Fourty

885 28 4
                                    

Angeline

"Wo verdammt nochmal haben Sie Ihre Manieren gelernt?", schnauzte mein Vater seinen Gegenüber an. Seine Augenbrauen formten eine nach unten gebogene Linie, in seinen hellen Augen lag ein loderndes Feuer und - oh, wenn mein Vater sauer wurde, dann sollte man lieber Abstand halten. Als seine Tochter kannte ich ihn so gut, um zu wissen, dass ihn so leicht nichts wieder runterbringen konnte, dabei verhielt er sich wie ein kleines Kind. Im Ernst.

Henry öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch ich schüttelte stumm meinen Kopf, der ihm zeigte, dass er lieber still sein sollte. Er verstand sofort und drückte die Lippen wieder fest zusammen. Seine Miene war ruhiger, als ich gedacht hätte. Immerhin stand gerade Gregor Throne vor ihm, wütend und völlig außer Kontrolle.

"Nein, vielleicht sollte ich Sie eher fragen, wer zum Teufel Sie als persönlichen Chaffeur meiner Tochter vorgeschlagen hat, wenn Sie noch nicht einmal richtig fahren können", schlug er provokant vor und fletschte leicht die Zähne, während er seine eiskalten Augen über das Gesicht von Henry gleiten ließ.

Ein Muskel zuckte in seinem Gesicht, das er versuchte unter Kontrolle zu haben, und ganz ehrlich? Ich konnte nicht beeindruckter von Henry sein. Er fuhr mich jetzt schon mehrere Jahre von einem Ort zum anderen, aber eine wirkliche Freundschaft konnten wir nie aufbauen. Das lag vielleicht daran, dass wir uns nie länger als eine halbe Stunde in ein und demselben Platz, nämlich dem Wagen, aufhielten und nicht redeten. Um fair zu sein, wir hatten auch nie probiert, eine Bindung zueinander aufzubauen, einfach weil wir den Sinn darin nicht sahen. Henry war mein Fahrer und ich seine Kundin. Er tat seinen Job, und nichts weiter.

In den letzten zehn Minuten hatte ich allerdings mehr von meinem Chaffeur gelernt als in den Jahren, die ich ihn schon kannte. Henry hatte eine immense Selbstbeherrschung. Vielleicht könnte man das auch einfach auf seine Professionalität schieben, aber nach allem, was mein Vater ihm gerade vorgeworfen hatte, wäre selbst die ruhigste Person auf Erden vor Wut ausgebrochen. Henry hingegen tat rein gar nichts. Er sah meinen Vater nicht an, er sagte nichts, ich wusste noch nicht einmal, ob er noch atmete. Lediglich das regelmäßige Blinzeln seiner Augen verriet mir, dass er noch am Leben war.

"Daddy, beruhige dich", murmelte ich und seufzte leise auf. Ich schob mich in sein Sichtfeld, damit er Henry nicht mehr mit bösen Blicken strafen musste. "Wir werden einfach laufen."

Mein Vater blinzelte einmal, zweimal, dann runzelte er die Stirn und sah mich an als hätte ich gerade den Verstand verloren. "Laufen?", wiederholte er in einer Art als wäre das schlimmer als Krieg oder weltweite Hungersnot. Ich unterdrückte den Drang, meine Augen zu verdrehen, obwohl es vermutlich angebracht wäre. Weil ich meinen Vater allesdings nicht noch mehr verärgern wollte, hielt ich meinen Mund.

"Ja, laufen", erwiderte ich und deutete mit der Hand die Straße entlang. "Es ist nur ein Block, kein ganzer Marathon." Mein Vater hatte wirklich den Drang, alles zu überdramatisieren, wenn ihm etwas nicht passte. Ich meine, wir sprachen von ein paar Metern, die er zu absolvieren hatte. Henry hatte nämlich eine Straße zu früh abgebogen, fuhr dabei in ein Schlagloch und riss damit das hintere, linke Rad etwas an. Aus Sicherheitsgründen durfte er uns und sich selbst nicht auch nur einen Zentimeter bewegen. Wir hatten Glück, dass wir nicht durch halb New York reisen mussten, um an unser Ziel zu kommen.

Für andere war das also der reinste Kindergarten (mich mit eingeschlossen), für Gregor Throne hingegen schien es die größte Hürde in seinem Leben zu sein. Selbst der gescheiterte Warren-Deal und alles, was danach kam, war nichts dagegen. Es war absurd. Ich wusste nicht, ob es seine versnopte Art war oder einfach Arroganz - so oder so nervte es einfach nur.

Er schnaubte verächtlich uns fuhr sich mit der Hand über den Mund. "Du willst im allen Ernst, dass ich mit 500 Dollar Schuhen durch dieses Pisswetter laufe?" Er deutete mit dem Finger über seine Schulter auf Henry. "Die im Übrigen in Rechnung gestellt werden."

The Warren-Games | (Broken Billionaires, #2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt