Chapter Twenty-One

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Ferox

Ich ziehe mir ein weißes Leinenhemd über, dass locker anliegt und meine dunklen Haare betont, während ich mich für ein Moment im Spiegel betrachte und dabei meine Haare richte. Dann fällt mein Blick auf Vincent's schlafende Reflektion und mir entweicht ein leises Seufzen.

Unsicher wende ich mich von meinem Abbild ab und gehe auf sein Bett zu. Die roten Haaren wirken matt und verteilen sich wirr auf seinem Kopf. Seine Wimpern liegen auf blasser Haut, die von dunklen Schatten unter den Augen gekennzeichnet wird. Selbst seine Lippen wirken trocken und spröde.

Alles in einem sieht Vincent unglaublich erschöpft aus. Trotzdem bildet sich automatisch ein Lächeln auf meinen Lippen, wenn ich ihn ansehe. In den letzten Tagen war es auch das Einzige, was ich tuen konnte. Ihn ansehen. Seinen Anblick in mir aufnehmen, als wäre er mein eigener.

Denn viel mehr hatte ich nicht. Zwar ist es inzwischen schon der vierte Tag, nach dem Vincent herausgefunden hat das ich Roxy Jems bin. Ich habe ihn allerdings schon am ersten Tag vermisst. Aber es sind eher die kleinen Berührungen, kleine Dinge, die unbedeutend erscheinen, nach denen ich mich wirklich sehne. Vincent's Duft, der mich irgendwie die letzten Wochen begleitet hat ohne das ich es wahrgenommen habe. Doch jetzt, wo ich ihn nicht mehr um mich habe, ist es als würde ein Bestandteil von mir fehlen.

Oder auch Vincent's subtile Berührungen, die irgendwo typisch für ihn geworden sind. Manchmal hat er nur meinen Handrücken gestreift. Zwischendurch sind seine Finger auch unschuldig über mein Unterarm gefahren oder er hat einfach nur meine Hand gehalten, um das stetige Pochen meines Pulses zu spüren.

Ob als Ferox oder Roxy, ich habe mich an diese kleinen Dinge gewöhnt und sie nicht mehr zu haben, ist schmerzhafter als ich jemals gedacht hätte. Ich weiß das Vincent gesagt hat, dass er Zeit braucht und das verstehe ich auch. Aber trotzdem ist da dieses Gefühl, dass mir sagt, ich verliere ihn mit jedem Tag mehr, der vergeht. Und es bricht mir das Herz, wenn ich manchmal sehe wie glücklich er in den letzten Tagen gewirkt hat, so losgelöst. Denn es bestätigt dieses ungute Gefühl auf eine Weise.

Vor allem, weil ich es ihm nicht mal übel nehmen kann. Immerhin dachte er ich wäre zwei unterschiedliche Personen.

Ich presse die Lippen aufeinander und schließe für ein Moment die Augen. Dann beuge ich mich herunter und streiche ihm zärtlich über die Wange. Die Wärme seiner Haut lässt mich schlucken und schnell entferne ich mich wieder von ihm. Bevor ich das Zimmer verlasse, werfe ich noch einen flüchtigen Blick auf Vincent's Gestalt im Bett, die sich gerade mühevoll umdreht.

Ich bin mit meinen Geschwistern zum Frühstück verabredet und treffen uns draußen vor dem Schiff, um von dort aus in die Stadt zu gelangen. Nicht das ich wirklich eine Wahl hatte, die Beiden haben mich regelrecht gezwungen. Allerdings bin ich ihnen dankbar dafür, schließlich kann ich nicht die ganze Zeit nur in meinem Proberraum hocken und traurige Songs spielen. Doch wenn ich auch nur ein Liebeslied heute höre, stehe ich kurz vor einem Nervenzusammenbruch und den kann ich wirklich überhaupt nicht gebrauchen.

Vorallem, wo ich meinen besten Freund momentan nicht habe. Wir haben noch am selben Tag, als die Wahrheit herauskam, gestritten und seit dem behandelt Cam mich nur noch wie sein Schützling. Er nennt mich sogar 'Mr. Espinosa', aber Cameron ist eben kindisch bei so was.

Doch jetzt, wo mein Bodyguard auf mich zukommt, sieht er nicht nur angespannt aus, sondern wie der Teufel höchstpersönlich. Ich habe mein besten Freund schon ewig nicht so schlecht gelaunt gesehen und um das zu erkennen, muss man ihn nicht mal gut kennen. Kaum steht er vor mir mit seiner grimmigen Miene, hebe ich die Hand, während ich mit der anderen über das Gesicht fahre. „Spar' dir die Förmlichkeiten, Cam und nimm' heute frei. Es reicht, wenn einer beim Frühstück schlecht gelaunt ist."

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