Kapitel Einundvierzig

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„Weißt du wo Cedric ist?" Nic saß auf dem Sofa im Aufenthaltsraum und sah mich überrascht an. Ungeduldig trat ich von einem Fuß auf den anderen und wäre am liebsten schon wieder losgelaufen, um selbst nach ihm zu suchen. Ich musste dringend mit ihm sprechen.

„Lynn, wie war dein Gespräch mit Jolanda?", fragte Abby und lächelte mich fröhlich an. Sie saß mit Dana zusammen auf einem der anderen Sofas und Dana hob sofort den Blick und warf mir einen neugierigen Blick zu. Aber ich ignorierte die Frage und seufzte.

„Nic? Weiß du wo er ist? Ich muss mit ihm sprechen", sagte ich und bemerkte das Zögern, ehe er endlich antwortete.

„Er wollte zur Kapelle und..." Ich wandte mich bereits ab, ohne ihn ausreden zu lassen. Ich durchquerte den Gang und war fast an der Eingangstür angelangt, als sich eine Hand um mein Handgelenk schloss und mich daran hinderte weiter zu gehen.

„Du sollst dich nicht überanstrengen. Und ein Fußmarsch bis zur Kapelle würde dich überanstrengen!" Ich sah Nic wütend an und er erwiderte meinen Blick standhaft.

„Ich muss mit ihm reden", sagte ich und hätte ihm am liebsten mein Handgelenk entzogen, um loszulaufen. Aber als hätte Nic mein Vorhaben gemerkt, verstärkte sich sein Griff ein klein wenig. Stark genug, um mich aufzuhalten, aber noch immer sanft genug, um mich nicht zu verletzen.

„Er wird sicher gleich zurück kommen. Warte einfach auf ihn, okay?" Er sprach langsam und eindringlich und in seinem Blick konnte ich vor allem ablesen, dass er sich Sorgen machte. Und er hatte eigentlich recht.

Skye hatte mir ausdrücklich gesagt, dass ich mich nicht überanstrengen sollte, weil der Schnitt an meinem Hals noch nicht ganz verheilt war und jederzeit wieder aufgehen konnte. Und der Weg bis zur Kapelle war wirklich nicht gerade kurz und ich erinnerte mich daran, wie fertig mich schon kurze Wegstrecken machten. Und auch jetzt spürte ich die altbekannte Müdigkeit und wie meine Beine schmerzten.

„Ich muss aber dringend mit ihm sprechen", seufzte ich und sah Nic an. „Begleite mich gerne und geh' sicher, dass ich mich nicht überanstrenge", fügte ich hinzu.

Nic rang mit sich selbst und seufzte dann. „Früher oder später hättest du eh zur Kapelle gewollt nehme ich an", murmelte er und ich runzelte verwirrt die Stirn.

„Wieso sollte ich zur Kapelle wollen?" Nics Augen weiteten sich überrascht. „Hat es dir niemand erzählt?", fragte er und noch immer sah ich ihn völlig verwirrt an. „Was erzählt?"

„Die Beerdigung von Susan wurde verschoben. Skye hat wohl ein paar Beziehungen spielen lassen, nachdem sie dich in die Klinik gebracht hat und sie konnte organisieren, dass die Beerdigung hier stattfindet", erklärte er, während wir bereits auf die Eingangstür zugingen.

Ich schluckte und spürte wie Tränen in mir aufstiegen. Susan war hier beerdigt worden? Ich konnte jederzeit zu ihr gehen. Jederzeit ihr Grab besuchen.

„Du hast Recht... Jetzt will ich erst recht zur Kapelle", sagte ich fest entschlossen und sah Nic an. „Begleitest du mich?" „Wohin begleiten?"

Blake kam die Treppe runter, dicht gefolgt von James, von dem die Frage gekommen war.

„Zur Kapelle", gab ich schlicht zurück. James schüttelte sofort den Kopf und auch Blake sah weniger begeistert aus.

„Du weißt was Skye gesagt hat. Keine Überanstrengungen!" Ich sah James an und seufzte. „Mir geht es aber schon besser", sagte ich und James hob eine Augenbraue. Er sah Nic an. „Sie lügt oder?" Ich seufzte.

„Okay", murmelte ich etwa enttäuscht. Aber ich verstand auch, wieso ich lieber auf Skye hören sollte. Und James, Nic, Blake und all die anderen, wollte mir nur helfen. Vielleicht sollte ich langsam anfangen auf Anweisungen zu hören. Bis jetzt hatte es mir nie geholfen, wenn ich es ignoriert hatte.

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