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Zurück in Berlin wurde die Band ziemlich schnell von ihrem Alltag eingeholt. Immerhin stand in gut einem Monat das Konzert an, für was sie sich entschieden hatten. Es war Ende Mai und so langsam kamen auch in ihrer Heimat die ersten warmen Temperaturen an, sodass sie nun immer öfter an der frischen Luft unterwegs waren. Besonders für Steff war es eine Erleichterung, da sie endlich in der wärmenden Sonne joggen gehen konnte und nicht völlig fröstelnd zuhause ankam. So also auch heute. Kurzerhand entschloss sie sich dazu in der Mittagszeit eine Runde laufen zu gehen, während die Jungs etwas zu essen besorgen würden. Wie gewohnt rannte sie also ihre normale Strecke entlang, vorbei an den Häuserblocks und durch die Straßen und Parks des Viertels. Der heutige Tag war intensiv und anstrengend gewesen, weshalb sie die angenehm frische Luft genoss, die ihren Kopf zu befreien schien, während sie so langsam ihre Runde beendete. Nachdem sie nach gut 35 Minuten am Proberaum ankam, fuhr sie mit dem Fahrstuhl nach oben und schloss die Tür auf. Sofort kam ihr der Geruch von Pizza entgegen. „Da bist du ja. Wir sind selber gerade erst rein. Das Essen ist sogar noch warm.", erklärte Hannes, der seinen Kopf durch den Türrahmen der Küche gesteckt hatte, um nachzusehen wer gerade durch die Eingangstür spazierte. „Ich komme gleich. Ich muss nur nochmal schnell ins Bad.", antwortete sie ihm und bog geradewegs in die nächste Tür ein. Sie stützte sich schwächelnd am Waschbecken ab und stellte das Wasser an, welches sie sich ins Gesicht spritzte. Wieder musste sich sich abstützen und schloss dabei angestrengt ihre Augen, während sie versuchte gleichmäßig ein- und auszuatmen, was ihr nur mit Mühe gelang .
„Steff, was ist los?", unterbrach Thomas ihre Konzentration, indem er ihr unterstützend eine Hand auf den Rücken legte. Er hatte nach ihr sehen wollen, da sie angekommen und so schnell verschwunden war. „Ist nur mein Kreislauf. Geht gleich wieder.", beantwortete sie seine Frage. „Setz dich mal hin bevor du mir hier noch wegklappst.", riet er ihr besorgt und zog sie ohne eine Antwort abzuwarten auf den zugeklappten Toilettendeckel, der sich unweit vom Waschbecken befand. Daraufhin hockte er sich vor sie und begann sie fragend zu mustern, während er ihre Hände in seinen hielt. „Kann ich dir was bringen?", wollte er wissen, was sie mit einem Kopfschüttelnd beantwortete. „Ich glaube ich sollte jetzt einfach rüber gehen und etwas essen.", erklärte sie und wollte aufstehen. Thomas stützte sie, doch sie wehrte sich „Lass mich! Ich kann alleine laufen.", fauchte sie ihn an, was sie allerdings sofort bereute. „Tut mir Leid. Ich bekomme glaube ich einfach meine Tage und diese Unterleibsschmerzen und Kreislaufprobleme, die ich seit ein paar Tagen habe, verbessern meine Laune nicht gerade.", erklärte sie ihr Verhalten. „Ist schon gut Kleine.", lächelte er sie an.
Was Thomas jedoch nicht wusste war, dass in Stefanie definitiv nichts gut war. Ihre anstehende Periode stimmte sie alles andere als positiv. Auch wenn sie seit Wochen versuchte das verdammte Kinderwunsch Thema beiseite zu schieben, hatte sie den Kampf verloren. Immer wieder versank sie in Selbstmitleid, aber wollte auch nicht mit Thomas darüber reden, um einem weiteren schwerwiegenden Streit aus dem Weg zu gehen. Das Thema war einfach viel zu präsent gewesen in den vergangenen 1,5 Jahren, dass sie es nicht einfach so beiseite schieben konnte, selbst wenn sie wollte. Aus irgendeinem Grund dachte sie, dass der Urlaub etwas verändern würde. Die ganze Zeit über hatten sie die Finger nicht voneinander lassen können. Egal ob ihr Eisprung bevorstand oder nicht. Völlig ungezwungen gaben sie einander hin, wenn sie es eben für richtig hielten und nicht irgendein Ovulationstest oder eine App es vorherbestimmte. Der Urlaub hatte genug Chancen auf eine Schwangerschaft eröffnet und sie hatte insgeheim gehofft, dass es funktionierte. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd. Wahrscheinlich war es ihre Schuld gewesen, da sie den Beiden unterbewusst schon wieder viel zu viel Stress machte und Thomas dies nichtmal mitbekam, weil sie einfach nicht mit ihm redete.
Schlussendlich stand sie an dem Punkt, wo sie seit langer Zeit scheinbar verkeilt war. Monat für Monat bekam sie ziemlich regelmäßig ihre Periode, was ihr schlussendlich nur zeigte, dass es nicht funktioniert hatte. Das gleiche Schicksal würde sie also auch diesmal ereilen, da sich bereits schon wieder alle möglichen Anzeichen dafür bemerkbar gemacht hatten. Ausgerechnet Thomas war es, der jetzt auch noch ihre Stimmungsschwankungen und Frustration abbekommen hatte, obwohl er am allerwenigsten dafür konnte. Immerhin war sie diejenige, die nicht mit ihm über ihre Gedanken sprach.
So langsam bildeten sich ein leichter Tränenschleier vor ihren Augen, den sie jedoch eilig wegblinzelte. Sie entschloss mal wieder schnellstmöglich ihrem Gedankenchaos zu entfliehen und es wie immer einfach zu verdrängen. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen Thomas davon zu erzählen, aber sie konnte sich noch nicht dazu durchringen.
Stumm lief sie hinter ihm in die Küche und setzte ein Lächeln auf, als sie sich zu den Anderen an den Tisch fallen ließ und ein Stück Pizza nahm. Die anderen Beiden bemerkten glücklicherweise nicht einmal, dass es ihr nicht gut ging.

Der darauffolgenden Nachmittag war ein Spagat zwischen Liedproben und dem Erstellen einer Setlist für das anstehende Konzert. Alle arbeiteten konzentriert und nutzten die gegebene Zeit effektiv, sodass am Ende des Tages alle ziemlich zufrieden und stolz waren.
„So Jungs. Ich würde sagen das reicht für heute. Ich bin todmüde und zu nichts mehr in der Lage. Wir sollten für heute Schluss machen oder was sagt ihr?", wollte Stefanie wissen und blickte in zustimmende Gesichter. Die Band machte sich also auf den nach Hause Weg und verabredete sich für den nächsten Tag.
Als Stefanie sich die elend langen Stufen zu ihrer Wohnung nach oben geschleppt hatte, zog sie ihre Schuhe aus und trottete ins Schlafzimmer, um sich so wie sie war ins Bett fallen zu lassen. Thomas kam ihr verwundert hinterher. „Gehts dir immer noch nicht besser?", fragte er besorgt. „Nein.", grummelte sie ins Kissen. „Soll ich dir beim Umziehen helfen?", lächelte er, während er immer noch im Türrahmen stand, was sie mit einem „mhm" beantwortete. Er lief also zu ihr und begann sie vorsichtig auszuziehen. Daraufhin kramte er ihr eine ihrer Jogginghosen und eins seiner T-shirts heraus und zog ihr diese an. Ihr fiel es schwer überhaupt mitzumachen, da die Müdigkeit wie Betonklötze auf ihren Augenlidern lag.
Thomas selbst ging ins Bad, machte sich schnell fertig und lief auf dem Rückweg nochmal an der Küche vorbei, um Steff eine Wärmflasche vorzubereiten. Als er zurück ins Schlafzimmer schlich, sah er seine Freundin zusammengerollt schlafend im Bett liegen. Leise ging er zu ihr, um sie zuzudecken und ihr die Wärmflasche auf den Bauch zu legen. Daraufhin legte er sich selbst ins Bett und kuschelte sich von hinten an sie heran. Behutsam schlang er seinen Arm um sie und zog sie an sich. Stefanie wachte jedoch noch einmal auf und drehte sich in seinen Armen, damit sie zu ihm gerichtet schlafen konnte. Binnen weniger Sekunden war sie aber schon wieder im Land der Träume verschwunden. Schmunzelnd gab Thomas ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor er selbst einschlief.

unfulfilled dreams (a Thoffi story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt