19. Die totale Überwachung

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In meinem Büro reiße ich die Fenster auf. Ich brauche nach diesem Gespräch frische Luft. Am liebsten würde ich nun eine Runde spazieren gehen, um meine Gedanken zu ordnen, aber irgendwie glaube ich, dass das nicht gut ankäme.

Ich lasse die Unterhaltung mit Mr. Brookman noch einmal Revue passieren. Hat mir diese irgendwelche neuen Erkenntnisse geliefert? Er ist offensichtlich kein Beziehungsmensch, was mich nicht überrascht. Ich meine, der Typ, der es mit ihm auf Dauer aushält, muss ja komplett übergeschnappt sein.

Oder Frau? Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass er bisexuell ist. Gut, aber was kümmert mich sein Privatleben. Es gibt nichts, was mich weniger interessiert... glaube ich.

Dann ist da die Sache, dass er zwei Wochen vor meiner Bewerbung schon wusste, dass ich der Richtige für den Job bin. Wie konnte er wissen, dass ich mich bei ihm bewerbe? Wie konnte er vor meiner Bewerbung überhaupt wissen, wer ich bin? Es leben fast neun Millionen Menschen hier in Chicago.

Ich schüttele die Gedanken ab. Das ist nur wieder eins seiner Spielchen, um mich wahnsinnig zu machen.

Den Vormittag arbeite ich eng mit Mary zusammen. Ich kann sie gut leiden. Sie hat eine angenehme Persönlichkeit und scheint die einzige zu sein, die es wagt, Mr. Brookman Paroli zu bieten. Anscheinend trägt er es ihr nicht nach, so wie mir.

Vielleicht werden wir auch so ein Verhältnis haben, wenn ich ein paar Jahre für ihn arbeite. Ach, da war ja was. Meine Kündigung. Vielleicht sollte ich mir langsam Gedanken darüber machen, in welche Richtung ich mich, nach meinem dreimonatigen Ausflug hier, orientieren möchte.

Die Pause verbringe ich, wie verabredet, mit Chang. Wir treffen uns an einem mobilen Hotdog-Stand. Das Essen geht natürlich auf mich. „Wie lange arbeitest du schon für Mr. Brookman?", frage ich ihn, während wir mit den Hotdogs in der einen und jeweils einem Getränk in der anderen Hand einen Spaziergang durch die Häuserschluchten von Chicago machen.

„Mhm, so zwei Jahre. Er hat mich abgeworben." Ich schnaube und verliere dabei eine Gurke des Hotdogs, welche auf den Gehweg fällt. „War klar." „Warum sagst du das so komisch? Ist doch nicht unüblich. Okay, in meiner Branche vielleicht, aber der Job ist das Beste, was mir passieren konnte."

„Ich hatte nicht den Eindruck, als hättest du Mr. Brookman gerne als Chef. Was ist mit ,Mr. Brookman bringt mich um'?", erinnere ich ihn. „Natürlich will ich ihn nicht verärgern. Ich liebe meinen Job und will ihn gerne behalten. Dein Vertrag hatte an diesem Tag oberste Priorität."

„Er konnte gar nicht wissen, dass ich ihn unterschreibe. Vielleicht hättest du dort umsonst gewartet."

Er lacht und steckt sich das letzte Stück Hotdog in den Mund. „Du kennst Mr. Brookman schlecht. Er bekommt immer, was er will. Wenn nicht an diesem Tag, dann an dem danach. Glaub mir."

„Und es gab nie eine Situation, in der du am liebsten gekündigt hättest?" Er schüttelt den Kopf.

„Ich meine, wir sind alle krankenversichert, werden gut bezahlt und haben 35 Tage Urlaub. Die zwei Tage, die ich nach meinem Unfall zuhause geblieben bin, weil die Personalabteilung darauf bestanden hat, mal nicht eingerechnet. Und von meinem Unfall konnte zu dem Zeitpunkt nur Mr. Brookman wissen."

„Ja, ich habe ihm davon erzählt." Wir sind inzwischen wieder vor dem Bürogebäude angekommen. „Er hätte es auch so erfahren. Er trackt meine Bewegungsdaten."

„Bitte was?"

Chang zieht nur die Schultern hoch. „Und das ist für dich okay?"
„Er macht es ja nur während der Arbeitszeit. Für mich kein Problem. Ich habe keine Geheimnisse."

Immer noch schockiert verabschiede ich mich von Chang und wir beschließen, nun öfters unsere Mittagspause gemeinsam zu verbringen. Als ich in mein Büro komme, steht auf dem Tisch eine Flasche Champagner. Aber nicht irgendeine. Sie ist komplett golden eingehüllt und die Vorderseite ziert ein Pik mit einem großen A. Ich kenne die Marke nicht und deshalb schmeiße ich die Suchmaschine auf meinem Handy an.

Heilige Scheiße, diese Flasche kostet über 800 Dollar.

Während ich noch wie hypnotisiert die teure Flasche Champagner in meiner Hand anstarre, betritt Mr. Brookman in meinem Rücken das Büro. „Ah, da bist du ja wieder. Wir haben was zu feiern", sagt er und ein Blick in sein Gesicht verrät mir, dass er wirklich glücklich zu sein scheint. Er nimmt die Flasche aus meiner Hand und reißt die Folie oben am Korken ein. „Halt, wissen Sie wie teuer diese Flasche ist?"

„Natürlich, ich habe sie schließlich bezahlt." Sekunden später knallt auch schon der Korken aus der Flasche und er schenkt einen Schluck in die zwei Gläser auf meinem Schreibtisch ein. „Doch für den ersten Auftrag, den du an Land gezogen hast... mit mir zusammen, ist das, denke ich, vollkommen angemessen."

Er reicht mir ein Glas und stößt es dann mit seinem an. „Sie meinen, Owen hat unterschrieben?"
„Ja, der Vertrag liegt auf meinem Tisch."
„Oh mein Gott."

Ich fühle mich wunderbar in diesem Moment und lasse mich dazu hinreisen meine Arme um Mr. Brookmans Körper zu legen. „Entschuldigen Sie, das war unangemessen." Er antworte nicht, sondern lächelt nur mit dem Glas an den Lippen.

„Ich würde sagen, dass mit dem Geld dein Arbeitsplatz für die nächsten Jahre gesichert wäre. Wenn du nur wollen würdest."

„Da müssen Sie mir schon mehr bieten, als eine Flasche Champagner und ich rede hier nicht über Geld."

Das leere Glas in seiner Hand findet seinen Weg zurück auf meinem Schreibtisch und er lässt sein Jacket von den Schultern rutschen.
„Ich gehöre ganz dir."

Es gab eine Zeit, da hätte ich bei so einem Angebot von einem Mann wie Mr. Brookman niemals abgelehnt. Aber erstens ist er mein Boss und zweitens kann ich ihn nicht leiden. Nicht so sehr, dass ich Punkt eins vergessen könnte.

„Wie war eigentlich deine Pause mit Chang?", fragt er, als er uns nachschenkt. „Woher-? Ach, Sie überwachen ja seine Bewegungsdaten... Aber Moment. Woher wissen Sie, dass ich bei ihm war?"

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt