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Heute

🅻🅾🆄🅸🆂*

„Wollen Sie etwas trinken?", fragt mich der Mann neben Harry, nachdem ich mich einigermaßen in den Griff bekommen habe und mich langsam wieder hinstelle. Er hält mir eine Wasserflasche hin und nickt lächelnd, als ich diese vorsichtig entgegennehme und einen großen Schluck trinke.

Dass Niall und Harry mich besorgt mustern, merke ich erst, als ich zwischen den beiden hin und her schaue. „Harry?" Ich befeuchte mir meine Lippen und fahre mir durch die Haare. Ich hoffe ich träume und wache gleich aus diesem Alptraum auf. „Louis?" Ich liebe es, wenn er meinen Namen sagt. Seine Stimme ist rauer geworden und hört sich ein wenig tiefer an, als vor ein paar Monaten noch. „Dein Bein, was ist damit passiert?", traue ich mich zu sagen und stelle mich neben Niall, der seinen Arm um meine Schulter schlingt.

„Im Einsatz, ich habe nicht aufgepasst. Tage später bin ich im Krankenhaus aufgewacht, nur noch mit einem Bein." Während ich ihn anschaue, merke ich, dass er versucht, sich Tränen zu unterdrücken. „Nicht weinen.", flüstere ich, als Harry auch schon von diesem Mann in den Arm genommen wird. „Schatz, es ist nicht deine Schuld." Sie sind zusammen. Harry hat jemanden gefunden, den er liebt.

Jahre lang hat er diese Person unter den Frauen, damals noch Mädchen, gesucht und nie gefunden. Jetzt sehen wir uns zwei Jahre nicht und er hat einen Freund? Das kommt überraschend. Aber Harry ist gutaussehend, mich hat es in der Schulzeit schon immer gewundert, dass er die ganze Zeit über Single war.

„Doch, ich hätte besser aufpassen müssen. Es heißt, keine Alleingänge aber ich habe nicht drauf gehört und wollte dieses Mädchen retten.", flüstert Harry und wird von hinten gestützt. „Bambi, hinsetzen." Ich zucke zusammen, als ein älterer Mann hinter Harry auftaucht und neben Niall stehen bleibt. „Ja, Sir." Kurz danach reicht Harry der Frau, die die ganze Zeit hinter ihm stand, seine Krücken und lässt sich vorsichtig in einen Rollstuhl sinken. Jetzt sieht man am Hosenbein noch genauer, dass sein Bein fehlt.

Bis wo weiß ich nicht, aber sein Unterschenkel muss definitiv amputiert worden sein. Sein linker Fuß ist nicht mehr da. Ich bin zwar kein Fan von Füßen, aber an Harry ist alles toll. Auch seine Zehen, die ich immer unter der Bettdecke versteckt habe, damit ich sie nicht sehen muss, waren ein Teil von ihm. „Louis, schau mich an." Ich drehe meinen Kopf zu Niall, dem ebenfalls der Schock ins Gesicht geschrieben ist. Einer seiner besten Freunde und mein bester Freund hat sein Bein verloren. Irgendwo im Krieg, wo er ein Mädchen beschützen wollte.

„Geht es?" Ich schüttle den Kopf und schaue zu Harry, der mit den Fingern seines Freundes spielt. „Seid ihr beide eigentlich auch zusammen? Harry hat mir von dir erzählt, Louis. Du warst doch mal mit seiner Schwester zusammen, nicht?" Sowas erzählt Harry ihm? Er hätte gute Dinge über mich erzählen können. Zum Beispiel dass ich Jahre lang sein bester Freund war und wir kaum Zeit ohne den anderen verbracht haben.

Mit Enna war ich nie zusammen, auch wenn es für alle anderen genau danach aussah. Ich habe ihr einen Gefallen getan, womit ich Harry beinahe verloren hätte. Ich würde Harry über alles stellen. Meine Familie und Harry sind höchste Priorität für mich, auch wenn ich ihn dieses Gefühl nie spüren lassen habe. Zumindest dann nicht, als er es spüren musste.

„Ich... nein, wir sind befreundet.", kriege ich hervor und atme tief durch. Harry ist glücklich, ohne mich. Es trifft mich mehr, als dass es sollte und um ehrlich zu sein weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. „Freut mich auf jeden Fall für euch beide. Angelina fragt nach dir, ich habe gedacht, du hättest Lust, am Wochenende zu mir zu kommen. Sie hat Ferien und wird die nächste Woche bei mir sein, weil Mom und Dad verreisen.", wechsle ich dann das Thema und schaue Harry an, der in diesem Rollstuhl so verdammt hilflos aussieht. Stehend hat er mir besser gefallen, jetzt wirkt er mehr wie ein kranker Mann.

„Das ist nett von dir, aber ich..." Ich lasse ihn nicht weitersprechen und schüttle den Kopf. „Schon gut, wir haben uns lange nicht mehr gesehen, du hast dich verändert. Schreib ihr zumindest einen Brief, sie fragt jeden Tag nach dir.", flüstere ich und lehne mich zu ihm runter, um einen Kuss auf seine Stirn zu hauchen. Das habe ich damals nie gemacht, wieso ich es jetzt mache, weiß ich nicht. Aber auch ich habe mich verändert.

„Pass auf dich auf, ich hab dich lieb." Das waren die letzten Worte, die Harry damals zu mir gesagt hat, ehe ich in den Flieger gestiegen bin. Und daran muss er sich genau jetzt wahrscheinlich auch erinnern. „Verletzen Sie ihn nicht. Ich bin zwar kein Soldat aber ich werde ihn beschützen.", richte ich an Harrys Freund und nicke ihm zu. „Ich werde alles dafür tun, ihn nicht zu verletzen.", entgegnet er und ich weiß nicht, ob ich ihn mögen soll oder nicht.

Eigentlich muss er toll sein, weil er der Freund von Harry ist, aber er ist eben nunmal der Freund von Harry. Harry war immer mein jüngerer bester Freund, den ich vor allem beschützt hätte, jetzt ist er in einer Beziehung mit einem Mann. Mit einem gut aussehenden Mann, der nach seinem Erscheinungsbild ebenfalls beim Militär ist. Aufrechter Gang, die gleichen Stiefel, wie Harry sie trägt und eine Kette um den Hals, wie man sie in den Filmen immer sieht, mit einer Erkennungsmarke.

„Louis..." Ich schaue zu Harry, der sich sein Bein hält und sein schmerzerfülltes Gesicht zu verstecken scheint. „Schon gut, Harry. Du hast meine Nummer, wenn du reden willst. Aber du hast jetzt einen Freund, der nebenbei gesagt ziemlich gut aussieht, da brauchst du mich nicht mehr. Ich war sieben Jahre lang an deiner Seite, es ist okay." Ich kann hier nicht bleiben. Ich muss weg von Harry und seinem Freund. „Ich bin am Auto, bleib ruhig noch, du hast ihn auch lange nicht gesehen.", flüstere ich Niall zu und drehe mich um.

Ich habe mir so häufig ausgemalt, was im Ausland passieren könnte, aber eine Amputation war nie nur ein Gedanke. Gebrochene Arme oder Schrammen standen im Raum, ebenfalls die Angst, dass Harry sterben wird, aber keine Möglichkeit dazwischen. Vielleicht war ich auch einfach nur naiv und wollte das glauben, was ich mir eingeredet habe. Und jetzt hat er nur noch ein Bein.

Mit gesenktem Kopf gehe ich wieder in Richtung meines Autos, um dort auf Niall zu warten. In der Zwischenzeit lasse ich meinen Tränen freien Lauf und werfe die Kotztüte in eine Mülltonne. Immer mehr Leute verlassen das riesige Gelände und sind wieder vereint mit ihren Familien. Und ich? Ich habe meinen besten Freund gerade wahrscheinlich schlussendlich verloren.

„Louis?" Erst beim zweiten Mal reagiere ich auf meinen Namen und sehe Anne auf mich zulaufen, die mich im nächsten Moment in eine Umarmung zieht. „Was machst du denn hier? Warst du bei meinem Sohn? Wieso weinst du denn?" Sie fährt über meinen Rücken und mustert mich. Wir beide haben uns vor vier Monaten zu Angelinas Geburtstag das letzte Mal gesehen, danach hatten wir keinen Kontakt mehr.

Für einen Moment bleibe ich noch in ihrer Umarmung, bevor ich mich von ihr löse und meine Wangen trocken wische. „Ich war gerade bei ihm, Niall ist noch da. Harry hat einen Freund, wieso habt ihr mir davon nie erzählt?", will ich wissen und schaue Anne so gut es geht, lächelnd an. „Ach Henry, die beiden sind erst seit kurzem zusammen. Bevor Harry ins Ausland musste, haben sie sich erst für wenige Monate gekannt. Er ist der Cousin von Harrys Ausbilder.", erklärt sie mir und lächelt. Wahrscheinlich hat sie ihn schon kennengelernt und ist überzeugt, dass er der beste Schwiegersohn der Welt wird.

Ich kann nur nicken und deute in die ungefähre Richtung des Ausgangs. „Ich gehe mal zu meinem Auto, geh du zu deinem Sohn." Bei der Erinnerung an Harrys Bein kann ich mir neue Tränen nicht unterdrücken und drehe mich von ihr weg, um leise aufzuschluchzen. „Was ist mit ihm? Geht es Harry nicht gut?", fragt seine Mutter alarmiert und dreht mich am Oberarm zu sich.

Oh oh... ich hoffe, ihr seid nicht ganz zu erschlagen von allem. Aber es wird besser. Versprochen😊

him. He's the one that I adoreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt