Date the boss - don't fall in love

1. Blind Dates und andere Katastrophen

Wir schreiben den 19.02.2023 und ich befinde mich bei Date Nummer Sechs diesen Monat und es wird wohl auch mein letztes sein, denn ich bin kurz davor mir einen Strick zu nehmen.

„Deine Augen sind so endlos wie das Universum und ich wüsste so gerne, welche Geheimnisse darin verborgen liegen."

Das ist der Spruch, den mir der Typ gegenüber gerade um die Ohren haut. Seine Worte verursachen bei mir einen Brechreiz und ich frage mich, wie verzweifelt ich sein muss, mich schon wieder auf ein Blind Date eingelassen zu haben.

Ja, blind wäre ich jetzt wirklich gerne, denn optisch ist er nicht gerade eine Augenweide. Das hätte mich vielleicht noch über die Worte, die seinen Mund verlassen, hinwegtäuschen können, aber so entwickelt sich dieses Date gerade zu einem kompletten Desaster. Am liebsten würde ich ihn jetzt einfach hier im Lokal sitzen lassen, mich auf die Toilette entschuldigen und dann durch den Hintereingang flüchten.

Jedoch bin ich ein höflicher Mensch, schließlich sieht man sich immer zweimal im Leben und so überlege ich fieberhaft, was ich auf seinen Spruch erwidern könnte. Ich schaue in seine braunen Augen, aber alles, was mir einfällt, ist „Matsche" und schon verlässt es meine Lippen.
„Bitte was?", fragt der blonde Typ mir gegenüber. „Ma-Machst du allen Männern so schöne Komplimente?"

Er lächelt mich an, aber dadurch wird sein Gesicht nicht unbedingt schöner. Dann wandert seine Hand über den Tisch und er legt sie auf meine. Wenn es gefunkt hätte, würde ich nun bestimmt etwas spüren, aber offensichtlich ist der Zünder kaputt.

„Nur bei solchen Granaten wie dir."

Au weia. Ich sehe vielleicht nicht schlecht aus, aber von einer Granate bin ich weit entfernt. Außerdem hasse ich dieses Wort. Okay, vielleicht bin ich dem Typen gegenüber auch einfach negativ eingestellt.

„Also ich weiß nicht, ich habe bei uns das total gute Gefühl...", sagt er und ich frage mich, ob er an einer Wahrnehmungsstörung leidet. „...mein Ex war ja total der Spinner. Der hat mir 'nen Anwalt mit einer Unterlassungsklage auf den Hals gehetzt, nur weil ich um unsere Liebe gekämpft habe. Kannst du dir das vorstellen?"

Das kann ich mir ziemlich gut vorstellen und langsam sollte ich zusehen, dass ich Land gewinne.
„Gott, es ist verrückt, aber ich glaube, ich liebe dich." Mein Mund öffnet sich und ich starre ihn schockiert an. Das kann doch unmöglich sein Ernst sein?

Im nächsten Moment spüre ich zwei Arme, die sich von hinten um meinen Oberkörper schlingen und ich rieche das Aftershave des Mannes, der nun direkt an mein Ohr spricht.
„Da bist du ja, mein Schatz."

Okay, anscheinend gibt es nur noch geisteskranke Typen auf diesen Planeten und ich sollte dringend über meine sexuelle Orientierung nachdenken.

Seine weichen Lippen drücken sich auf meine Haut unterhalb des Ohres und nun funkt es gewaltig, obwohl ich nicht mal einen Blick auf ihn erhaschen konnte. Alle Nackenhärchen stellen sich unverzüglich auf. Fuck! Warum muss er auch direkt meinen erogenen Punkt treffen?

„Wer ist denn dein neuer Freund?", fragt er und legt seine Hände auf meine Schultern.
„Das ist...ähm..."

Meine Güte, Chester krieg dich wieder ein!

„Ich bin Bryan!", sagt mein Gegenüber nun eine Oktave zu hoch und ich blicke in dessen entgeistertes Gesicht. Er schaut, als hätte man ihm den Hauptpreis vor der Nase weggeschnappt.

„Ist das hier etwa ein Date?", fragt der Typ hinter mir und ehe ich etwas erwidern kann, fängt er an zu schreien, dass wir spätestens jetzt die Aufmerksamkeit des ganzen Lokals haben.

„Du betrügst mich an unserem Hochzeitstag? Was bist du für ein riesengroßes Arschloch?"
Er tritt neben mich und ich schaue zu ihm auf. Seine braunen Augen erinnern mich nicht an Matsche, sondern  an in Flammen stehendes Holz. Generell würden mir eine Handvoll Komplimente zu seiner Augenfarbe einfallen.

Ich bin wie hypnotisiert von seinem Anblick und kann mich erst gar nicht losreißen, von dem definierten Oberkörper unter seinem weißen Hemd.

„Du bist verheiratet?", kommt es von Bryan, aber ich bin total überfahren von der Situation und weiß nicht, was ich tun soll.
„Du bist schlimmer als mein Ex", schreit er, nimmt seine Jacke und flüchtet, ohne zu bezahlen. Ich schaue ihm nach, wie er noch wild gestikuliert und einige nicht jugendfreie Schimpfwörter, die alle mir gelten, seinen Mund verlassen, bis schließlich die Eingangstür hinter ihm ins Schloss fällt und er mir einen letzten tödlichen Blick durch die Fensterfront zuwirft.

Lachend lässt sich mein Retter auf den leeren Platz mir gegenüber fallen und steckt sich eine der Kartoffelspalten von Bryans Teller in den Mund.

„Ja...ähm, danke, aber ich hätte das auch alleine geschafft", sage ich und ordere beim Kellner die Rechnung. „Ja, das habe ich gesehen. Ihr wart kurz davor, den Bund fürs Leben zu schließen und irgendwie glaube ich, dass das nicht so deine Vorstellung von diesem Date war."

Puh, was denkt der Typ sich? Nur weil wir für zwei Minuten verheiratet waren, meint er irgendetwas über mich zu wissen.

„Wie gesagt, danke", antworte ich, während ich die Rechnung beim Kellner begleiche.
„Du willst schon gehen?" Ich habe mich soeben vom Tisch erhoben und bin bereit zum Aufbruch. „Ja, mein Date ist vor wenigen Augenblicken zur Tür hinaus."

„Ich dachte, du schenkst mir ein wenig von deiner Zeit, immerhin habe ich dich gerettet."

Ich kenne solche Art von Typen. Unter ein wenig Zeit versteht er, eine Nummer auf der Toilette zu schieben. Ich habe kein Problem damit, Männer im Club aufzureißen. Schneller, unverbindlicher Sex ist leicht zu bekommen, aber ich will mehr. Ich will eine Beziehung. Ich will, dass der Andere am nächsten Morgen noch meinen Namen weiß. Ich will jemanden, den ich meinen Eltern vorstellen kann. Der mich zum Lächeln bringt und der mit mir weint und ja, der es mir gut besorgt.

Letzteres könnte dieser Typ zweifellos, doch wir sind offensichtlich auf der Suche nach zwei unterschiedlichen Dingen.
„Hey, du lässt mich jetzt hier einfach so sitzen?"

„So sieht es aus, Süßer."

Kopfschüttelnd, aber mit einem Lächeln auf den Lippen verlasse ich schließlich das Lokal.