43.

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Jackson

„Guten Morgen.", murmelte mir Jace zu. Seine Haare standen zu allen Seiten ab. Ich setzte mich neben ihn an den Küchentisch und zog eine Braue hoch. „Auch schlecht geschlafen?" Bevor ich jedoch eine Antwort von ihm bekam, betrat Harry die Küche. Überrascht schaute er uns an. „Warum seid ihr schon auf?", fragte er, sein Blick glitt zur Digitaluhr neben dem Kühlschrank. Die weißen Zahlen zeigten 5:55 Uhr. „Konnte nicht schlafen.", meinte ich, Jace nickte zustimmend. Harry lächelte sanft. „Kakao?" „Ja, bitte."
Nervös legte ich meine Hände im Schoß zusammen, während Harry uns eine heiße Tasse Kakao zubereitete. Die Spannungen in der Luft hatten sich mit der Umarmung gestern nicht aufgelöst. Ich fühlte mich unwohl in Harrys Nähe, wusste weder was ich tun noch was ich sagen sollte. Wie dachte er über mich nach dem, was ich getan hatte, was ich zu ihm gesagt hatte? War er wütend, enttäuscht? Wahrscheinlich beides. Er sah unglaublich müde aus, als er die Tassen vor uns auf den Tisch stellte. Mit einem leisen Seufzer nahm er ebenfalls Platz und nahm seine eigene Tasse in beide Hände. „Alles ok bei dir?", fragte ich vorsichtig. Eigentlich konnte ich mir die Frage selbst beantworten. Harry lächelte mich sanft an - wie er es schaffte, durchgehend zu lächeln, war mir ein Rätsel. „Hab nicht sonderlich viel geschlafen.", murmelte er leise. Mein Blick glitt zu meiner Tasse. Das hatte ich mir bereits gedacht. Unbehagen zog sich durch meine Glieder, ich kaute auf meiner Lippe herum. „B-bist du die ganze Zeit über bei ihm?", fragte ich, leise, fast schon ein bisschen in der Hoffnung, dass er es nicht hörte. Harrys Ausdruck eines aufgesetzten Lächelns verwandelte sich in etwas, das ich nicht wirklich deuten konnte. Von jetzt auf gleich wirkte er unglaublich traurig. Er nickte. „Die meiste Zeit.", antwortete er mir. „Es ist nicht einfach.", hängte er hinterher. Das brennende Gefühl in meinem Bauch kehrte zurück. Natürlich war es nicht einfach, war es von Anfang an nicht, ich war der Grund, weshalb es nicht einfach war. Verdammt!

Meine Hände zitterten leicht, als ich das Halsband des Jungen aus meiner Hosentasche zog. Vorsichtig platzierte ich es auf dem Tisch und schob es zu Harry hinüber. „Ich habe es repariert.", fügte ich leise hinzu. Mein Körper spannte sich an. Harry sammelte das schwarze Band auf und betrachtete es einen Moment. Überprüfend zog er leicht an den Seiten. „Danke." Er schenkte mir ein Lächeln, eines, bei dem ich mir sicher war, dass es echt war. „Er wird sich freuen, es heile zurück zu bekommen.", sagte er. Da fiel mir ein: „Hat er dir gesagt, warum er es nicht getragen hat, du weißt schon, in der Nacht.", umständlich verknoteten sich meine Finger im Henkel meiner Tasse. Harry schüttelte den Kopf. „Er redet nicht besonders viel. Hat er ja die ganze Zeit schon nicht. Aber, jetzt noch weniger." Ich wusste nicht wirklich, wie ich darauf antworten sollte. Ich nickte einfach leicht. „Sobald er aufwacht, werde ich Sky etwas zu essen bringen und danach wird Jessy die Bisswunde nähen. Bereite dich bitte darauf vor.", sagte Harry. Mehr als ein Nicken bekam ich als Antwort nicht zu Stande. Harry nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Tasche. „Ich geh dann mal wieder nach oben." „OK.", murmelte ich leise. Jace nickte. Harry stand auf, nahm seine Tasse in die Hand und war nur wenige Augenblicke später wieder verschwunden. Ich stütze meinen Kopf in den Händen ab. Fuck! „Hey! Ich warne dich. Du verzweifelst jetzt nicht!" Jaces Hand legte sich auf meinen Nacken. Er stand auf, zog mich gleichzeitig mit hoch. Er packte mich an den Schulter und schüttelte mich. Ich legte meine Hände auf seine Arme, veranlasste ihn zum stoppen. „Ich hab verstanden." Jace machte diesen Bist-du-dir-sicher? Blick. Ich rollte mit den Augen. „Wirklich, ich meins ernst. Ich, ich zieh mich jetzt erstmal um. Laufen wir gleich ne Runde?" Jace zog eine Augenbraue hoch, nickte aber. 
Ich stattete dem Badezimmer einen Besuch ab, versuchte dieses doofe Gefühl im Magen loszuwerden. Nachdem ich mich gewachsen hatte, war das miese Gefühl aber immer noch da. Jace wartete bereits an der Tür auf mich.

Wir zogen uns aus, unsere Körper wandelten sich. Das befreiende Gefühl, das meine Wolfsgestalt in mir hervorbrachte, floss durch meinen Körper. Der Wald war immer noch in ein sanftes weiß getaucht. Wir hatten schon Februar, bald würde es anfangen zu tauen. Ich freute mich schon auf den herrlichen Geruch des Frühlings, wenn alles wieder grün wurde. Auch wenn die schneebedeckten Zweige und Sträucher wie aus einem Traum aussahen, so brachten die kahlen Zweige irgendwann auch Unwohlsein in mir hervor. Jace und ich hatten keine genaue Route, die wir abliefen. Wir unterhielten uns auch nicht. Schweigend liefen wir nebeneinander her. Ich merkte, dass er mir ab und zu einen Blick zuwarf, doch ich ignorierte es. Wir hatten alles besprochen. Er kannte meinen Standpunkt der Dinge und konnte sich eine Meinung dazu bilden. Sein Vertrauen zurückzugewinnen, war die oberste Priorität, gleich nach dem Omega. Ich wusste nicht, wo diese plötzliche Nähe zu ihm herkam. War es das Gefährten Band? Auch wenn ich nicht die ganze Zeit an ihn dachte, so geisterte der Junge immer in meinem Hinterkopf rum. Ich musste nicht an ihn denken, aber ich war auch nicht in der Lage, ihn auch nur für einen Sekunde zu vergessen. Er war permanent ein Teil meines Gedankengangs. Es erschreckte mich, wie sehr ich mich nach dem Jungen sehnte. Noch vor einer Woche war es ein leichtes mich meinen Instinkten zu widersetzen und den Omega immer und immer wieder abzuweisen. Es hatte mir sogar Spaß gemacht, zu sehen,  wenn er das Gesicht verzog, die Tränen zurückhielt und so schnell wieder in den Keller flüchtete, um sich dort auszuheulen. Und jetzt, jetzt zog sich alles in mir zusammen, wenn ich sein verweintes Gesicht in meinem Kopf sah. Der Drang, ihn in die Arme zu nehmen, wurde immer stärker und es machte mich gerade zu fertig, ihn nun mehr als achtundvierzig Stunden nicht mehr gesehen zu haben. Dieses beschissene Gefühl in mir wuchs mit jedem Augenblick weiter an, drängte all den Hass und die Wut in den Hintergrund. Aber vollständig wegschieben konnten meine Instinkte die Gefühle nicht. Auch wenn es noch so klein war, blieb der bittere Beigeschmack. Immer wenn ich an ihn dachte, war da immer noch dieses Gefühl, ihn abstoßen zu müssen. Manchmal war es stark, dann wieder schwach. Es verwirrte mich. Es war, als würde mein Kopf ein Eigenleben entwickeln. Er sagt, ich solle den Omega in meine Halsbeuge pressen, ihn meinen Duft inhalieren lassen, um ihn zu beruhigen. Über seinen Kopf streicheln, süße Worte in sein Ohr flüstern, ihm all die Liebe geben, die er verdient. In meinem Bauch wurde es wärmer, allein die Vorstellung... Aber gleichzeitig waren da immer noch diese anderen Gefühle, die mir sagten, ich sollte ihn in ein Pheromon High schicken, ihn dominieren, zeigen wer das sagen hatte, auf ihn herab schauen, manipulieren, verletzten, leiden lassen, alles tun, damit er erfährt wo sein Platz ist.

I need your Love!! (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt