13. Ziemlich hohe Ansprüche

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„Chester, ich bin beeindruckt. Du hast es ganz alleine geschafft, den Typen zu vergraulen", sagt der Schwarzhaarige, während er gut gelaunt seinen Schokoladenkuchen vertilgt, den er mit an meinen Tisch gebracht hat.

Offensichtlich ist er gekommen, um zu bleiben und mir richtig auf die Nerven zu gehen. „Mr. Brookman, was verschafft mir die Ehre?"

Eigentlich würde ich ihn lieber fragen, was die scheiße soll und warum er schon wieder hier ist. „Du sahst so traurig aus-" „Warum sind Sie hier?", formuliere ich meine Frage neu. „Das hier ist der beste Schokoladenkuchen der ganzen Stadt. Möchtest du probieren?"

Er hält mir ein Stück seines Kuchen hin, aber ich verdrehe nur die Augen. „Und es hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass ich hier bin?"

Ich verschränke meine Arme vor der Brust, um ihm zu zeigen, dass ich gar nicht begeistert von seinem Erscheinen bin.

„Mit dir und deinem Astralkörper meinst du?" Sein Lächeln ist entwaffnend. Die E-Mail hatte ich total vergessen oder besser gesagt verdrängt und nun schießt mir die Schamesröte ins Gesicht.

„Mr. Brookman, es tut mir leid-" „Ach Chester, wir wissen beide, dass es dir nicht leid tut", unterbricht er mich. „Sie haben mich beleidigt."

Während er den Kopf schüttelt fallen ihm seine schwarzen Haare in die Augen, die er anschließend mit einer Hand aus dem Gesicht streicht. Wieder muss ich an ihn am Strand denken, wie er sich das Wasser aus den Haaren schüttelt und den Parfümflakon in die Kamera hält. Verdammt Chester!

„Bist du noch anwesend?", fragt er und wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum. „Ich habe dir ein Kompliment gemacht." Ich schnaube verächtlich aus. „Und gesagt, dass ich es im Bett nicht bringen würde."

„Nein, ich sagte ich wäre enttäuscht, weil ich ziemlich hohe Ansprüche an mich aber auch an meinen Partner habe. Das ist mein persönliches Problem und nicht deins."

Während ich noch darüber nachdenken, ob dies nicht trotzdem eine Beleidigung ist, spricht er einfach weiter. „Aber du kannst mich gerne vom Gegenteil überzeugen. Ich würde diesen Fehler dann natürlich auch eingestehen."

Er schiebt sich das nächste Stück Kuchen in den Mund und lächelt mich mir verschlossnen Lippen an. Da fällt mir auf, was für eine Wohltat es ist, mit jemanden zu essen, der nicht laut kaut. Generell hat Mr. Brookman sehr gute Manieren.
Na ja sieht man mal von den ganzen sexuellen Anspielungen ab.

„Danke, ich verzichte auf diese Erfahrung, denn auch ich habe gewissen Ansprüche an meinen Partner."

„Die da wären?", hakt er nach. Eigentlich geht es ihn nichts an, aber just in diesem Moment kommt mir eine Idee. „Ich date niemals Arbeitskollegen. Aber wenn Sie mich feuern, stünde einer Verabredung nichts mehr im Wege." „Netter Versuch, Chester."

Frustriert über diese Abfuhr schaufle ich den Rest Apfelkuchen in mich rein und lege dabei vielleicht nicht so gute Tischmanieren wie Mr. Brookman an den Tag. Auch er isst nun schweigend seinen Kuchen, aber ich spüre seine Blicke auf mir, die mich so verunsichern, dass ich schließlich mein Handy vom Tisch beförderte.

Verdammt! Als ich es vom Boden auflese, muss ich erkennen, dass das Display gerissen ist.
Ist ja nicht so, als wäre mir das nicht erst vor knapp einem Monat passiert.

Vor mich hinfluchend lasse ich das demolierte Handy in meine Hosentasche verschwinde und bezahle dann meine Rechnung. Mr. Brookman sitzt quasi regungslos da, nur seine gehobenen Mundwinkel lassen erahnen, dass ihm meine Aktion mit dem Handy nicht verborgen geblieben ist und er sich anscheinend köstlich amüsiert.

„Und was macht man so nach einem misslungenen Date? Hast ja 'ne Menge Erfahrung damit."

„Ich gehe jetzt zum Frisör. Ich glaube ich brauche in so manchen Lebensbereichen eine Veränderung", sage ich wie ein trotziges Kleinkind. „Dann lass dir deine Haare ausdünnen", ruft er mir noch nach und ich bin nicht sicher, ob er nicht wieder nur seine Spielchen mit mit treibt. Wie war das mit der umgekehrten Psychologie?

Zwanzig Minuten später sitze ich beim Frisör und bin zum ersten Mal an diesem Tage richtig entspannt. Ich gehe gerne zum Frisör, wenn auch viel zu selten. Ich mag die leichten belanglosen Gespräche und ich liebe es neue Menschen kennenzulernen.

Okay, auf die drei Menschen, die ich heute und in der letzten Woche kennengelernt habe, hätte ich lieber verzichtet.

„So, was machen wir?", fragt mich der Typ hinter mir, nachdem er mir den Umhang um die Schultern gelegt hat. „Da muss auf alle Fälle was ab und einmal bitte kräftig ausdünnen."
Er fährt mit seinen Händen durch meinen Haare und streicht sie von rechts nach links. „Tut mir leid, dass kann ich nicht", sagt er schließlich.

„Oh, dann gehe ich zu einem deiner Kollegen." Wir schauen uns durch den Spiegel aus an. Er sieht gut aus. Ich schätze ihn auf Anfang zwanzig. Wahrscheinlich hat er gerade erst die Ausbildung beendet.

„Nein, ich weiß schon, wie das geht, aber ich bringe es nicht übers Herz. Du hast eine wahnsinns Haarstruktur. Deine Haare sind ein Traum. Könnte ich dich vielleicht einfach nur von einem neuen Haarschnitt überzeugen?"

Bei dem Blick, den er mir über den Spiegel zuwirft, kann ich nicht anders als seinem Vorschlag zuzustimmen. Während er mir die Haare schneidet und wir plaudern, stellt sich heraus, dass er nicht ganz so jung ich, wie von mir angekommen und, dass er noch gar nicht so lange in der Stadt ist. Ich gebe ihm ein paar Geheimtipps für Cafés und Clubs und er scheint sich aufrichtig zu freuen.

Natürlich gebe ich ihm ein großzügiges Trinkgeld und als ich mich schon zum Gehen umgewandt habe, kommt er um den Empfangstresen herum und drück mir einen Zettel in die Hand. „Ich weiß nicht... Vielleicht habe ich es falsch gedeutet, aber vielleicht hast du ja mal Lust mit mir einen trinken zu gehen", sagt er mit einem bezaubernden Lächeln.

Verdammt! Gerade jetzt, da ich beschlossen habe beim Suchen nach dem Mann fürs Leben eine Pause einzulegen. Ich betrachte den Zettel in meiner Hand, auf dem neben der Nummer auch sein Name steht.

„Ich werde darüber nachdenken, John", sage ich, hebe noch die Hand zum Gruß und lächele ihn durchs Schaufenster noch kurz zu. Mein Lächeln begleitet mich noch eine ganze Weile.

Ja, vielleicht sollte ich John, wirklich eine Chance geben irgendwann.

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt