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„Hier ist es." Tyler hielt den Wagen an und zeigte durch die Windschutzscheibe auf ein heruntergekommenes Industriegebäude.

Lia war hinten bei mir geblieben und deshalb beugte wir uns beide nach vorne, um einen Blick auf das Gebäude zu erhaschen.

Das dunkle Backsteingebäude erhob sich in mitten einer maroden Landschaft, die grau und tot wirkte. Unzählige Graffiti prangten an der Außenfassade, von der das Putz bereits abbröckelte. Die Fenster waren alle vor Schmutz und Staub getrübt, sodass wir keinen Blick hinein erhaschen konnten. Das Gesamte Gelände, auf dem das Gebäude stand, war von einem hohen Maschendrahtzaun umgeben, an dem die verschiedensten Gefahrenschilder befestigt waren.

Nicht gerade einladend.

„Sieht verlassen aus", murmelte Lia leise neben mir.

„Wir müssen trotzdem vorsichtig sein", erwiderte Tyler und stieg als erster aus. Wir anderen drei folgten.

Langsam und so leise wie möglich näherten wir uns dem Zaun. Die Straße war mit Schlaglöchern übersät und das Pflaster rissig und von Unkraut überwuchert.

Ace war der erste, der am Zaun ankam. „Das Tor ist zu", sagte er und warf uns einen Blick über die Schulter zu. Das dicke Schloss und die Ketten, die das Tor geschlossen hielten, würden wir niemals aufbrechen können. Aber das mussten wir auch gar nicht.

Leise ging ich am Zaun entlang und hielt aufmerksam Ausschau. „Das Gebäude ist voller Graffiti, irgendwo muss es einen Loch im Zaun geben."

Die anderen beeilten sich mir zu folgen und ebenfalls nach einem Durchgang zu suchen. Es dauerte nicht lange, da fanden wir eine kaputte Stelle, die gerade so groß genug war, dass wir uns alle durchzwängen konnten.

„Okay, okay, okay." Lia klang nervös. „Und was jetzt?"

Ich blitzte sie voller Aufregung an. „Jetzt suchen wir uns einen Weg hinein."

Mein Herz schlug mir mittlerweile bis zum Hals. Das Adrenalin ließ mich unruhig werden und ich wollte einfach nur los rennen, schreien und irgendwie meine Energie entladen.

Fühlen sich so Fallschirmspringer?

Ein Sprung ins Unbekannte. Man begab sich in den freien Fall und konnte nie sicher sein, ob man auch heil wieder raus kam.

Denn genauso fühlte ich mich gerade. Ich hatte keine Ahnung, was uns drin erwarten würde. Aber ich wollte es mehr als alles andere herausfinden.

„Los, kommt schon", wisperte Tyler und eilte voraus, während wir ihm dicht auf den Fersen blieben.

Wir suchten die Außenwand nach alternativen Eingängen ab, denn wenn wir eins ganz sicher nicht taten, dann war es, diesen Ort durch den Haupteingang zu betreten.

Immerhin besaßen wir noch einen Selbsterhaltungstrieb, wenn auch nicht so stark ausgeprägt.

„Hier ist ein Seiteneingang", flüsterte Tyler uns zu und zeigte auf eine Tür weiter oben, von der eine lange Stahltreppe ausging.

Ace legte den Kopf schief. „Vermutlich ein Notausgang."

„In unserer Not aber auch ein Eingang", grinste Lia, die die Aufregung nun wohl auch gepackt zu haben schien.

Ich unterdrückte mein Kichern, warf ihr aber dennoch einen amüsierten Blick zu, bevor ich wieder ernst wurde und hinter Tyler die Treppe erklomm. Ace und Lia waren direkt hinter mir.

„Sei vorsichtig", flüsterte ich, als Tyler langsam die Tür aufzog. Zu unserem Glück quietschte sie nicht. Lautlos schlichen wir uns alle rein und für einen Augenblick war ich erstaunt.

DamienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt