6. Zurück in der Kanzlei

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Endlich bin ich raus aus sein Büro und allein. Doch ich werde zu ihm zurückkehren. Wenn ich seinen Worten glauben schenken darf, schon morgen.

Verflucht, wo bin ich da nur reingeraten? Und was meint er mit: Die Frage wäre, wer ich bin? Ich weiß genau, wer ich bin. Im Moment bin ich einfach nur ziemlich sauer und wütend auf mich selbst.

Bei den Typen, die ich date, springen mich die Fehler gleich immer an. Aber bei dem Job habe ich keine Sekunde an den Haken an der Sache gedacht, obwohl ich bereits das Vergnügen mit Mr. Adrian Brookman hatte.

Als ich aus dem Fahrstuhl trete, laufe ich fast in den Typen vom Lieferdienst und im ersten Moment tut es mir leid, dass Mr. Brookman nun alleine speisen muss, bis mir wieder einfällt, wie er mich behandelt hat.

Vor dem Gebäude fülle ich meine Lungen mit frischer Luft. Ich bin erleichtert, die Firma und dessen exzentrischen Inhaber hinter mir gelassen zu haben und doch werde ich das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden.

Hat er toll hinbekommen, mein neuer Boss. Jetzt werde ich wahrscheinlich zuhause die Wohnung nach Wanzen absuchen.

Ich werfe einen Blick auf mein Handy und verdrehe die Augen. Fünfzehn Nachrichten von Rachel, aber darum kümmere ich mich später. Erst muss ich Chang anrufen und ihn fragen, wie es ihm geht. „Hey, hier ist Chester, der Typ mit dem Umschlag", sage ich, als er das Telefonat entgegengenommen hat. „Hey Chester, ich weiß, wer du bist."

„Wie geht es dir?" Langsam gehe ich Richtung U-Bahnstation.

„Ganz gut, aber die wollen mich eine Nacht hier behalten. Hast du den Brief zugestellt?", fragt er besorgt.
„Ja klar, alles geregelt. Sag mal, kann ich dich die Tage auf 'nen Kaffee einladen, als Entschädigung?"
„Ach, alles gut. Ist doch nicht deine Schuld gewesen."
„Na ja, irgendwie schon. Also, was sagst du?"
„Gut, wenn du darauf bestehst. Bis die Tage. Ich melde mich, wenn ich draußen bin."
„Gute Besserung."

Die Sache ist schon mal relativ glimpflich ausgegangen. Ich bin wirklich erleichtert, dass es Chang einigermaßen gut geht und er mir erlaubt, mein Gewissen mit einem Kaffee zu erleichtern.

Zuhause treffe ich die aufgewühlte Rachel an. „Na endlich, ich habe mir Sorgen gemacht! Warum meldest du dich nicht und warum bist du voller Blut?", kreischt sie, als ich zur Tür reinkomme.

Ich bin tatsächlich so in Gedanken vertieft gewesen, dass ich ihr gar nicht geantwortet habe, was eigentlich gar nicht meine Art ist. „Tut mir leid, Süße. Das ist nicht mein Blut, sondern Changs", erkläre ich ihr, während ich das T-Shirt über den Kopf ziehe. Ich betrachte kurz meinen Oberkörper im Spiegel und bekomme Rachels irritierten Gesichtsausdruck nur am Rande mit. „Chang? Wer, zum Henker, ist Chang?"

„Zu mir oder zu dir?", frage ich sie und ziehe sie dann in mein Schlafzimmer, wo ich mir ein frisches T-Shirt aus dem Schrank nehme und mich anschließend zu ihr aufs Bett fallen lasse. Dann erzähle ich ihr die ganze Geschichte von vorne bis hinten. „Ich bin sowas von am Arsch", schließe ich ernüchternd.

Ich liege inzwischen auf dem Rücken und mein Kopf hängt vom Bett. Rachel sitzt derweilen am Kopfende und hat ihre Beine an den Körper herangezogen, in der Hand hält sie ein halb volles Weinglas. „Und wenn du einen unserer Spitzenanwälte bittest, zu gucken, ob er dich aus dem Vertrag herausbekommt?"

„Ähm...", sage ich und richte mich auf, was definitiv ein Fehler, ist, denn nun dreht sich alles. „Und was sage ich da? Ich hatte keinen Bock mehr auf ihren Scheißladen, nur bin ich jetzt wohl an ein noch größeres Arschloch geraten. Können Sie vielleicht einen Blick auf den Vertrag werfen?" Rachel rollt mit den Augen. „Ganz so drastisch würde ich es vielleicht nicht ausdrücken, aber das ist Gott sei Dank nicht mein Problem."

Sie stellt ihr Glas auf den Nachttisch und kuschelt sich in meine Decke. Ich lege mich neben sie, aber im Gegensatz zu ihr, liege ich noch lange wach.

Erst ist ihr Schnarchen noch ganz leise, doch dann kann ich es irgendwann nicht mehr ignorieren. Rachel schnarcht immer, wenn sie Rotwein getrunken hat und so trage ich sie irgendwann rüber in ihr Bett.

Ich betrachte noch eine Weile meine schlafende Freundin. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie bald ihren Traumprinzen findet, denn abgesehen davon, dass sie schnarcht und Schmatzgeräusche macht, ist sie echt toll.

Am nächsten Morgen wache ich gerädert auf. Leider konnte ich keinen Blick auf den Schulbus, der mich heute Nacht wohl überrollt hat, werfen. Rachel ist eine Frühaufsteherin. Sie sitzt bereits, die schwarzen Haare in einen perfekten Dutt gedreht, da und trinkt einen Kaffee.

Kommentarlos schiebt sie mir den Kaffeebecher rüber, den ich auf dem Weg ins Bad leere. Viel Zeit bleibt nicht mehr, also muss eine Katzenwäsche reichen. Meine Haare sind sowieso eine Vollkatastrophe, also fahre ich nur mit den Händen hindurch. Ich sollte sie wirklich bei Zeiten ausdünnen lassen. In meinem Zimmer schmeiße ich mich in einem Anzug und nehme dann nur noch meine Tasche entgegen, die mir Rachel hinhält. „Guten Morgen", sagt sie mit einem perfekten Lächeln. „Morgen", knurre ich nur zurück.

Auf dem Weg in die Kanzlei überlege ich noch, ob ich jemanden auf der Arbeit bitten soll, mir zu helfen. Ich kann um Hilfe bitten, das ist nicht mein Problem, aber nun befinde ich mich in einer verzwickten Situation.

Aber ich scheiße jetzt auf meinen Stolz und bevor ich meine Arbeit antrete, mache ich mich auf den Weg zu dem Büro von einem der Juniorpartner. „Chester, was machst du hier auf dem Gang?", fragt mich unsere Bürovorsteherin. „Ich muss eben noch etwas Privates klären."

„Das denke ich nicht. Mr. Barton erwartet dich in seinem Büro." „Der Seniorchef Mr. Barton?", frage ich entsetzt. „Nein, der Facilitymanager. Natürlich der Seniorpartner und jetzt schwing deinen Arsch da hoch. Er ist ziemlich erbost."

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt