis jetzt immer nur gesehen hatte, wenn er es mir schenkte. 

Das ganz spezielle Blake-Lächeln. Wir küssten uns auch oft – meistens wirklich nur, wenn wir alleine waren – und wenn ich Abby und Dana Glauben schenken sollte, dann waren wir definitiv so etwas wie ein Paar. Nur hatten Blake und ich bis jetzt noch nicht wirklich darüber gesprochen, ob das jetzt was Offizielles war oder eben nicht.

„Willst du uns verarschen? Natürlich seid ihr Zwei ein Paar. So verliebt wie ihr euch ständig anschaut. Manchmal will ich mich selbst in Schokolade ertränken so zum Kotzen süß seid ihr", hatte Dana gestern im Waschraum gesagt, als wir darüber geredet hatten. (Vampire konnten keine Schokolade essen, da sie durch den veränderten Geschmackssinn schmeckt wie Froschkacke – Danas Worte, nicht meine!) 

„Manchmal braucht es gar keine offizielle Beschreibung. Ihr seid ständig am Flirten, er ist immer in deiner Nähe, hält deine Hand... Außerdem sehe ich ihn ständig in dein Zimmer klettern. Nur Freunde seid ihr nicht!", hatte Abby ihr beigepflichtet.

Ich drehte mich in meinem Bett auf die Seite und kuschelte mich in mein Kissen. Ich gähnte, schloss die Augen und schaffte es endlich einzuschlafen.

***

„Guten Morgen!", flötete Abby und ließ sich neben mich auf den freien Stuhl fallen. Nic gähnte zur Begrüßung und ich lächelte müde. „Also, es ist Freitag Leute", grinste sie und biss genüsslich von ihrem Toast ab. „Heißt für uns, dass wir uns gleich in Geschichte langweilen dürfen", murmelte Dana und setzte sich neben Nic. 

„Wie kannst du nur immer so gut gelaunt sein? Selbst Nic ist heute kein Sonnenschein", fügte sie hinzu. Abby lächelte. „Ich freue mich einfach, dass heute Freitag ist und wir die erste Schulwoche nach den Ferien geschafft haben. Und das heißt noch drei Wochen und dann ist das wohl beste und schönste Ereignis des Jahres!", sagte sie.

Silverleaf Academy - Wenn alles anders ist... (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt