-13- Jessy

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Nachdemmir eine Schwester aus dem OP-Hemdchen geholfen hat, ich normale Unterwäschetrage, eine Hose und ein Shirt, werfe ich einen Blick in den Spiegel. Ich sehefürchterlich aus. Total zerzaust und fettige Haare. Die Krankenschwester, aufihrem Schild steht Ivi, schlägt vor, dass ich den Kopf über das Waschbeckenhalten soll und sie wäscht mir die Haare. Meine halblangen blonden Lockenfallen einfach getrocknet am besten. Also stimme ich dankbar zu. Danach nochZähne putzen und Deo auflegen. Ivi hilft mir zurück ins Bett. Mittlerweile istes Mittagszeit und mein Mittagessen wird mir vom Doc persönlich gebracht. Mattkommt mit einem Turkey-Sandwich von Subway in mein Zimmer und gibt mir einen langen, aber keuschen Kuss auf den Mund.

„Ui, du siehst frisch aus.", stellt er strahlend fest. Ich glaube Ben hat das nie zu mir gesagt. Er hat nur immer gemeckert, wenn ich an einem Couchsonntag mal nicht ganz frisch war. Warum vergleiche ich ihn immer mit Matt?

Matt setzt sich zu mir aufs Bett und zieht den Nachttisch herum. Ich packe mein Sandwich aus und beiße genüsslich hinein. Gut, dass ich am Fuß und nicht wo anders krank bin. In null Komma nichts ist das Sandwich verputzt. Matt räumt das Papier weg und setzt sich mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck wieder zu mir.

„Herr Doktor, müssen Sie nicht arbeiten?", frage ich verführerisch. Ich wusste gar nicht, dass ich das kann.

„Gleich gehe ich, aber vorher will ich da weiter machen, wo wir vorhin aufgehört haben.", Matt beugt sich vor und küsst mich wieder. Jetzt ist er nicht so vorsichtig und nimmt sofort Besitz von meinem Mund. Ich höre die Klinke der Tür, im gleichen Moment springt Matt auf: „Ms. Handerson, ich sehe später nach Ihnen." Beim Umdrehen rennt er fast Jeff um und stürmt aus der Tür.

„Bevor ich dich frage, wie es dir geht, erklärst du mir wer oder was das war.", sagt Dina mit ihrem typischen Unterton. Jeff grinst.

„Mein Arzt.", antworte ich knapp.

„Na klar. Wie geht es dir Süße?", jetzt spricht Dina in ihrem Singsang, der aber immer sehr beruhigend auf mich wirkt.

„Es geht. Ich habe ziemliche Schmerzen heute."

„Und deswegen war dein Arzt hier.", sagt Dina etwas vorwurfsvoll mit hochgezogener Augenbraue. Ich muss lächeln.

„Nein, er hat mir Mittagessen gebracht." Jetzt fängt Jeff laut an zu lachen. Er hat es sich im Ohrensessel bequem gemacht und Dina sitzt auf der Bettkante. Genau dort, wo eben noch Matt gesessen hat.

„Jessy. Verkauf uns nicht für dumm. Was ist hier los?", fragt Dina nun im Verhörton.

Zuerst erzähle ich ihr alles von der Notaufnahme bis zur OP und der heutigen Visite. Dann erzähle ich ihr alles über Matt und was Schwester Agnes zu mir gesagt hat.

„Bist du dir sicher, dass du dich jetzt schon auf was Neues einlassen willst und dann auch noch mit einem Arzt? Oder spielst du nur?"

Jeff war mittlerweile auf dem Ohrensessel eingeschlafen. Anscheinend war meine Geschichte so langweilig.

„Dina, ich weiß nicht, was das ist. Seit gestern Morgen fahre ich Achterbahn und bin noch nicht ausgestiegen.", sage ich zerknirscht. Ich hoffe Dina macht mir Matt nicht madig. Ich gebe viel auf ihre Meinung. „Pass bitte auf dich auf, Süße. Ich glaube Ben ist noch nicht Geschichte in deinem Kopf."

Ich verspreche ihr hoch und heilig auf mich aufzupassen. Als beide aufbrechen, sagt Jeff schnell zu mir: „Genieß es. Hast es verdient.".

Also werde ich das tun.

In den kommenden zwei Tagen kam Matt immer wiedervorbei. Wir haben lange geredet und viel übereinander erfahren. MatthewFranklin ist fünf Jahre älter als ich und seit fünf Jahren als Chirurg amGeneral Hospital Nashville tätig. Wir haben über unsere Meinungen und Ansichtengesprochen und mussten feststellen, dass wir uns ziemlich ähnlich sind. Ab undzu konnte ich meinen kaputten Fuß vergessen. Nachdem ich am Sonntag meine Mutterangerufen habe, kam sie am Montag ins Krankenhaus. Sie schlug mir vor, dass ichzur Genesung zu meinen Eltern nach Jackson kommen könnte. Ich kann mir nur leider nichts Schlimmeres vorstellen, als sechs Wochen bewegungsunfähig bei meinen Eltern rumzuliegen. Ich liebe meine Eltern, aber es ist auch schön nach einem Besuch in meine vier eigenen Wände zurückzukehren. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich es allein versuche. Sollte das nicht funktionieren, kann ich auch noch später nach Jackson kommen.

Am Dienstagmorgen zur Visite blieb Matt zurück in meinem Zimmer. Dr. Hoover sagte ich kann jetzt nach Hause. Die Wunde sieht gut aus. Die Physiotherapie hat mir gezeigt, wie ich laufen kann inklusive Treppen steigen. Das war megaanstrengend, aber machbar.

Matt kam an mein Bett und gab mir einen Kuss.

„Wie kommst du denn nach Hause?", fragt er mit besorgter Miene. Wir haben die letzten Tage nicht ein einziges Mal darüber gesprochen wie es nach dem Krankenhaus mit uns weiter geht. „Ich rufe Dina und Jeff an. Die beiden holen mich ab.", sage ich schnell, obwohl ich es nicht genau weiß. Matt bemerkt meine Unsicherheit. „Soll ich dich fahren?" Matt schaut mir tief in die Augen. Mein Brustkorb zieht sich zusammen. Eigentlich möchte ich es nicht, aber mir wird wohl nichts anderes übrigbleiben. Meine Reisetasche, meine Handtasche und zwei Krücken. Das geht definitiv schief bis nach Hause zu Fuß. Ich wohne nicht in der besten Wohngegend und ich habe etwas Sorge, wie Matt darauf reagieren wird. Ich fühle mich mehr als wohl in meiner kleinen Doppelhaushälfte über zwei Etagen. Neben mir wohnen Dina und Jeff und unsere Gärten, wenn man es Garten nennen kann, haben nicht mal eine Trennung mit einem Zaun. Ich kann meine Haustür sicher abschließen und habe immer einen Parkplatz vor meinem Haus. Ein Fenster würde ich nachts nie auflassen. Die Miete ist günstig und ich kann alles schnell mit dem Auto erreichen. Zu Fuß sollte man in dieser Wohngegend tatsächlich nicht unterwegs sein, nicht mal am hellen lichten Tag. „Ok. Wir machen es so. Wenn Dina und Jeff mich nicht fahren können, nehme ich dein Angebot gern an.", sage ich und Matt fängt an zu strahlen. Ich nehme mein Smartphone vom Nachttisch und tippe auf Dinas Bild. Es klingelt auch gleich und nach zwei Ruftönen nimmt Dina ab: „Hey Süße. Was gibt's? Kannst du raus?".

„Ja. Kann mich einer von euch beiden eventuell abholen im Krankenhaus und nach Hause fahren?".

Dina holt tief Luft: „Tut mir leid. Ich habe in zehn Minuten ein Meeting, welches über drei Stunden angesetzt ist. Und nur Gott allein weiß, ob es überhaupt so schnell vorbei ist. Jeff ist noch für drei Tage nicht in der Stadt. Kannst du dir eventuell ein Taxi nehmen?".

Enttäuscht hole ich tief Luft und lüge: „Das ist kein Problem. Ich finde schon eine Lösung.".

„Sonst gern, Süße. Ich mache dir einen Vorschlag: wenn ich heute hier irgendwann rauskomme, kaufe ich dir all deine Lieblingssnacks und bringe sie vorbei. Dann brauchst du nicht einkaufen gehen. Was denkst du?"

Ich nicke, obwohl Dina das natürlich über einen Anruf nicht sehen kann. „Ok. Das machen wir so. Ich schreibe dir, wenn ich zu Hause bin."

„Einverstanden. Halt die Ohren steif und ich freue mich schon dir heute einen Krankenbesuch abzustatten. Ich will alles über Matt wissen.", sagt sie mit einem hörbaren Grinsen.

„Bis später, Dina.", ich lege auf.

„Und?", Matt rutscht aufgeregt auf meiner Bettkante hin und her.

„Sie können mich nicht fahren."

Schon springt er auf: „Ich hole deine Entlassungspapiere.", und verschwindet aus meinem Zimmer.

Dr. Cute, bitte in den OP.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt