Thirty-One

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Nolan

Meine Augen wanderten von einem Punkt zum anderen und wieder zurück. Nicht, dass ich paranoid wurde, aber etwas sagte mir, dass ich lieber zweimal hinsehen sollte, weil mich meine Unachtsamkeit genau zu dieser Situation gebracht hatte. Angeline, sexuell belästigt von einem Typen, mit dem sie schon seit Jahren Geschäfte führte.

Meine Kehle wurde ganz eng und ich musst mich darum bemühen, ruhig weiterzuatmen, bevor ich vor Wut noch erstickte. Das alles bahnte sich weiß Gott wie lange schon an. Sicherlich war das nicht der erste Versuch von diesem Kent, sich an sie ranzumachen - oder der erste Kerl. Aber es war nun einmal in einem Zeitraum passiert, in dem ich an ihrem Leben teilgenommen hatte. Ich hätte es wissen müssen, ich hätte auf Anzeichen achten sollen, ich hätte Kent stoppen können, dann wäre das alles hier nicht passiert. Angeline wäre jetzt nicht traumatisiert und verängstigt und Kent wäre ... wen juckt's, was dieser Kerl macht, solange er seine restlichen Tage hinter Gittern verbrachte.

Aber ich hatte versagt, und das sogar ziemlich. Ich hatte als vermeintlicher Partner noch nicht einmal bemerkt, dass es bereits so schlimm war. Es war gerade nicht wichtig, dass diese Beziehung zwischen uns unecht war, doch Angeline war Teil meines Lebens. Anfangs ungewollt, doch mittlerweile irgendwie gewollt.

Das Bild von ihr, wie sie sich weinend an meine Brust schmiegte, zitternd vor Angst, tauchte vor meinem inneren Auge auf. Sofort schloss ich die Lider und drückte die Handballen in meine Augen, so als könnte ich diese Erinnerung aus meinem Gedächtnis physisch eliminieren. Das jagte mich jetzt schon die ganze Zeit. Ich konnte an nichts anderes mehr denken als an Angeline und ihre eingeschüchterte, völlig verängstigte Haltung.

Etwas in meiner Brust zog sich zusammen, und zwar so sehr, dass es mir die Luft zum Atmen abschnürte. Ich zwang meine Lungenflügel dazu, sich regelmäßig weiter zu öffnen und zu schließen. Mein Herzschlag konnte ich nur bedingt beruhigen, denn dafür waren die Erinnerungen zu einschneidend und der Hass viel zu groß.

Oh, und was für einen Hass ich gerade im Inneren empfand. Kent war ein toter Mann. Das einzige, was ihn davor bewahrte, dass ich ihn nicht schon längst den Kopf abgerissen hatte, war Angeline. Ich konnte und wollte sie nicht aus den Augen lassen. Nicht nachdem ich so unfassbar versagt hatte, sie enttäuscht hatte. Nicht nur Angeline, nicht nur mich, sondern auch meine Mutter.

Bevor sie verstarb und ich sie das letzte Mal im Krankenhaus gesehen hatte, gab ich ihr ein Versprechen. Ich solle jeden beschützen, der mir wichtig war. Ich sollte jeden in Sicherheit wissen, der mir auch nur etwas bedeutete. Und Angeline war einer der wenigen, die einen besonderen Platz in meinem Herzen hatte. Und obwohl sie so einen hohen Stellenwert hatte, konnte ich sie nicht vor Typen wie Kent schützen. Stattdessen musste sie das alles allein durchmachen, und zwar so lange bis sie daran zerbrach.

Ich drückte meine Hand in meine Brust, meine Finger versenkte in in meine Haut, genau da, wo mein Herz immer noch raste. Ich konnte nicht benennen, was ich gerade fühlte, doch es war schlimmer als alles, was ich je durchmachen musste. Lediglich der Tod meiner Mutter prägte mich tiefer, doch diese Situation kam ziemlich nah heran. Innerlich zitterte ich, die Last, mein Versagen, erdrückte mich beinahe.

Wenn meine Mutter mich jetzt sehen würde ... Sie wäre nicht wütend, nicht zornig, nein, sie wäre enttäuscht. Und das ist etwas, dass ich niemals in meinem Leben erfahren wollte. Ich hatte ihr Versprechen gebrochen und sie damit hintergangen. Ich hatte Angeline nicht beschützen können und sie damit einer Gefahr ausgesetzt, die ich eigentlich verhindert hätte könnten.

Meine Gewissensbissen schienen mich beinahe aufzufressen. Ich hatte bereits einen Fehler begannen, ich durfte es nicht wieder soweit kommen lassen, ich musste handeln. Und zwar jetzt.

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt