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So kann er das aber doch nicht stehen lassen?!
"Robert, warte mal!" Christian sprang förmlich von der Couch hoch und auf den älteren zu. "Danke- Danke, dass du gerade da warst." flüsterte er fast unverständlich und warf sich unter Tränen in Roberts Arme. Er drückte sich so fest an den älteren, als wolle er ihn nie wieder loslassen, als würde Robert alles schlechte aus ihm rauslöschen.
"Ich bin immer für dich da, wenn du es willst" entgegnete er und umarmte Christian auch. Die wochenlange Funkstille war mit einem Mal gebrochen.

"Willst du heute Abend mit mir etwas essen gehen, hm?" hakte der ältere nach einiger Zeit nach. Christian presste nur seine Lippen zusammen und nickte, klar wollte er, auch wenn es ihm bestimmt nicht einfach fallen würde.

Der FDPler hatte die Restaurantauswahl getroffen, ein ganz nobler Schuppen, in dem alle Gäste unerkannt bleiben wollten und sich die beiden Politiker keine Sorgen darum machen mussten. Das Essen war wirklich hammergut gewesen, wie Robert mehrmals betont hatte. Selbst der teure Wein hatte ihm geschmeckt, auch wenn er sich den Namen niemals merken könnte, aber es war wohl Christians Lieblings-Wein. Und auch ihre Gespräche waren gut gewesen, im gedämpften Licht hatten sie sich einfach unbeschwert unterhalten können. Ohne auf die Arbeit oder ihr beiderseitiges Gefühlschaos zusprechen zu kommen, was den zwei Männern auch mal ganz gut tat.

"Danke, dass du mich hierzu überredet hast. Wirklich, das hab ich glaube ich echt mal gebraucht." lächelte Christian, als sie auf die spärlich beleuchtete Straße traten. Eine nicht ganz unmerkliche Kälte umhüllte sie, was nicht verwunderlich war, denn die Jahresuhr zeigte ja schon Mitte Dezember an.
"Christian, ich bin auch echt froh, dass du mitgekommen bist. Und danke dir natürlich, dass du mich eingeladen hast." entgegnete Robert, beim zweiten Satz wurde er immer verlegener. Der jüngere machte nur eine abwinkende Handbewegung.

Sie gingen ein paar Schritte in irgendeine Richtung und keiner wusste wohl so recht, was er sagen sollte.
"Ganz schön kalt, oder?" durchbrach Christian ein, zwei Momente später das Schweigen. Robert neben ihm nickte erstmal nur und zog sich seine Wollmütze noch weiter über die Ohren. "Mh, willst du vielleicht noch auf ein Bier mit zu mir kommen? Ich hab's ja nicht so weit von hier..." meinte er schließlich. Fast schon unwirklich kam ihm Christians wundervolles Grinsen in der Nachtluft hier vor, "Klar, gerne. Aber du kennst schon das Sprichwort: Bier auf Wein, das lass sein?"
Robert konnte nur lachend den Kopf schütteln, sowas konnte aber auch wirklich nur ein Christian Lindner sagen, ok vielleicht noch ein Kubicki aber das war's dann auch.
"Ich hab auch noch mehr Wein, daran soll's nicht scheitern." "Na wenn das so ist: nichts wie los!" lachte Christian und ging zügig voran.

"Soo, Bitteschön" Robert reichte seinem Gast ein volles Glas und lächelte ihn verträumt an. Christian stand neben einem der Bücherregale und bestaunte die vielen Exemplare, er strich mit einem Finger über die Buchrücken. Wieviele Geschichten all diese Wörter wohl erzählen konnten...?
"Hast du die alle gelesen?" wollte er wissen. Der ältere nickte: "Oder auch selbst geschrieben, heb mal kurz," er drückte dem Blonden auch noch sein Glas in die Hand und zog ein etwas älteres Buck mit ledernem Einband heraus. "Das hier zum Beispiel, das ist eins meiner allerersten. Da stehen Gedichte drin und immer mal wieder schreibe ich ein paar Gedanken rein." In der Erinnerung schwelgend strich er über den Buchrücken und ließ sich langsam nach hinten aufs Sofa sinken.
"Darf ich?" fragte Christian vorsichtig, irgendwie interessierte es ihn brennend, was Robert so aufschrieb, beziehungsweise aufgeschrieben hatte.

Die vorderen Seiten waren voll mit feinsäuberlich abgeschriebenen Versen von bekannten Dichtern, die Christian nur überflog, von Brentano bis Shakespeare war alles dabei.

Ich sing und kann nicht weinen
Und spinne so allein
Den Faden klar und rein
Solang der Mond wird scheinen.

Brentano

Er blätterte um:

Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl', ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht.

Shakespeare; Hamlet

Weiter hinten wurde es jedoch immer spannender, hier sah es so aus, als hätte Robert das wirklich selbst geschrieben. Die Zeilen waren in seiner krakeligen Handschrift verfasst und immer mal wieder wurde wohl etwas durchgestrichen oder noch ein neues Wort ergänzt.
Die Seite sah zwar sehr wirr aus, aber Christian versuchte dennoch etwas entziffern zu können.

SYLT. Die Vermählung des MessiasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt