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Allmählich wurde Thomas von dem hellen Licht, welches durchs Fenster schien geweckt. Draußen schien die Sonne und auch die Vögel zwitscherten bereits. Verschlafen drehte er sich um und suchte noch mit halb geschlossenen Augen nach seiner Freundin, um sie an sich zu ziehen, um vielleicht noch etwas weiterschlafen zu können. Zwischen den ganzen Proben und Terminen war es mittlerweile schon Luxus geworden ausschlafen zu können, weshalb er genau dieses Morgen mit ihr genießen wollte.
Verwirrt tastete er jedoch stattdessen die leere Bettseite ab und öffnete die Augen, um sich zu vergewissern, dass sie wirklich nicht da war. Sofort sprang er auf. Wahrscheinlich musste sie sich wieder übergeben und er hatte es nicht gemerkt, während sie allein damit klarkommen musste. Eilig lief er ins angrenzende Badezimmer und klopfte an die Tür, wartete jedoch keine Reaktion ab und stolperte durch die Tür. Doch es war leer. Ein Gefühl von Erleichterung strömte durch seine Adern und er rechnete fest damit sie unten anzutreffen. Immerhin war es bereits 10 Uhr und sie würde wahrscheinlich schon vor ihm wach gewesen sein und ihrer Schwester beim Frühstück machen helfen.
Langsam lief er die Stufen in Richtung Erdgeschoss nach unten und versuchte sich zu orientieren. Der große Essbereich war leer, jedoch konnte er das Klirren des Geschirrs in der Küche hören. Zielsicher steuerte er diese an, fand hier jedoch nur Janet vor, die mit ihrem kleinen Sohn gerade dabei war die Spülmaschine auszuräumen. „Guten Morgen. Habt ihr gut geschlafen?", begrüßte sie ihn mit einem freundlichen Lächeln. „Morgen, ja so gut wie lange nicht mehr.", grinste er zurück. „Weißt du zufällig wo deine Schwester abgeblieben ist? Ich habe gehofft sie hier unten zu finden.", erkundigte er sich bei ihr. „Ich dachte sie hat dir Bescheid gegeben. Sie ist vor circa einer halben Stunde aus dem Haus gegangen. Aber wohin hat sie mir auch nicht gesagt. Steff wollte eine Runde spazieren gehen, das ist das Einzige, was ich weiß.", klärte sie ihn auf. „Okay...danke dir. Brauchst du hier unten Hilfe? Sonst würde ich nochmal hoch gehen und duschen.", entgegnete er, aber versuchte dabei seine Verwirrung und Sorge zu verbergen. „Nein geh ruhig. Ich sag dir wenn das Essen fertig ist.", lächelte sie.

Als Thomas kurz darauf unter der Dusche stand ratterten in seinem Kopf die Gedanken nur so vor sich hin. Eigentlich machte er sich kaum Sorgen wenn sie irgendwo alleine hinging, aber heute war das anders. Nachdem sie gestern so aus der Haut gefahren war und sie sich auch den ganzen restlichen Abend ihm gegenüber abweisend verhalten hatte, war er besorgt um sie. Das Paar stritt sich seit Steffs Schwangerschaft eher selten und eigentlich sollte sie glücklich sein, da sie beide heute ihren Familien die frohe Botschaft überbringen würden. Etwas worauf sich Stefanie schon seit Ewigkeiten freute und was ihr größter Herzenswunsch war. Besonders nachdem Janet schwanger wurde und den kleinen Artur zur Welt brachte, wuchs ihr Wunsch immer weiter selbst einmal ein Kind zu haben. Und jetzt wo es soweit war verhielt sie sich plötzlich komisch und fast schon abweisend. Er verstand den Zusammenhang einfach nicht. Egal welche Gründe er sich ausmalte, er kam nicht auf eine plausible Erklärung.
Thomas hätte noch ewig weiter grübeln können, entschied sich jedoch kurzerhand aus der Dusche zu steigen und auf sie zu warten. Etwas Anderes wäre sowieso sinnlos gewesen. Er trocknete sich also ab, zog sich an und öffnete die Badezimmertür. Als sein Blick direkt aufs Bett fiel, sah er plötzlich Stefanie. Sie lag mit dem Rücken zu ihm gewandt halb eingerollt auf der Seite. „Da bist du ja, ich hab dich heute Morgen vermisst.", stellte er perplex fest und lief ein paar Schritte auf sie zu. Er legte seine Hand auf ihre Schulte und beugte sich etwas vor, um ihr Gesicht sehen zu können. Thomas erschrak jedoch, als er die mit Tränen gefüllten Augen seiner Freundin sah und reagierte binnen Sekunden, indem er sich neben sie setzte und in seine Arme zog. Er wusste, dass er mit seiner Vermutung richtig gelegen hatte und sie wirklich etwas bedrückte. Also lies er sie sich beruhigen und wartete, bis sie von selbst anfangen würde zu erzählen. Kurz hatte er Angst, dass sie wieder einmal völlig zu machen würde, doch einige Augenblicke später tat sie genau das Gegenteil: „Ich vermisse ihn so sehr.", schluchzte sie. „Wen?", fragte Thomas sanft. „Meinen Vater...ich wünschte er hätte das sehen können.", erzählte sie weiter, bevor ihre Stimme erneut brach. „Ich setze mit dir zusammen dieses hilflose Bündel Leben in die Welt und ich weiß einfach, dass er das alles gerne miterlebt hätte weißt du.". Sie stockte kurz, doch Thomas lies sie ausreden. „Hier in diesem Haus zu sein reißt sowieso schon immer ein wenig die alten Wunden auf, aber mit unserem Kind unterm Herzen tut es umso mehr weh. Das Kleine wird niemals die Möglichkeit haben seinen Opa kennenzulernen und ich kann nichts daran ändern.", weinte sie in seinem Arm. Plötzlich machte alles Sinn, obwohl es zuvor völlig auf der Hand lag. Thomas lies sie sich erstmal beruhigen, bevor er das Wort ergriff. Er wusste zwar, dass es in solch einem Moment keine richtigen Worte gab, doch wollte er es trotzdem versuchen. Sie weinen zu sehen fiel ihm nach all den Jahren immer noch unfassbar schwer: „Ich bin fest davon überzeugt, dass er unser Kind gerne kennengelernt hätte und er wäre mit Sicherheit ein guter Opa gewesen. Höchstwahrscheinlich schaut er von oben zu und wäre stolz auf dich. Auf das alles hier. Er wäre einfach stolz so eine Tochter zu haben, mit diesem nahezu perfekten Leben, was du führen darfst. Kleine, ich kann dir den Schmerz und die Trauer nicht nehmen, obwohl ich gerne möchte. Das Einzige was ich tun kann, ist dich zu trösten. Ich liebe dich und dein Vater tat das auch und wird es auch für immer tun, denn du wirst die beste Mutter dieser Welt für unser Baby werden. Ich verstehe, dass du ihn gerne an deiner Seite hättest, aber die Zeit kann man leider nicht zurückdrehen, obwohl man es sich noch so sehr wünscht.", erklärte er ihr und strich ihr dabei sanft über den Rücken.
„Du kennst mich Thomas. Ich mach mir schon wieder viel zu viele Gedanken über Dinge die nicht änderbar sind. Ein einziges Mal wollte ich dich damit nicht belasten, aber du hast es trotzdem bemerkt.", weinte sie. „Es ist okey. Ich habe dir schon oft gesagt, dass du immer mit mir reden sollst, wenn dich etwas bedrückt.", entgegnete er und versuchte sie weiter zu besänftigen. Stefanie beruhigte sich allmählich und sammelte sich. Noch immer war ihr Kopf ein kleines Desaster, aber sie war nun gezwungen sich zusammenzureißen.
Fast so als ob Janet den perfekten Zeitpunkt spüren konnte, rief sie kurze Zeit später nach oben, dass das Essen fertig sei. Stefanie wischte sich ein letztes Mal die Tränen weg, bevor sie endgültig aufstand und Thomas auffordernd ansah. „Es ist zwar nicht okey, aber mir gehts besser, wir können runter gehen. Ich bin bereit." Thomas nickte daraufhin nur und schenkte ihr ein Lächeln und eine letzte Umarmung, bevor er ihr die letzten Stufen nach unten folgte.

unfulfilled dreams (a Thoffi story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt