Schweren Herzens war er auf ihren Wunsch hin gegangen, und auch wenn er wusste, dass sie irgendwie Recht hatte damit, dass es auf diese Art nicht weitergehen konnte, war es für den Gitarristen ein Schlag ins Gesicht. Sie hatten doch sonst jede Krise gemeinsam überwunden, wie sollte Abstand dabei helfen wieder zueinanderzufinden, sonst hatte es doch auch gereicht, wenn er im Wohnzimmer verweilte und sie sich im gemeinsamen Bett verkroch. Und auch wenn der Keil zwischen ihnen größer denn je erschien, weil sie so lange nicht über ihre Gefühle gesprochen hatten, so wollte er es einfach nicht wahrhaben und setzte sich nichts desto trotz ins Auto um zu seinem älteren Bruder zu fahren, der vielleicht einen klugen Ratschlag für ihn hatte, zumindest war es genau das, was er sich erhoffte. Schon so oft war er in seinem Leben zu ihm gegangen und egal wie aussichtslos die Situation erschien, zusammen heckten sie für jedes Problem eine brillante Lösung aus. Nicht selten handelten die Gespräche auch von der dickköpfigen, aber liebevollsten Sängerin, der er je in seinem Leben begegnet war. Sein Herz schmerzte bei dem Gedanken, dass er die Person, die er am meisten auf diesen Planeten liebte verloren haben könnte, weil sie beide so krampfhaft an einem Wunsch festhielten, für den es vielleicht auch eine andere Lösung gegeben hätte. Vielleicht war es den beiden einfach nicht vergönnt, auf natürlichem Wege ein Kind zu bekommen, für ihn sprach aber rein garnichts dagegen womöglich einen anderen Weg einzuschlagen, egal ob per Befruchtung oder sogar Adoption, doch hatte er sich nie getraut sowas anzusprechen, da es für Steff in seinen Augen nur diesen einen Weg zu geben schien. Sie hatte so oft deutlich gemacht, dass sie ein Kind mit ihm wollte und das Einzige was sie dafür getan hat war die Klamotten auszuziehen und sich ihrem Freund hinzugeben, wobei die Leidenschaft jedoch von mal zu mal geringer zu werden schien. Es ging nur um das Baby, nicht um die Liebe die sie füreinander empfanden und sich auf diesem Wege entgegenbringen wollen. Erschöpft von seinem Gedankenchaos schleppte er sich vom Auto hin zur Haustür des Hochhauses und klingelte an dem Schild, auf dem sein Nachname zu sehen war. Als aber auch nach fünf Minuten niemand aufmachte kramte er in seiner Hosentasche nach dem Schlüsselbund, an dem sich auch die Schlüssel zu der Wohnung von Johannes befanden und verschaffte sich somit Zugang in den dritten Stock, wo er sich auf die Couch fallen ließ.Jegliche Hoffnung die noch in ihm brannte als er sich ins Auto gesetzt hatte war erloschen, niemand war hier, der ihm auf die Schulter klopfen, ihn in den Arm nehmen oder mit einem Bier und gutem Gespräch von seinen Sorgen ablenken konnte. Auf die Idee seinen Bruder anzurufen kam er in diesem Augenblick nicht, er starrte lediglich an die Decke, fuhr sich durch die Haare und überlegte was er wann hätte anders machen können, ohne eine gescheite Antwort auf die Frage zu finden.
Wie in einem Film liefen die gemeinsamen Erinnerungen der letzten Jahren vor seinem inneren Auge ab. Der perfekte kleine Ausschnitt, der ihre gemeinsame Beziehung zusammenfasste. Angefangen beim ersten Kuss, der perfekte erste Kuss, noch immer spürte er das Kribbeln im Bauch was er in diesem Augenblick gespürt hatte, allein wenn er daran dachte. Lange hatten sie geschwiegen danach, trauten sich nicht in Worte zu fassen was gerade zwischen ihnen passiert war, sondern schauten sich stattdessen einfach nur tief in die Augen, während das Lächeln, was die beiden Lippen umspielte schon genug Worte sprach, dass das kein dummer Fehler, sondern der Start von etwas ganz Besonderem sein wird. Und das war es auch, gemeinsame Ausflüge, kleine heimliche Dates, die immer wieder dieses kleine Kribbeln zum Vorschein brachten, als hätte jeder Kuss die Flamme in ihnen nur noch weiter angefacht. Er dachte an den Abend, an dem sie zum ersten Mal ihre Liebe auf ganz intime Art besiegelten, wie er das erste mal ihren Körper in vollem Maße begutachtet hat und sich Zeit nahm für jeden einzelnen Zentimeter freigelegter Haut. Was für ein Gefühl es war, sie das erste Mal so nah bei sich zu haben, sich so hingebend. Es war als Stände die Zeit still, genau wie an dem Tag, als sie es den beiden Anderen sagten, die es schon längst geahnt hatten. Wie viel Angst sie davor hatten es den Anderen zu Beichten, waren doch die Bedenken der schwarzhaarigen ein Streit, der dann alle betreffen würde und es doch für Johannes und Nowi einfach nicht fair war, wenn sie unter etwas leiden, wofür sie doch nichts konnten. Doch sie waren sich sicher, dass sie jede Krise gemeinsam überstehen würden und das hatten sie bis zu dem heutigen Zeitpunkt auch. Ganz egal ob ein Streit im Urlaub, den sie bei einem langen Spaziergang am Strand klärten, eine Auseinandersetzung bezüglich eines neuen Songs oder der Reihenfolge, wie sie auf dem Album erscheinen würden und selbst die größte Krise, vor dem leichten Gepäck Album hatte sie als Paar nur stärker gemacht. Was, wenn er jetzt mit seinem Verschwinden all das aufgegeben hatte? Könnte er darüber hinwegkommen, könnte Stefanie das? Immerhin fand er auf diese Fragen eine eindeutige Antwort: nein! Nein, sie würden es beide nicht übers Herz bringen all diese Erinnerungen zu vergessen, oder mit einer anderen Person einen Weg einzuschlagen und auch diese Distanz würde ihnen ganz sicher nicht weiterhelfen. Er musste dorthin, wo sie die meisten gemeinsamen Erinnerungen geschaffen hatten, zurück in ihre gemeinsame Wohnung, für die sie beim Einrichten stundenlang in den verschiedensten Ikea Läden gestanden und diskutiert hatten, welche Couch nun am besten zu der Wand im Wohnzimmer passen würde und natürlich hatte er sich der Dickköpfigkeit seiner Freundin erschlagen geben müssen, aber das Strahlen in den Augen als endlich alles fertig war, war für ihn alles was er brauchte. Er brauchte keine andere Couch, solange er sie bei sich hatte, doch das schien er im Augenblick zu verlieren. Als er das realisierte sprang er plötzlich von der Couch auf, streifte sich Jacke und Schuhe über, rannte die Stufen des Treppenhauses hinunter und nahm seinen Bruder garnicht wahr, der gerade die schwere Haustür aufschließen wollte, auch, dass der Bassist den Namen seines jüngsten Bruders rief kam nicht mehr bei ihm an, das Einzige was zählte war Steff und die Beziehung der beiden. Sie mussten miteinander reden und das so schnell wie möglich. Sobald er im Auto saß und den Schlüssel umgedreht hatte, trat er auf das Gaspedal und war in Rekordzeit an ihrer Wohnung angekommen. Hastig schloss er auf, eilte die Treppen hoch und atmete dann das erste Mal nach einer gefühlten Ewigkeit wieder durch, versuchte seine zitternde Hand unter Kontrolle zu bringen um die letzte Tür aufzuschließen, die ihm den Weg zu der Person versperrte, die er am meisten auf diesem Planeten liebte. „Steff?" rief er leise in die Dunkelheit. Nur ein paar Straßenlaternen warfen noch einen leichten Schleier an Licht in das sonst finstere Wohnzimmer. Er schlich durch die Wohnung, hin zum Schlafzimmer, wo er so leise es nur ging die Türklinke nach unten drückte und hinein lugte. Dort sah er sie liegen, neben ihrer besten Freundin. Er war zu spät. Sie schlief bereits und hatte sich bei jemand anderem über ihre Probleme ausgekotzt, sie jetzt zu wecken wäre falsch. Und auch wenn es ihm wehtat, so schloss er die Tür so leise es ging wieder und machte sich zurück auf den Weg zur Wohnung seines Bruders. Er ließ die Tür ins Schloss fallen, warf noch einmal einen Blick über seine Schulter und lief die Treppen hinunter in Richtung frischer Luft.
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unfulfilled dreams (a Thoffi story)
FanficStefanie und Thomas haben nur einen einzigen Traum, für den sie alles opfern wollen, dabei steht aktuell aber als oberstes Opfer ihre Beziehung, was sie gerade erst erkennen...