Kapitel Vierzig

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Ich war zugegebener Maßen ziemlich nervös, als ich nach dem Mittagessen in Summers Büro ging, wo ich das erste Mal mit meiner leiblichen Mutter sprechen würde. Aber nicht nur Nervosität hatte sich in mir breit gemacht und ich musste mehrmals tief durchatmen, ehe ich gegen die Tür klopfte.

„Komm rein Lynn!", hörte ich Summer sagen und langsam betrat ich das Büro. Summer lächelte mir aufmunternd entgegen und ich stellte fest, dass sie alleine im Raum war.

„Jolanda kommt gleich. Setz dich doch schon mal", sagte sie und langsam ließ ich mich auf dem Sofa nieder. „Soll ich bei eurem Gespräch dabei sein, oder soll ich gehen?" Ich zögerte. Vielleicht wäre es besser, wenn jemand dabei war. Ich kannte mich und ich wusste, dass ich dazu neigte schnell gereizt zu reagieren. Aber dann schüttelte ich den Kopf.

Die Tür öffnete sich und Summer stand auf. „Dann lasse ich euch beide mal alleine", sagte sie und verließ ihr Büro, während Jolanda zögernd vor einem der beiden Sessel stehen blieb. Und augenblicklich verschwand meine Nervosität. Zu sehen, dass Jolanda genauso nervös zu sein schien wie ich, beruhigte mich ungemein.

„Danke, dass du einem Gespräch zugestimmt hast", sagte Jolanda und setzte sich schließlich doch hin. Sie lächelte mich an und ich konnte nicht anders, als ihr Lächeln zu erwidern.

Selbst eine blinde Person hätte mitbekommen, wie nervös und unbehaglich wir beide uns gerade fühlten. Und es beruhigte mich irgendwie, dass Jolanda scheinbar auch nicht wusste, wie sie das Gespräch beginnen sollte. Es machte sie irgendwie nahbarer. Es wäre etwas anderes, wenn sie dieses Gespräch in Gedanken schon einhundert Mal geführt hätte und sich zurechtgelegt hätte, was sie sagen wollt.

Jolanda seufzte und schüttelte lächelnd den Kopf. „Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Ich schulde dir eine Erklärung und du hast das Recht darauf, alles zu erfahren", sagte sie mehr zu sich selbst und nachdenklich biss sie sich auf die Unterlippe.

„Wie wäre es, wenn du am Anfang beginnst?", schlug ich vor. Jolanda sah mich an und nickte leicht. „Du hast Recht", sagte sie und seufzte. „Ich weiß nur von Cedric, dass Susan dir schon einiges erzählt hat", fügte sie hinzu. Ich zuckte mit den Schultern. „Susan war nicht dabei und kennt die Geschichte auch nur von Cedric. Ich würde gerne deine Version hören", antwortete ich. Jolanda nickte.

„Als ich 16 wurde, haben meine Eltern mir eröffnet, dass ich Alrick versprochen bin. Zum Wohle des Rudels. Es hat mich sehr überrascht und aus der Bahn geworfen, aber es hat mich auch beruhigt, weil Alrick und ich seit Kindertagen eng befreundet gewesen sind. Er war quasi mein bester Freund, so wie Flo meine beste Freundin war. Ich konnte ihm alles erzählen und deshalb war es für uns beide in Ordnung. Bis wir unsere Seelenverwandte fanden", fing sie an und lächelte traurig.

„Anfangs haben wir beide versucht uns von unseren Seelenverwandten fern zu halten. Mir fiel es leichter als ihm, weil seine Seelenverwandte war eine Werwölfin. Mein Seelenverwandter war Cedric, von dem ich zu dem Zeitpunkt dachte, dass er nur ein Gestaltwandler war. Doch irgendwann kann man nicht mehr dagegen ankämpfen und es wurde verdammt kompliziert", sprach sie weiter.

Es half mir wirklich, dass sie von Anfang an begann. So hatte ich das Gefühl, sie gleich kennenzulernen und ihre Worte ergaben irgendwie auch Sinn. Blake hatte ebenfalls mal durchblicken lassen, dass er sich nicht mehr von mir fernhalten konnte wegen dieser Seelenverwandtschaft. Dass Jolanda dieses Gefühl kannte, beruhigte mich irgendwie.

„Geplant war die Hochzeit zu meinem 21. Geburtstag und die zweieinhalb Jahre nach meinem Abschluss nutze ich vor allem dafür, um die Welt zu sehen. Ich wusste, dass wenn ich verheiratet bin, ich dazu nicht mehr die Gelegenheit haben würde, weil ich mich dann um Rudelangelegenheiten kümmern müsste. Ich war mit der Hochzeit und allem was dazu gehörte einverstanden, auch wenn ich mir insgeheim wünschte, dass ich es nicht tun müsste", sagte sie und sah mich kurz an. „Sicher kommt dir das ziemlich dämlich vor", fügte sie hinzu und lächelte verlegen.

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