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„Tessa? Warum hast du abgeschlossen, Schätzchen?", riss mich auf einmal die laute Stimme meiner Mom aus dem Schlaf, gefolgt von dem wiederholten lauten Klopfen.

Ich blickte panisch zu Damien rüber, der mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

„Scheiße, scheiße, scheiße", fluchte ich leise und signalisierte ihm stumm, sich unter meinem Bett zu verstecken.

Er schüttelte energisch den Kopf, aber ich drückte ihn drängend runter, als meine Mutter erneut an der Tür rüttelte. Sobald Damien gut versteckt war und ich seine Schuhe und Jacke ebenfalls unters Bett geschoben hatte, lief ich zur Tür und öffnete sie scheinheilig lächelnd.

„Guten Morgen, Mom!", begrüßte ich sie und hoffte sie würde jetzt wieder gehen. Aber stattdessen trat sie ein und sah sich argwöhnisch um. „Warum liegt die Decke auf dem Boden?"

Ich warf einen panischen Blick auf die Decke, die wir in all der Hektik umgeschmissen hatten und die jetzt direkt neben Damien auf dem Boden lag.

Meine Mom näherte sich dem Bett und wollte sich gerade nach ihr bücken, als ich ihr zuvor kam. „Hab sie im Schlaf wohl weggetreten", log ich und atmete erleichtert aus, als sie nickte und mein Zimmer wieder verließ.

„Mach dich dann jetzt bitte fertig."

Ich nickte und schloss die Tür hinter ihr, als ich ihre Schritte die Treppe runtergehen hörte.

Erleichtert atmete ich aus, als Damien auch schon unter dem Bett hervorkroch.

„Das war knapp", murmelte er und ich warf ihm einen erbosten Blick zu.

„Ich wusste, dass das passiert. Du hättest gestern nicht herkommen sollen."

Er schmiss sich wieder aufs Bett und machte es sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen dort gemütlich, während ich versuchte mein panisch schlagendes Herz zu beruhigen.

„Letzte Nacht war doch toll. Wir konnten endlich wieder zusammen schlafen."

Er grinste mich vom Bett aus an und ich musste zu geben, dass ich die letzte Nacht auch genossen hatte. Ich hatte endlich einige Antworten bekommen und abgesehen davon hat mir Damiens Nähe gut getan. Es hatte sich richtig angefühlt. So vertraut, als ob es das natürlichste auf der Welt sei.

„Ich muss mich jetzt fertig machen", sagte ich schließlich und schüttelte das letzte bisschen verbliebene Panik von dem beinahe Desaster, dem wir nur knapp entwischt waren, von mir ab.

Ich ging zu meinem Schrank und kramte meine Klamotten für den heutigen Tag zusammen, als Damien plötzlich hinter mir auftauchte und nach einem Shirt griff.

„Du solltest den anziehen."

Er hielt mir einen dunkelblauen Hoodie grinsend unter die Nase und ich nahm ihn entgegen. Ich hatte auch nach unserer inoffiziellen Trennung seine Klamotten behalten.

Einmal, weil er nicht da war, und ich sie ihm demnach nicht zurück geben konnte und zweitens, wollte ich sie ihm auch nicht zurück geben. Ich hatte etwas von ihm gebraucht, um die Monate zu überstehen. Um mich nicht völlig von ihm verlassen zu fühlen. So hatte ich einen Teil von ihm immer noch bei mir gehabt.

Meine Gedanken schweiften wieder zu diesen zehn einsamen Monate ab und als ob er es merken würde, spürte ich seine Hand beruhigend meine Wange streicheln.

„Alles ist gut", beruhigte er mich und ich verlor mich in seiner warmen Berührung.

„Tessa! Wo bleibst du?", schrie meine Mutter auf einmal von unten und ich atmete frustriert durch.

„Ich komme gleich!", rief ich zurück und ließ die einsamen Gedanken hinter mir.

Ich zog mich schnell um und ignorierte Damiens gierigen Blick, der sich keine Sekunde von mir abwandte.

„Du solltest dich auch umziehen", informierte ich ihn und griff nach einem weiteren Pulli von ihm aus meinem Schrank.

Ohne zu zögern zog auch er sich augenblicklich vor mir aus und ich starrte ihn unverwandt an.

Ich war enttäuscht als schon eine Sekunde später das Oberteil meine Sicht versperrte, aber das erneute Rufen meiner Mom verhinderte, dass ich es ihm einfach wieder auszog.

„Ich komme gleich wieder. Bleib hier und mach keinen Mucks!", warnte ich ihn, bevor ich mein Zimmer verließ und ihn amüsiert grinsend dort alleine zurückließ.

„Lia verspätet sich etwas", log ich meine Mom an und ignorierte das schlechte Gewissen, das mich sofort überbekam.

„Aber du kommst doch nicht zu spät oder?", fragte sie besorgt und schob mir ein bereits belegtes Brötchen zu, das ich essen sollte.

Da ich gestern bei Damien nichts essen konnte, danach bei Lia auch keine Zeit mehr hatte und das Telefonat mit Damien mich so sehr abgelenkt hatte, dass ich meinen Hunger - zumindest aufs Essen - völlig vergaß, griff ich halb verhungert nach dem Brötchen und schlang es gierig runter.

„Ich komme schon nicht zu spät, keine Sorge", beruhigte ich sie, mit noch immer halb vollem Mund.

Sie sah mich etwas irritiert von meiner Eile das Essen zu verschlingen an, stand aber dann nach einem kurzen Blick auf ihr Handy auf.

„Ich muss heute etwas früher ins Büro und es kann sein, dass ich heute auch etwas länger arbeite."

Ich nickte verständlich und sie verabschiedete sich mit einem kurzen Kuss auf meine Wange und war auch schon aus der Tür geeilt.

Mein Dad war ebenfalls schon weg und so brauchte Damien sich auch nicht länger in meinem Zimmer verstecken.

„Du kannst jetzt runter kommen!", rief ich ihm zu, vernahm aber kein Geräusch von ihm. Als auch Minuten später keine Antwort kam, ging ich verwundert hoch.

Ich fand Damien nach wie vor in meinem Zimmer, jetzt stand er aber vor meiner Kommode und schaute sich die Bilder darauf an. Und im Moment hielt er eins von Logan und mir, wo wir uns glücklich Arm in Arm angrinsten.

Ich nahm es ihm beschämt aus der Hand und legte es mit dem Gesicht nach unten auf die Kommode.

„Ich hätte es schon längst wegschmeißen sollen", nuschelte ich, bekam aber keine Reaktion von ihm. Ich griff ihn vorsichtig am Arm und sah wie seine Brust sich senkte, als er tief ausatmete.

„Es geht mir nicht darum, dass du Bilder von im hast. Auch wenn ich es nicht gerade toll finde. Ich bin einfach enttäuscht, kein einziges von mir zu sehen."

„Damien", fing ich an, wurde aber von seinem trägen Lächeln zum Schweigen gebracht.

„Du musst dich nicht rechtfertigen", sagte er, aber seine Stimme klang anders. Irgendwie hohl. Dennoch wollte ich es ihm erklären.

„Weißt du... Die Monate ohne dich" Das Schluchzen, die Tränen, der Schmerz... dieser unbändige Schmerz als hätte man mir das Herz rausgerissen, zerfetzt und dieses Loch in meiner Brust klaffend und blutend zurückgelassen, all die Erinnerungen kamen zurück. Ich atmete zittrig aus, um nicht wieder in diese Dunkelheit abzustürzen. „Es war schwer", beendete ich meinen Satz.

Als ob Damien meinen Schmerz sehen, ihn ebenfalls fühlen konnte, betrachtete er mich mit einem Blick voller Verständnis. Ich konnte seine eigenen Qualen über sein Gesicht huschen sehen, bevor er sie wieder hinter einer Mauer aus Stahl verbannte.

„Ich konnte nicht mein Leben weiter leben, wenn ich mich nicht endlich von dir löste. Und das war schwer, wenn ich dein Gesicht jeden Tag gesehen hätte." Ich nickte in Richtung der Kommode. „Also musste ich das alles loswerden."

Ich ignorierte den Fakt, dass ich nicht alles von ihm loswerden konnte. Wie zum Beispiel die wenigen Klamotten, die mir von ihm verblieben waren oder die unendlichen Erinnerungen, die mich all die Monate verfolgt und gequält hatten.

„Ich verstehe", sagte er bloß, die Traurigkeit wich dennoch nicht aus seinen Augen. Ohne nachzudenken, schloss ich meine Arme um ihn und zog ihn an mich ran. Die Wärme seiner Umarmung ließ mich erleichtert ausatmen. Ich konnte mich endlich von all diesen schlimmen Erinnerungen lösen, denn jetzt war er wieder da. Er war zurückgekommen.

Ich ließ mich weiter in die Umarmung sinken und vergaß alle Bedenken, die ich hatte. Ich brauchte ihn. Und er war da.

Er war zurückgekommen.

Endlich.

DamienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt