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Die nächsten Tage schwänzte ich die Schule. Meine Eltern machten sich sorgen, aber ich schwindelte ihnen bloß eine kleine Erkältung vor, was dank Logan, sogar gar nicht mal so gelogen war. Nass und frierend in die Kälte zu gehen, war wohl nicht ganz so schlau. Aber das war nicht der Grund, weshalb ich die nächsten drei Tage Zuhause blieb.

Ich hatte seit Montag weder von meinen Freunden gehört, noch sie gesehenen. Nicht, dass ich ich bemühte das zu ändern.

Auch wenn ich mich schuldig fühlte, weil ich meine Freunde angeschnauzt hatte, konnte ich mich nicht dazu durchringen sie anzurufen.

Der Abstand hatte mir gut getan. Ich hatte in diesen drei Tagen genug Zeit gehabt, um mir über ein paar Dinge klar zu werden.

Ich wollte nichts mehr mit den Sánchez Brüdern zu tun haben. Und das hieß auch Damien vollkommen abzuschreiben. Ich wollte mich sicher fühlen und das konnte ich bei Damien nicht mehr.

Ich wollte, dass die Schule meine einzige Sorge war, dass ich sie schwänzte, weil ich für einen Test nicht gelernt hatte.

Ich wollte Liebeskummer haben, weil ein dummer Junge mich betrogen hatte.

Ich wollte die Nächte mit meinen Freunden verbringen, lachend und Spaß habend.

Ich wollte zu Wettkämpfen gehen und meinen Freund anfeuern.

Nicht um mein Leben bangen. Nicht ständig über meine Schulter gucken müssen, weil ich fürchtete, sie würden mich beobachten, sie würden mir folgen. Ich wollte nicht ständig Todesangst haben müssen. In Angst leben, dass ich eines Tages mit einer Kugel im Kopf enden würde.

Ich wollte mein Leben wieder in den Griff kriegen.

Auch wenn meine Freunde anderer Meinung waren, ich wusste, ich konnte Damien nicht retten. Ich war naiv gewesen. Und es zerbrach mir das Herz, dass ich ihn hängen lassen musste, aber was blieb mir anderes übrig? Sterben? Das wollte ich nicht.

Nicht, weil ich nicht für Damien sterben würde. Ich liebte diesen Mann, und wenn es ihn wirklich retten würde, dann würde ich es tun.

Aber es war das Ungewisse.

Würde mein Tod ihn retten?

Würde ich vielleicht einfach unnötig sterben?

Denn vermutlich würde es Letzteres sein.

Und ich wusste, dass mein Tod Damien zerstören würde, denn auch er liebte mich, das wusste ich mit so einer Sicherheit, wie ich wusste, Luft zum Atmen zu brauchen.

Ihn zu retten hieße mich in Gefahr zu begeben. In tödliche Gefahr. Und mit einer hohen Wahrscheinlichkeit würde ich für nichts sterben. Bloß, weil ich einen falschen Schritt gemacht hatte, weil ich gestolpert war und Aufmerksamkeit auf mich gezogen hatte. Und dann würde ich ohne Zweifel sterben. Und Damien hätte es rein gar nichts gebracht.

Außer, dass es ihn noch mehr zerstören würde.

Er hatte mir von Anfang an gesagt, ich solle mich da raus halten. Und jetzt glaubte ich, dass er es nicht nur meinetwegen gesagt hatte, sondern auch um seinetwillen. Solange ich in Sicherheit war, würde es ihm gut gehen.

Also würde ich auf ihn hören.

Ich würde mich von ihm Fernhalten und mein Leben weiter leben. Dann konnte er sein verkorkstes Leben leben und hätte eine Sorge weniger.

Unsere Liebe war von Anfang an verdammt gewesen.

Wir hatten uns gebraucht. Wie zwei Ertrinkende hatten wir uns aneinander festgekrallt. Aber anstatt uns gegenseitig zu retten, hatten wir uns gegenseitig in die Tiefe gezogen. Und der einzige Ausweg war sich voneinander zu lösen und das extra Gewicht abzuwerfen. Nur so konnten wir wieder auftauchen und die lebensspendende Luft wieder einatmen, verhindern, dass wir uns ein weiteres Mal in die Tiefe zerrten, wo es keine Luft zum atmen gab.

Nur so konnte ich wieder leben.

Und um den Anfang zu machen, entschloss ich morgen wieder zur Schule zu gehen.

DamienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt