MarcDie Tür knallt nur Zentimeter vor meiner Nase zu, doch ich zucke nicht zusammen. Ich bin es gewohnt, das Quietschen der Angeln zur hören oder das Muster auf der Tür in und auswendig zu kennen. Immerhin sehe ich die Zimmertür von meinem Bruder mehr von außen als von innen.
Ich seufze und atme anschließend tief durch.Erschöpft lehne ich mich mit der Stirn gegen die Tür und das familiäre Gefühl des Holzes an meiner Haut, beweist mir, dass ich mindestens einmal pro Tag in dieser Position ende. Ich bin Anfang zwanzig und fühle mich schon seit drei Jahren, als wäre ich gerade mal achtzehn und komme schlicht und einfach nicht weiter. Es ändert sich nichts. Meine Eltern sind so unbeteiligt an meinem Leben wie sie es schon seit dem Anfang von Len's Schulleben waren und mein kleiner Bruder hasst mich dafür, dass ich ihn trotz allem liebe.
Denn das tue ich. Ich liebe Len wie sonst niemanden in meinem Leben. Und genau das, lässt mich nicht los.
„Len, wir kommen zu spät", sage ich und klopfe gegen die Tür. Wir sind schon längst zu spät und das nicht auf die coole Art.
Ich habe endlich wahre Freunde gefunden und der Gedanke sie wieder zu verlieren, lässt mich mehr verzweifeln als es sollte.
„Lass mich in Ruhe, ich will nirgendwohin, ich will einfach alleine sein", kommt es mit einem schneidenden Ton zurück, dessen Klinge nicht durch die Tür abgestumpft wird.„Len, ich kann dich aber nicht alleine lassen und wenn du nicht mitkommst, dann kann ich nicht zu der Feier", erkläre ich so ruhig wie ich noch irgendwie kann.
„Mir doch egal", kommt es trocken zurück und ich muss mich unentwegt daran erinnern, dass er es nicht so meint. Aber ich zweifle mit jedem Tag weiter daran.
Len mag impulsiv sein, aber über die Jahre durfte ich mir diese Sachen schon öfter anhören.
Und vielleicht hat er bei jedem Mal die Wahrheit gesagt. Vielleicht ist ihm alles, was mich betrifft wirklich schlicht und einfach egal.„Aber es ist mir wirklich sehr wichtig", versuche ich es nochmal, doch habe innerlich schon aufgegeben. Die nicht eintreffende Antwort, trifft mich dennoch dort, wo ich am schwächsten bin. Ich presse die Lippen zusammen und zücke mein Handy.
Seufzend lassen ich mich an der gegenüberliegenden Wand hinuntergleiten. Wird wohl Zeit Ferox Bescheid zu sagen. Ich verkrampfe mich schon bei dem Gedanken an seine Enttäuschung.Für eine Weile starre ich nur auf meinen leuchtenden Bildschirm, doch letztendlich bleibt mir keine andere Wahl. Also drücke ich auf das Anrufsymbol und halte mir das Gerät fest ans Ohr. Ferox geht schneller dran, als ich dachte, doch bevor ich etwas sagen kann, kommt er mir zuvor. „Wo bist du?", fragt er vorwurfsvoll mit einer Prise Besorgnis in der Stimme.
„Es tut mir leid, Rox", erwidere ich leise und sehe auf Len's verschlossene Tür.
„Aber ich kann heute Abend doch nicht kommen."Ferox seufzt tief und mein Kiefer verkrampft sich. „Es ist Len, habe ich recht?", ertönt es leise vom anderen Ende und für ein Moment wird die Musik im Hintergrund laut bis sie ganz verstummt. „Hör zu, ich verstehe dich, Marc, wirklich. Du liebst dein Bruder. Aber das heißt nicht, dass du für ihn leben sollst. Denk auch an dich, okay? Du bist wichtig und solltest zwischendurch Spaß haben!" Ferox' Worte treffen mich tief. Und gleichzeitig wecken sie den Funke Selbstbewusstsein in mir, den ich in Bezug auf Len normalerweise nicht empfinde.
„Okay, ich werde kommen", erwidere ich schließlich und stehe vom Boden auf. „Ich muss nur improvisieren...-"
Ferox unterbricht mich. „Schon längst geschehen. Ich habe Sarah und Gabe schon vor einer Weile zu dir geschickt." Ich runzle die Stirn. „Wer zum Henker ist Gabe?" „Der Bruder von Raya's Freund Gideon. Ich dachte er könnte ein Grund zur Flucht gebrauchen, zumindest für eine Weile." Ich schüttle schmunzelnd den Kopf. „Du bist echt unverbesserlich."
Ferox lacht. „Ich weiß. Dann bis gleich, Mausi." Ich täusche ein Würgegeräusch vor, muss aber ein Lächeln verkneifen.
„Rox, danke, ehrlich du bist ein guter, wenn nicht sogar einer der besten Freunde, die ich je hatte."
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Sail Into My Arms
Teen Fiction"Te quiero.." „Je t'aime.." Liebe ist eine Bitch. Davon ist Vincent Oceánt überzeugt. Denn er landet nicht nur gezwungenermaßen auf einem Schiff mitten in Spanien und lernt dort eine ebenso reiche Familie kennen wie seine eigene. Nein, er trifft au...