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In den nächsten Wochen empfing die kleine, neue Familie in wohltuenden Abständen Freunde und Verwandte, die Oskar Willkommen heißen wollten. Immer wieder schaffte der kleine es, alle um seinen Finger zu wickeln mit seinen großen blau-grauen Augen und immer wieder ließ er Herzen höher schlagen, wenn er vor Erschöpfung gähnte und dabei seine Zunge etwas rausstreckte. Auch Stefanie und Thomas konnten nicht leugnen, dass sie einfach eins der süßesten Kinder in die Welt gesetzt hatten. Es war fast so, als ob sie mit jedem verstreichendem Tag etwas neues an ihrem Sohn fanden, was ihn noch ein Stück liebenswerter machte. Sein Grübchen auf der rechten Seite, seine langsam auftretende Falte am Kinn, die er von Thomas hatte, wie seine Lippen aufeinander lagen, wenn er friedlich vor sich hin schlummerte, seine langen Wimpern. Die Liste könnte man, wenn es nach den Eltern des neues Bandenmitglieds ging, ewig weiterführen, da waren unendlich viele Dinge, die ihren Sohn so perfekt machten. Er war der Mensch, der sie komplettierte und erfüllte und das, obwohl er gerade einmal drei Wochen auf dieser Welt war. Und damit war es auch die erste Woche, die sie sich komplett freigehalten haben, kein Besuch, keine Termine, einfach mal nur die drei und das was der Alltag mit einem Neugeborenem so mit sich brachte. Doch Stefanie brauchte nicht lange um zu merken, dass irgendwas anders war, das da etwas war, dass ihren kleinen quälte. Angefangen damit, dass er plötzlich viel mehr quengelte, unruhiger war und ständig die Nähe zu entweder Thomas oder Steff verlangte. Und selbst auf dem Arm der beiden ließ er sich nicht so schnell beruhigen, wie es bislang der Fall war. Wenn er vorher mal zwei Stunden am Stück in seinem Bett geschlafen hatte schien es jetzt beinahe an ein Wunder zu grenzen, wenn er mal eine halbe Stunde ruhig blieb, ohne, dass eins seiner Elternteile in der Nähe war. Selbst, wenn ein Tshirt von seiner Mutter bei ihm lag, was nach ihr roch, wachte er immer wieder auf und fing an zu schreien, was sich gut und gerne mal bis zu einer Stunde ohrenbetäubendem Lärm hinauszögern konnte. Langsam waren beide an den Punkt gekommen, an dem sie einfach nur noch verzweifelte, wo sie nicht wussten, was sie noch tun konnten, was sie aktuell vielleicht falsch oder anders machten, was zu seinem unruhigen Verhalten führen konnte. Immer wieder zerbrach vor allem die Sängerin sich den Kopf, wodurch sie total verdrängt hatte, dass ihre Hebamme heute vorbeikommen wollte um zu schauen, wie Oskar sich entwickelt. Etwas verwirrt ging sie mit Oskar, der in einem Tuch vor ihre Brust gewickelt war zur Tür als es klingelte und war fast dankbar, als sie ihre Hebamme dort stehen sah. "Tut mir leid, ich hatte völlig vergessen, dass Sie heute vorbeikommen wollten." "Das macht nichts, das geht vielen Eltern so, es dauert ja auch nicht lang." Thomas folgte den beiden Frauen in Oskars Zimmer, um dabei zuzusehen, wie sie Gewicht und Körpergröße des Kleinen kontrollierte. "Das sieht doch soweit schonmal ganz gut aus. Körpergröße und -gewicht sind im absoluten Normalbereich, dem kleinen Oskar gehts gut" "ganz sicher? Er ist in letzter Zeit so unruhig" ganz so als müsste Oskar einmal präsentieren, dass seine Mutter auch nicht lügt wurde er wieder unruhig. Sein Kopf rötete sich etwas und innerhalb weniger Augenblicke erfüllte ein lautes Schreien das Kinderzimmer. "Das ist nicht selten bei Babys. Haben sie von der Dreimonatskolik gehört" beide Elternteile nickten, woraufhin die Hebamme unbeirrt fortfuhr. "Ich kann Ihnen ein paar Sachen zeigen die dabei helfen können." Nacheinander zeigte sie den frischen Eltern, wie sie beruhigende Kreise über den Bauch ziehen konnten, den Fliegergriff, wie man am besten puckt und zu guter letzt, in welcher Position es für den Säugling am angenehmsten war gestillt zu werden, sodass möglichst wenig Luft in seinen Bauch kommen würde. "Das mit dem Tragebuch bietet sich natürlich auch an, vor allem, da dort der Kontakt zu den Eltern auch da ist. Aber Sie müssen sich keine Vorwürfe, oder zu große Sorgen machen, Sie machen alles richtig, ihrem kleinen geht es wirklich gut"

In den nächsten Tagen versuchten die beiden alle Tipps möglichst gut und oft umzusetzen und auch wenn sie ein wenig halfen, so kam es doch noch der oft vor, dass Oskar einfach nicht zu weinen aufhören wollte. Immer wieder dachten die Musiker, dass ihre Ohren bald zu bluten beginnen würden und hatten das Gefühl so machtlos der ganzen Situation ausgeliefert zu sein, ganz egal, wie lang Thomas seinen kleinen im Fliegergriff durch die Wohnung trug oder Steff ihn in der Trage hielt. "Ich hab das Gefühl er hört garnicht mehr auf zu schreien, was machen wir denn falsch? Es hilft einfach garnichts und ich kann mich nicht dran erinnern, wann wir das letzte mal geschlafen haben" "Gib ihn mir mal, ich mach einen kleinen Ausflug mit ihm und du schläfst jetzt mal, dir fallen ja gleich die Augen zu" "und dir nicht?" "ich darf immerhin Kaffee trinken und ich wollte meine Akustik Gitarre aus dem Proberaum holen. Oskar und ich entdecken heute einfach mal nen bisschen was." Thomas beugte sich zu ihr nach unten, verband die Lippen der beiden sanft miteinander, bevor er ihr den kleinen abnahm und losfuhr zum Bandstudio. Als er dort ankam war Oskar immer noch unruhig, weshalb er schnell reinging, sich seine Gitarre schnappte und das kleine Bündel Leben behutsam darauf ablegte. Er befand sich wie im Fliegergriff auf dem Instrument seines Vaters und als dieser dann die Saiten anschlug wurde er wie durch Zauberhand ruhiger. Ganz so als würden die Klänge und die Position ihn besänftigen, als spürte er schon jetzt, dass er hier in seinem zweiten Zuhause in Sicherheit war. Thomas beobachtete die Liebe seines Lebens dabei, wie seine Augen zufielen und seine Atmung ruhiger wurde, der Kopf weniger rötliche Farbe abstrahlte und ließ seine Finger dabei ganz intuitiv über die Saiten huschen. In seiner Eile hatte er nicht einmal bemerkt, dass sein Bruder ebenfalls vor Ort war, der sie heimlich beobachtete und sogar filmte und das Video anschließend in die Bandgruppe schickte. Stefanie bekam das zuhause allerdings schon garnicht mehr mit, da sie so erschöpft war, dass sobald ihre Jungs durch die Tür verschwunden waren, die Müdigkeit sie überrollt hatte.

unfulfilled dreams (a Thoffi story)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt