Kapitel Zwölf

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Erst in der vierten Stunde, als ich Wills Klassenraum betrat, fiel mir wieder ein, dass ich heute dringend mit ihm sprechen musste. Das ist unter Beobachtung stand, hatte Abby heute Morgen scherzhaft angedeutet. Lag vielleicht daran, dass Summer zufällig im Mädchenflur aufgetaucht war und uns beide dann zufällig zum Speisesaal begleitete. Abby hatte, als wir an unserem üblichen Tisch saßen, scherzhaft gefragt, ob ein Kopfgeld auf mich ausgesetzt worden war und Summer deshalb Personenschutz veranlasst hatte.

Das sie gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt lag, sagte ich natürlich nicht. Mein Plan war also klar. Den Unterricht bei Will hinter mich bringen und anschließend mit ihm sprechen. Nur wollte das Universum anscheinend nicht, dass ich mit ihm sprach. Ausgerechnet in Erdkunde besuchte uns Mr. West und nachdem der Unterricht beendet war, ging er zu Will und begann ein Gespräch mit ihm. Mist!

Komm schon Lynn! Du musst heute mit ihm sprechen! „Kommst du Lynn?", fragte Abby mich stirnrunzelnd, als ich in der Nähe des Lehrertisches stehen blieb. „Geh schon vor, ich muss noch kurz mit Will sprechen", sagte ich und sie nickte. 

Als sie den Raum verließ, sah ich abwartend in Wills Richtung, der noch immer mit Blakes Vater beschäftigt war. Ungeduldig trat ich einen Schritt näher an die Beiden heran.

„Lynn, kann ich dir irgendwie helfen?" Will sah mich an und auch Blakes Vater musterte mich abwartend. Ich räusperte mich. „Ich müsste kurz mit dir sprechen, wenn das möglich wäre", sagte ich zögernd. 

„Wir sind hier gerade ziemlich beschäftigt. Sicher kann dein Anliegen warten", sagte Mr. West und sein Tonfall machte eigentlich ziemlich deutlich, dass das Gespräch mit mir somit beendet war. Er war mir absolut unsympathisch und triggerte die Seite in mir, die sich ungern von Autoritätspersonen (vor allem männlichen!) etwas sagen ließ.

„Es ist wirklich wichtig und kann nicht warten", sagte ich und der genervte Blick von Blakes Vater war reine Genugtuung. Will sah mich stirnrunzelnd an. „Das Referat am Montag. Du wolltest mit mir noch das Thema durchgehen und alles besprechen", sagte ich und Will verstand. 

„Ah ja, das Referat. Verzeihung Alrick, aber das ist wirklich wichtig. Könnten wir unser Gespräch eventuell später weiterführen? Ich hätte in der nächsten Stunde eine Freistunde, wenn es bei dir passt?" Blakes Vater sah von mir zu Will. Dann nickte er.

„Nächste Stunde bin ich bei Florence im Unterricht. Aber während des Lunch sollte sich eine Minute Zeit finden. Ich freue mich aber auf das Referat am Montag. Die Stunde vor dem Mittagessen in dieser Klasse richtig?" Will lächelte und nickte. „Genau, dann bis später", sagte er und wir warteten, bis Alrick den Raum verlassen hatte. Ich seufzte. 

„Jetzt muss ich wirklich ein Referat am Montag halten oder?" „Selbst schuld. Was ist denn so wichtig?" „Hat James schon mit dir gesprochen?", fragte ich zögernd. „Sein kleines Verhör? Natürlich, gestern Abend noch", sagte Will und verdrehte die Augen. „Darüber willst du jetzt sprechen? Dass irgendjemand verraten hat, dass hier Chamäleons sind?" Ich biss mir auf die Unterlippe.

„Nicht direkt. Du musst mir aber vorher versprechen, dass du nicht irgendwie sauer wirst. Okay?" Er sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. „Du hast es irgendjemanden gesagt?", fragte er und ich schüttelte den Kopf. „Nein, natürlich nicht. Versprichst du es mir? Du wirst nicht sauer?" Will seufzte. „Ich verspreche es", sagte er und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Tisch. „Also?" Ich seufzte.

„Zu Neumond war ich ja am Weiher", fing ich an und Will nickte leicht. „Es hat alles super geklappt, aber das weißt du ja bereits. Jedenfalls... Auf dem Rückweg zur Schule habe ich eventuell zwei Vampire dabei beobachtet, wie sie über das Gelände geschlichen sind und die Schule beobachtet haben..." 

Silverleaf Academy - Wenn alles anders ist... (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt