Ich ließ mich sprachlos auf den kalten Betonboden fallen. Tyler und ich waren jetzt die einzigen in der Lagerhalle und so machte ich mir auch keine Sorgen, dass mich jemand hören konnte, als ich stammelnd versuchte meine Gedanken in Worte zu fassen.
„Ach. Du. Scheiße!", keuchte ich schließlich völlig überfordert in die leere Halle hinein. Ich konnte einfach nicht glauben, was da gerade eben passiert war.
Mein Gehirn versuchte noch immer alle Informationen zu verarbeiten, während mein Innerstes, mein mich beschützender defensiver Teil, mir weiß machen wollte, dass das alles nicht wirklich passiert war. Aber es war echt. Das alles hier war echt. Das wurde mir nur allzu deutlich bewusst, als ein weiterer ohrenbetäubender Schuss ertönte.
„Ich muss dich hier weg bringen", murmelte Tyler schließlich, als er seine Stimme wiederfand. „Wir müssen weg."
Seine Stimme war gefährlich dünn, aber immer noch kräftig genug, um die Dringlichkeit seiner Worte deutlich zu machen.
„Was meinst du mit weg?", fragte ich völlig entgeistert.
„Wir müssen nach Hause, Tessa!", brüllte er und zog mich wieder in Richtung des versteckten Ausgangs.
Aber ich riss mich von ihm los. „Wir können hier nicht weg. Wenn Damien nicht gewinnt, werden die ihn umbringen!"
Allein bei der Vorstellung durchlief mich ein Schauder. Aber Tyler schien andere Sorgen zu haben.
„Hast du nicht seine Knarre gesehen? Wenn die uns erwischen, werden wir umgebracht!" Seine Augen funkelten verzweifelt auf. „Wir müssen weg. Jetzt!"
Er packte mich wieder am Arm und zog mich zum Ausgang.
„Ich werde nicht gehen!", zischte ich wütend, aber er ignorierte meinen Protest.
„Wir rufen die Polizei! Mehr können wir nicht tun."
Ich sah ihn entgeistert an. „Wir können die Polizei nicht rufen!"
„Wir können und wir werden. Das ist das einzig Vernünftige!"
Ich schüttelte seinen Griff ab und blieb abrupt stehen. „Tyler, sie werden Damien auch festnehmen! Und uns wird man fragen, was wir hier zu suchen hatten! Mal ganz abgesehen davon, dass Fernando und Gabriel so böse sind, dass die ihre Leute anstiften würden uns umzubringen, wenn rauskäme, dass wir die Polizei alarmiert haben! Und außerdem würdest du damit deinen Vater in Gefahr bringen! Denkst du sie würden nicht auch auf Cops schießen?" Meine Verzweiflung ließ mich beinahe hyperventilieren.
Tyler schien mehr als nur überfordert und raufte sich unschlüssig die Haare. „Verdammte Scheiße!" Seine Stimme zitterte vor Frustration und unterdrückter Wut. „In was für 'ne Scheiße ist Damien da reingeraten!"
Ich schluckte und versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen, als Tyler mich plötzlich entschlossen wieder hinter sich her zog. „Schön, wir rufen die Polizei nicht, aber wir gehen trotzdem."
Ich wollte mich erst wehren, besann mich dann aber eines besseren. Hier drin konnte ich ihm sowieso nicht entkommen, da draußen aber schon.
Sobald mir die kühle Nachtluft entgegen peitschte und Tyler seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung richtete, entzog ich mich seinem Griff und bevor er mich ein weiteres Mal packen konnte, lief ich bereits mit aller mir verbleibenden Kraft in die riesige Menschenmasse hinein. Ich hörte Tyler hinter mir fluchen, bevor er mir hastig folgte.
Ich drängelte mich durch die Menschen in die vorderen Reihen und schluckte beklommen, als ich weitere Waffen an den Leuten erkannte. Manche trugen sie versteckt in ihren Jacken und sie blitzen ab und zu bei ihren Bewegungen auf und andere trugen sie offen in der Hand.
Ich strengte mich an, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen und versuchte mich in der Menge unauffällig zu verhalten. Auch wenn ich mich zwischen all den bewaffneten, eindeutig kriminellen Leuten nicht wohl fühlte, boten sie mir zumindest genügend Schutz. Denn durch die vielen Leute hindurch konnten mich weder Damien und Anthony, noch Fernando und Gabriel sehen.
Von meinem Platz aus hatte ich einen guten Blick auf die vier Autos, die vor der provisorisch aufgemalten Startlinie auf den Startschuss warteten. In allen Autos saß der Fahrer bereit hinterm Steuer. Bis auf das Letzte. Das war leer.
Ich war den vier Autos jetzt so nah, dass ich den grimmigen Blick des älteren Fahrers des ersten Sportwagens sehen konnte, nachdem er einen kurzen Blick in den Rückspiegel warf und wütend ausstieg. Ein blaues Auge, das mittlerweile mehr dunkellila als blau war, und ein Bluterguss am Kiefer zierten seine linke Gesichtshälfte.
Der bärtige, massige Mann entfernte sich einige Schritte von seinem gelben Audi R8 und fixierte wütend einen Punkt in der Menge. Und als ich seinem Blick folgte, blieb mir für einen Moment die Luft weg.
Die Menschenmasse spaltete sich, um niemand anderem als Damien Lawyer Platz zu machen, der zielstrebig auf den roten Lamborghini Aventador zu stapfte. Den letzten Wagen an der Startlinie.
„Hast du komplett den Verstand verloren?" Ich schreckte bei dem plötzlichen Griff um meine Schulter zusammen, als Tyler mich zu sich herumwirbelte und wütend anfunkelte. „Du kannst doch unmöglich so lebensmüde sein."
Ich wollte ihm schon entgegen schreien, dass ich nicht von hier weggehen würde, als auf einmal eine wütende Stimme den Lärm der Menge übertönte.
„Hat dir die Kostprobe nicht gereicht, Kleiner?", brüllte der bärtige Mann über den Platz hinweg, woraufhin alle Gespräche verstummten. Er hob seine geballten Fäuste bedrohlich und dabei wurden seine wunden Knöchel nur allzu sichtbar.
„Das Krankenhaus", hauchte ich ungläubig und sah zu Tyler, dessen Wut auf mich wie verflogen schien. „Er muss Damien so übel zugerichtet haben... Damit er heute nicht gegen ihn antritt."
Tyler nickte zustimmend.
„Das heißt, er hat eine Chance zu gewinnen." Ich sah ihn aus hoffnungsvollen Augen an. „Sonst hätte der andere ihn nicht als Bedrohung wahrgenommen." Bei dieser Erkenntnis konnte ich nicht verhindern, dass ein kleiner Hoffnungsschimmer sich in mir ausbreitete.
Der aber sofort wieder gedämpft wurde, als der bärtige Mann wieder das Wort ergriff.
„Ich werde dich zerquetschen wie ein kleines, mickriges Insekt unter meinem Schuh!", drohte er Damien und näherte sich ihm um einige Schritte mehr. Aber Damien schien er damit nicht einzuschüchtern. Ganz im Gegenteil. Er schien die Herausforderung sogar voller Vorfreude anzunehmen.
„Dafür musst du mich erst mal einholen, alter Mann." Damiens Stimme triefte vor Spott, als er mit einem herausfordernden Grinsen an dem bärtigen Mann vorbeirauschte und die Fahrertür seines Aventadors öffnete. Aber bevor er einstieg, drehte er sich noch kurz um, und ein amüsiertes Funkeln war in seinen Augen zu erkennen.
„Außerdem schlägst du wie ein Kleinkind."
Der bärtige Mann fluchte und wollte auf Damien losgehen, als eine weitere laute Stimme ertönte.
„Alle auf die Startposition!"
Mit einer letzten abfälligen Bemerkung drehte sich der Mann um und stapfte auf seinen Audi zu. Auch Damien war bereits eingestiegen und saß startbereit hinterm Steuer.
„Zwei Runden! Um den Wald, durch den Vorort und dann wieder hierhin. Wer zuerst die Ziellinie überquert, gewinnt!"
Die Menge jubelte aufgeregt, während kleine Tablets in die Menge gereicht wurden, um das ganze Rennen von hier aus mitzuverfolgen. Wir würden keine Sekunde verpassen.
„Macht euch bereit!"
Die Motoren heulten auf, bereit loszurasen. Die Fahrer umgriffen das Lenkrad fester. Jeder entschlossen das Rennen zu gewinnen. Ohne Rücksicht. Ohne Gnade. Das einzige worauf sie jetzt warteten war der Startschuss. Die Reifen drehten im Stand durch, als der Countdown startete.
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Der Schuss ertönte.
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Damien
Teen FictionZehn Monate war er weg ohne eine Nachricht. Tessa Jenkins hat sich nach Monaten des Kummers und Schmerzes damit abgefunden und beschlossen ihr Leben weiter zu leben. Dann taucht er aus dem Nichts wieder auf und lässt sie erneut starke Gefühlsausbrüc...