Kapitel Neununddreißig

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Wie als hätte man beim Radio den Ton ganz plötzlich ausgeschalten, verstummten alle, als ich den Speisesaal betrat. Alle waren in diesem Fall: Damien, Abby, Nic und Blake, sowie Cassiopeia, James, Cedric, Alrick und eine Frau mit langen, braunen Haaren die ich sofort erkannte. Ich hatte sie schon einmal gesehen. Auf einem alten Foto in Margrets Atelier. Jolanda. Meine leibliche Mutter.

Cassiopeia war die erste, die das Gespräch wieder aufnahm und sich James zuwandte. Augenblicklich erwachten alle anderen ebenfalls aus ihrer Starre und Summer führte mich langsam an den Tisch, an dem meine Freunde saßen.

„Wir haben dir schon einmal etwas zu Essen geholt. Dein Lieblingsfrühstück", sagte Abby und lächelte. „Und wir mussten Nic daran hindern, es aufzuessen", fügte Damien scherzhaft hinzu, woraufhin er ein Apfelstück gegen den Kopf bekam. Langsam setzte ich mich neben Blake und lächelte ihn dankbar an, als er mir mein Glas mit Wasser füllte.

Auf meinem Teller stapelten sich drei Pancakes, sowie zwei Scheiben Toast, Rührei und ein Croissant. Es duftete köstlich und mein Magen knurrte auffordernd.

„Danke, ihr seid echt super!", sagte ich und lächelte in die Runde. „Dafür sind Freunde da", antwortete Abby und gab Nic einen leichten Schlag auf die Finger, als er versuchte von ihrem Teller ein paar Weintrauben zu stehlen.

Und dann fiel mir auf, dass jemand am Tisch fehlte. „Wo ist Dana?", fragte ich und sah in die Runde. James meinte gestern doch, dass sie ebenfalls noch hier war. Wieso saß sie dann nicht mit am Tisch?

„Sie ist in ihrem Zimmer und weigert sich rauszukommen", antwortete Abby leise. Ich sah sie stirnrunzelnd an. „Wieso?" „Na ja... Sie gibt sich irgendwie die Schuld an allem und sie ist sauer auf sich selbst, weil sie nicht gemerkt hat, dass..." Damien zögerte. 

„Dass ihre Familie da mit drin steckt", fügte Abby leise hinzu. „Ich habe schon versucht mit ihr zu reden und habe ihr gesagt, dass wir ihr glauben, dass sie nichts davon wusste und ihr niemand die Schuld gibt. Aber sie weigert sich trotzdem rauszukommen. Summer bringt ihr immer Essen aufs Zimmer und versucht sie dazu zu bringen, dass sie mit runter kommt..."

Ich schluckte und fühlte mich plötzlich ziemlich schlecht. Der Hunger war mir vergangen. Dana saß jetzt gerade allein in ihrem Zimmer, während wir hier zusammen saßen. Und wie egoistisch bin ich denn bitte, dass meine einzige Sorge gerade noch gewesen ist, ob ich bereit dafür war meiner leiblichen Mutter entgegenzutreten? Während Dana erfahren hat, dass ihr Onkel und ihr Cousin ziemlich scheiße waren und dazu beigetragen haben, dass ich beinahe gestorben wäre.

Ich wollte schon aufstehen, weil ich das dringende Bedürfnis hatte sofort zu ihr zu gehen. Aber Blake griff nach meiner Hand.

„Du musst etwas essen. Du kannst später zu ihr gehen und mit ihr sprechen. Aber jetzt solltest du dich darauf konzentrieren, etwas in den Magen zu bekommen, damit du wieder zu Kräften kommen kannst", sagte er eindringlich und sah mich an.

„Ich kann später essen. Sie ist allein in ihrem Zimmer und fühlt sich schrecklich. Sie sollte nicht allein sein", entgegnete ich und sah in die Runde. „Ihr stimmt mir doch zu, oder?" Meine Freunde zögerten.

„Klar, wir würden sie auch lieber hier haben", sagte Damien vorsichtig. „Aber du kennst Dana. Im Moment will sie niemanden sehen. Wir haben es versucht", fügte Nic hinzu. Ich verschränkte die Arme. 

„Lynn wir verstehen dich wirklich. Aber Blake hat Recht. Du musst etwas essen, damit du wieder zu Kräften kommen kannst. Und außerdem müsstest du die ganzen Treppen nach oben steigen und Cassiopeia meinte, dass du es langsam angehen musst", sagte Abby mitfühlend.

Ich verdrehte die Augen und wandte den Blick ab. „Wenn du fertig bist, können wir ja gemeinsam zu ihr gehen, okay?" Blake sah mich versöhnlich an und widerwillig nickte ich. Sie hatten ja Recht. Die Treppen jetzt wieder nach oben zu steigen, würde ich nie im Leben schaffen. Schon der Weg hier runter war mir schwer gefallen. Und Skye hatte mich ausdrücklich gewarnt. Es würde Dana auch nichts bringen, wenn bei dem Versuch mit ihr zu sprechen, der Schnitt an meinem Hals wieder aufging. Wahrscheinlich würde sie sich dann nur noch mehr Vorwürfe machen.

Silverleaf Academy - Wenn alles anders ist... (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt