Kapitel Sechsunddreißig

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Lynn

Komm schon Lynn. Konzentrier dich! Du musst dich einfach nur konzentrieren und dann kannst du dich verwandeln. Es stimmt nicht, dass du ohne deine Augen hilflos bist. Konzentrier dich!

Vor meinem inneren Auge manifestierte sich das Bild einer Fledermaus, die aufgeregt hin und her flatterte. Ich hatte Ewigkeiten darüber nachgedacht, was für eine Gestalt mir am ehesten helfen würde, wenn ich es schaffen sollte mich zu verwandeln. 

Erst hatte ich überlegt mich in irgendwas zu verwandeln, was sich zur Wehr setzen konnte. Ein Löwe oder so etwas in der Art. Nur wusste ich nicht, ob ich wieder sehen könnte, wenn ich mich verwandeln sollte. Deshalb hatte ich weiter darüber nachgedacht. 

Mein zweiter Gedanke war dann gewesen, dass ich mich in etwas Kleines verwandeln sollte. Eine Spinne oder Fliege. Nur auch da wäre das Problem der Blindheit und ich hatte absolut keine Ahnung was passieren würde, wenn mich zum Beispiel jemand zertreten würde. Und dann war mir das einzige Tier eingefallen, welches sich blind zurecht finden konnte.

Fledermäuse orientierten sich immerhin mit Hilfe von Ultraschall und nahmen so ihre Umgebung wahr. Als Fledermaus könnte ich theoretisch hier abhauen. Zumindest würde ich nach draußen kommen. Ab da musste ich weiter sehen, denn ich hatte absolut keine Ahnung, wo genau ich mich befand. Nur gestaltete sich mein Plan als besonders schwierig. Egal wie sehr ich mich konzentrierte, ich konnte mich nicht verwandeln. „Komm schon", zischte ich leise und kniff die Augen zusammen. „Komm schon Lynn... Konzentrier dich!"

Schritte rissen mich aus meiner Konzentration und dann ging die Tür auf. Ich hob den Kopf und sah herausfordernd in die Richtung, von der ich glaube die Schritte gehört zu haben. „Schau nicht so böse Lynn. Das macht Falten", sagte Thomas gut gelaunt. 

„Es ist so schade, dass du morgen nicht mit zur Beerdigung kommen kannst. Aber vielleicht gibt es wirklich etwas wie ein Leben nach dem Tod. Sicher wirst du Susan dann wieder sehen", redete er darauf los. 

Wenn morgen die Beerdigung ist, dann ist heute Freitag... „Sehr gut erkannt", sagte Thomas. Sofort verbarg ich meine Gedanken. „Und niemand vermisst dich. Tatsächlich wirken Summer und James ziemlich erleichtert darüber, dass du nicht mehr da bist. Verständlich, wenn du mich fragst. Überlege einmal, wie viele Probleme du ihnen bringen könntest, wenn herauskommt, dass sie eine Grenzgängerin geschützt haben..."

Ich wollte seinen Worten keinen Glauben schenken, aber es fiel mir immer schwerer. Ich spürte nicht das geringste Anzeichen einer Lüge und obwohl ich wusste, dass er definitiv lügen könnte, ohne dass ich es merkte... 

„Du lügst", sagte ich leise. „Ich bin mir sicher, dass sie mich suchen und sie werden mich finden! Du wirst mit nichts davon durchkommen!" Thomas lachte. „Es ist süß, wie sehr du noch hoffst und versuchst deinen eigenen Worten zu glauben. Selbst wenn sie dich suchen würden und diesen Ort hier finden, würden sie keine Chance haben. Im Moment sind hier über dreißig Vampire versammelt. Und dann ist da noch Julian, der einen sofort töten könnte. Deine erwünschten Retter wären schneller tot, als du auch nur das Wort Hilfe buchstabieren könntest!"

„Wie hast du Julian überhaupt überzeugen können, dir zu helfen? Wir sind Freunde!" „Seid ihr das wirklich?" Obwohl ich es nicht sehen konnte wusste ich, dass er gerade böse grinste. 

„Anfangs seid ihr vielleicht Freunde gewesen. Als du noch ahnungslos gewesen bist und deine Aura menschlich. Doch als sie sich verändert hat... Nun ja, als klar war was du bist, hat er sich sofort bereit erklärt zu helfen. Verständlich. Seine Familie ist schon seit Jahrhunderten Mitglied des Clans. Meine Vorfahren und die Vorfahren von Julians Vater haben noch Gestaltwandler getötet, als sie noch genauso wie du nicht akzeptiert gewesen sind..." Kurz verlor er sich und ich schluckte.

Silverleaf Academy - Wenn alles anders ist... (3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt