-22- Matt

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„Ich habe ihr heute Sushi gebracht. Sie wird sich kaum etwas kochen mit dem Schuh und den Schmerzen.", erzähle ich Bobby in unserer Stammkneipe „Riddim n Spice". Das ist eigentlich keine Bar in dem Sinne, sondern ein karibisches Restaurant, aber James macht die bestens Drinks und Cocktails. Und so ist dies zu Bobby und meiner Feierabend- und Männer-reden-miteinander- Stammkneipe geworden.

„Ok Matt, sie hat dir diese Nachricht geschickt und du schickst ihr gleich Sushi darauf? Ich versteh das nicht. Sie hat dir eine Abfuhr erteilt. Warum machst du dann sowas?"

„Weil ich denke, dass sie nicht nachgedacht hat, zumindest nicht bis zum Ende, als sie das geschickt hat. Wir haben eine Welle, eine Wellenlänge gehabt. Wir haben uns gutgetan, auch wenn sie nach der OP nicht ganz die ist, die sie wäre, wenn es ihr nicht so gehen würde. Ich denke auch, dass ich mich dann noch mehr Hals über Kopf in sie verliebt hätte. Wäre sie gesund."

„Matt, meinst du nicht, du steigerst dich da in was rein? Klingt ein bisschen wie stalking.", Bobby richtet sich in dem Sessel auf, in dem er eben noch bequem gesessen hat. „Meinst du ich bin jetzt verrückt? Verrückt nach einer Frau?", meine Stimme klingt etwas zu empört. So habe ich es bis jetzt noch nicht betrachtet. Was wenn sie sich von mir bedrängt fühlt?

„Ich werde es kaum aushalten Abstand zu ihr zu halten. Ich weiß ja in welcher Situation sie ist, und eigentlich braucht sie den halben Tag Hilfe. Zumindest die ersten vier bis sechs Wochen."

„Da spricht ein bisschen Chirurg aus dir, statt besorgter Freund.", sagt Bobby in einem ernsten Ton, den ich selten bei ihm höre. Eigentlich ist er immer so unbeschwert und entspannt.

„Und wenn du mit ihrer Freundin sprichst?", fragt er wieder bequem im Sessel liegend.

„Die Idee kam mir auch schon. Sie hatte mir beim letzten Mal einen Namen genannt. Jessy wäre vielleicht noch nicht über einen „Ben" hinweg. Jessy hat mir gegenüber nie über einen Ben gesprochen."

„Vielleicht ein Ex?", stellt Bobby mit dem Strohhalm seines Cocktails im Mund fest.

Mir kommt ein Gedanke. Was wenn dieser Ben tatsächlich ein Ex von ihr ist und diese ganze Geschichte noch nicht lange her ist und Jessy mich jetzt damit vergleicht? Sie will nicht verletzt werden. Wer will das schon? Aber das ist ein ganz neuer Angriffspunkt für mich. Ich kann ihr vielleicht diese Angst nehmen, indem ich hundert Prozent hinter ihr stehe und ihr somit hoffentlich das Gefühl gebe besonders zu sein. Und nicht enttäuscht zu werden.

„Ob ich Dina frage, was das mit Ben auf sich hat?", denke ich laut vor mich hin.

„Ja, nur wenn Jessy es nicht mitbekommt und Dina es will. Denn nichts ist schlimmer, als wenn beste Freundinnen Dinge voneinander Preis geben, die nicht vorher abgesprochen waren." 

Bobby hat so Recht. Wenn die beiden sich nun verstreiten, wäre das meine Schuld und ich würde Jessy noch weiter von mir wegschieben. Das ist nicht meine Absicht.

Nach einer Runde Bier verabschieden wir uns und ich fahre nach Hause. Vor dem Fernseher konzentriere ich mich kaum auf Bild und Ton, sondern habe nur Jessy im Kopf und zermartere mir mein Hirn, wie ich wieder an sie herankomme, ohne sie davon zu schieben. Irgendwann schlafe ich auf der Couch ein und bleibe auch die ganze Nacht dort liegen.

Am nächsten Morgen wache ich überraschend ausgeschlafen auf und habe die Idee, wie ich Jessy sicher etwas aufheitern kann. Sie hockt den ganzen Tag in ihrer Wohnung und kann sich sicher noch nicht so bewegen, wie sie es gern hätte. Ihr fällt die Decke auf den Kopf. Also werde ich eine „Ausfahrt" mit ihr machen. Ich werde ihr einfach „mein" Nashville zeigen. Also meine liebsten Orte. Ich liebe diese Stadt und habe auch bisher nie mit dem Gedanken gespielt sie zu verlassen. Angela wollte immer die große Welt sehen. Mich zieht es nicht wirklich in Richtung Stadtgrenze, es sei denn ich habe vor etwas Wundervolles zu erleben und dann wieder zurück zu fahren.

Wenn ich sie erst vorher anrufe, wird sie entwedernicht abheben oder sicherlich „nein" sagen. Ich beschließe also einfach die 10Meilen nach dem Frühstück zu ihr zu fahren und sie zu überraschen. Es gibt nurein ja oder ein nein. Also eine Chance von 50%, dass wir einen tollen Tagerleben werden, oder eben nicht. Ich darf nicht enttäuscht sein, wenn sie einenTag mit mir ablehnt. Jedoch wünsche ich mir gerade nichts sehnlicher als siewieder um mich zu haben, ihre Aura zu spüren, ihren Duft wahr zu nehmen und siesogar zu küssen. Diesen „Ben" habe ich erst einmal auf Eis gelegt. Ich werdeJessy nicht drängen und werde Dina auch nicht dazu befragen. Bobbys Worteklingen noch in meinem Ohr, dass das mehr als schief gehen kann. Ich dusche,frühstücke und packe einenRucksack mit Snacks und Getränken. Mit einer Decke werfe ich den Rucksack undeine Jacke in den Kofferraum und fahre los. Wir haben es zwar eine Woche vorWeihnachten, aber von winterlichen Temperaturen ist nichts in Sicht. KeinSchnee, keine gefrorenen Scheiben, kein Bodenfrost, kein Wind. Als würde derHerbst dieses Jahr nie enden.

Dr. Cute, bitte in den OP.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt