Ein stechender Schmerz durchdringt meinen rechten Knöchel. Autsch. Ich schaue auf die Uhr. Es ist zwei Uhr nachts. Ok, kurz zurückdenken. Ich war bei den Nachbarn einen trinken. Glühwein und dann gab es noch Weißwein. Es war eine mehr als lustige Runde und irgendwann bin ich nach Hause. Ich muss gestürzt sein. Ich schalte die Nachttischlampe an und erschrecke. Mein rechter Knöchel hat die Größe eines Apfels angenommen und hat die Farbe einer Pflaume. Durch das bloße angucken, zieht sich ein Schmerz durch mein Bein. Ruhig bleiben. Ich hole tief Luft und lege mich wieder hin. Vielleicht kann ich noch ein bisschen schlafen.
Nachdem ich mich bis fünf Uhr morgens im Bett hin und herumgewälzt habe, schlafe ich bis halb sieben ein. Ich will aufstehen. Geht nicht. Ich schleppe mich mühsam zur Toilette, der Knöchel schmerzt wie die Hölle. Dann schleppe ich mich zum Kühlschrank und hole ein Kühl-Pad. Was für eine Wohltat. Nach näherem Betrachten meines „pflaumenfarbigen Apfels" entscheide ich mich meine Nachbarin und beste Freundin Dina anzurufen. Nach dem ersten Klingeln nimmt sie schon ab: „Hey, wie geht es dir?" „Naja, ich glaube ich habe mir gestern auf dem Heimweg was getan." Dina holt tief Luft und setzt an, holt dann nochmal tief Luft und beginnt mit einem Seufzer: „Wir haben dich gestern nach Hause begleitet und du bist gestürzt. Es sah so aus als wärst du umgeknickt. Jeff hat dich dann mit mir zusammen in dein Bett gebracht, nachdem du nicht mehr auftreten konntest. Sag nicht es ist so schlimm, wie es aussah?". Jetzt wird mir einiges klar, Filmriss. „Doch, ich fürchte genau das ist es." Ich erläutere Dina kurz den Zustand meines Knöchels. „Ich bin sofort bei dir!"
Jeff und Dina haben einen Schlüssel für meine Wohnung. Sie sind meine besten Freunde und wir verbringen fast jedes Wochenende miteinander. Kurze Zeit später höre ich einen Schlüssel im Schloss meiner Wohnungstür. Dina kommt sofort gefolgt von Jeff in mein Wohnzimmer gestürmt. Kurz schaut sie stumm auf meinen Knöchel. „Fuck, Jessy. Du musst ins Krankenhaus." „Hallo erstmal.", sage ich leise. Jeff sieht noch ziemlich zerknirscht aus aber auch auf seiner Stirn bilden sich beim Anblick meines Knöchels Sorgenfalten. „Ich bin ganz Dina s Meinung, Jessy. Das muss geröntgt werden." Jeff arbeitet als Sanitäter im General Hospital und seinem Blick zu urteilen, sollte ich das wirklich tun. Zurzeit ist er in einer Weiterbildung und ist immer mal einige Tage auf Dienstreise.
Ausgerechnet jetzt kurz vor Weihnachten passiert mirso ein Mist. Mein Leben ist derzeit nicht ganz einfach. Das Einzige was gutläuft, ist der Job. Nach meinem Abschluss an der Wirtschaftsuniversität als Diplom-Betriebswirtarbeite ich in einem großen Einkaufsunternehmen für romantische Artikel allerArt. Besonders gut verkaufen wir natürlich zur Weihnachtszeit und zumValentinstag. Da ich die Abteilungsleiterin bin, ist ausfallen gerade keineOption. Nicht ganz einfach war in letzter Zeit zum Beispiel der Betrug meines ExfreundesBen. Leider habe ich ihn beim Liebesdinner mit seiner Sekretärin erwischt, alsich beim Waschen eine Tischreservierung in seiner Hosentasche gefunden hatteund blöderweise davon ausging er wolle mit mir dorthin gehen. Das ist nun vierWochen her. Seitdem wohne ich allein in unserer ehemals gemeinsamen Wohnung.Ich habe alle seine Sachen in den Hausflur geworfen, die Schlösser getauschtund bin eine Woche bei meiner Mutter untergekommen, bis ich mich wieder in dieWohnung getraut habe. So allein von meinem Kram umgeben, habe ich beschlossendort zu bleiben. Eigentlich ist es eine Doppelhaushälfte mit anliegendemGarten. Ich mag es sehr. Drei Zimmer über zwei Etagen, zwei Bäder und eine offene Küche mit Kochinsel. Zwei Wochen vor Weihnachten wurde gestern Abend mein Herz wieder schwer und der Alkohol leicht. Als Teenager ist mir einmal ein Filmriss widerfahren und ich hatte mir geschworen, dass passiert mir nie wieder. Da kommt die Strafe direkt darauf.
Dina und Jeff hieven mich mehr oder weniger ins Auto und bringen mich in die Notaufnahme des General Hospital hier in Nashville. In die kleine Kabine zur Anmeldung muss ich dann allein gehen. Die Schwester an der Anmeldung schaut etwas skeptisch über ihren Mundschutz zu mir rüber. Ich plumpse in den Stuhl und verziehe mein Gesicht vor Schmerzen.
„Na was kann ich denn für Sie tun?", fragt sie mich mit hochgezogener Augenbraue. Schwester Doris steht auf ihrem Schild am Kittel.
„Ich bin gestern Abend umgeknickt und habe seit dem einen geschwollenen Knöchel und Schmerzen beim Auftreten.", erkläre ich, als hätte sie die Hälfte davon nicht mitbekommen, als ich mich in das Zimmer gequält habe.
„Ist es ein Arbeitsunfall?", fragt sie nun noch gelangweilter.
„Nein.", antworte ich knapp und sage zu mir selbst: „ein verdammter ich saufe mir mein Leben schön -Unfall."
„Name?"
„Jessy Handerson."
„Geburtsdatum?"
„29.03.1993"
„Setzen Sie sich bitte in den Warteraum. Sie werden aufgerufen."
„Danke.", sage ich und versuche zu lächeln bis sofortwieder ein schmerzhaftes Zischen aus meinen zusammengepressten Lippen kommt,als ich versuche mich aufzurichten. Gott sei Dank wiege ich nur 65 Kilo, sodass ich mich selbst hochstemmen kann von dem Armlehnenstuhl. Kaum bin ich aus der Tür Richtung Wartezimmer unterwegs, stürmen Dina und Jeff auf mich zu, um mich zu stützen.
„Wie geht es nun weiter?", fragt Dina besorgt. „Ich soll warten.", sage ich gequält und rutsche tiefer in dem harten Wartezimmerstuhl. „Ihr zwei müsst jetzt nicht hier warten. Ich kann euch anrufen, wenn ich durch bin." Ich blicke mich um. Es sind mindestens zehn weitere Patienten vor mir dran.
„Nein, ich bleib hier bei dir.", sagt Dina entschlossen. Jeff sieht uns beide an: „Jessy hat recht. Das kann jetzt Stunden dauern. Lass sie uns noch mit etwas zu trinken versorgen, und dann düsen wir los." Jeff wendet sich zu mir: „Ruf bitte an, wenn du mehr weißt. Solltest du nach Hause können, kommen wir sofort.". Ich nicke zustimmend. Aber warte mal. Sollte ich nach Hause können?
Mit einer Wasserflasche aus dem Automaten versorgt, lassen mich die beiden im Wartezimmer zurück. Erst jetzt merke ich, dass ich eigentlich auch einen riesigen Kohldampf habe. Nun sitze ich es aus. Ich ziehe mein Handy mühsam aus der Jackentasche und sehe zwei Anrufe von Ben. Ich lösche sie und stecke das Handy zurück. Mal gucken, was es hier so zusehen gibt.
Ich schau mich im Raum um. Keiner sieht so krank aus wie ich. Daher ärgert mich die Wartezeit nun noch mehr. Ich setze mich auf. Nach einem stechenden Schmerz im Knöchel, lege ich mein Bein doch wieder ruhig auf den Boden. Zwei Stunden sitze ich dort. Ab und zu kommen Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte und andere Krankenhaus Mitarbeiter vorbei. Doch alle Menschen in der Notaufnahme sind Luft für sie. Dina schickt mir im Halbestundentakt Fragen über Fragen. Leider muss ich sie enttäuschen, da ich immer noch an Ort und Stelle sitze, wo sie mich zurückgelassen haben.
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Dr. Cute, bitte in den OP.
RomanceKörper an Körper bleiben wir noch eine Weile liegen. Wir reden nicht. Wir genießen nur die Nähe des anderen und ich für meinen Teil will nie mehr wo anders liegen als neben dieser Frau.