46. Rachels kleines Geheimnis

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Die Erkenntnis, dass Adrians Mutter ihn wissentlich bei seinem Vater zurückgelassen hatte, wog schwer in den kommenden Wochen. Sie belastete Adrian und seine Beziehung zu Rachel. Nicht aber unsere Ehe. Sie brachte uns noch enger zusammen.

Als Adrian zwei Jahre alt war, hatte seine Mutter eine Affäre mit einem der Chauffeure der Familie. Aus dieser Liebschaft entstand Rachel. Als seine Mutter von der Schwangerschaft erfuhr, war es für eine Abteilung bereits zu spät und da sich Walter Brookman zur Zeit der Zeugung auf einer mehrwöchigen Reise befunden hatte, brauchte er nur eins und eins zusammenzählen. Die Brookmans vertuschten die Affäre und so stellte niemand in Frage, dass Rachel nicht Mr. Brookmans leibliche Tochter war. Aber der Familienvater ließ Adrians Mutter und auch Rachel jeden Tag spüren, was er von ihnen hielt. Ein Laster, was ihm auferlegt wurde und von dem er sich nicht befreien konnte. Nur Adrian war sein ganzer Stolz.

So schmiedete Adrians Mutter den Plan, den sie schließlich in Alicante durchführte. Sie hatte monatelang Geld beiseite geschafft und mit zweifelhaften Personen in Spanien Kontakt aufgenommen, die gefälschte Pässe organisieren, zwei Kinder- und eine Frauenleiche im Haus deponieren und die schließlich den Brand legen würden. An dem Abend, an dem sie ihren Plan durchführen wollte, war Mr. Brookman zu einer Veranstaltung eines alten Bekannten geladen. Nur hatte dieser kurzfristig beschlossen, Adrian als Spielgefährten für dessen Sohn mitzunehmen.

Seine Mutter hatte daraufhin eine unmögliche Entscheidung getroffen. Um ihrer Tochter ein gutes Leben zu ermöglichen, ließ sie Adrian zurück. Sie wusste, dass dieser ein gutes Leben bei dessen Vater haben würde und zog somit den Plan ohne Adrian durch.

Als sie von Walter Brookmans Tod erfuhr, wollte sie Adrian und Rachel einweihen, doch sie fürchtete sich so sehr davor, dass ihre Kindern ihr nie verzeihen würden und beschloss daraufhin, weiter zu schweigen. Doch als sie schließlich dem Tod ins Auge blickte und erkannte, dass Rachel ihr lebenslang alleine sein würde, ohne Familie, schrieb sie die beiden Briefe, um reinen Tisch zumachen und ihre Lebenslüge zu offenbaren.

Adrian gab Rachel die Schuld daran, dass seine Mutter ihn verlassen hatte. Wir wussten, dass er Zeit brauchte mit der Wahrheit zu leben. Aber ich wusste, dass er seinen Gräuel überwinden und seine Schwester wieder in die Arme schließen würde. Und so kam es dann auch. 

Laut lasse ich die Tür ins Schloss fallen, um den Schein zu wahren, dass ich gerade erst nachhause gekommen bin. „Ich bin wieder da", rufe ich Richtung Schlafzimmer, in dessen Tür sofort mein Ehemann erscheint. „Na endlich", sagt er und schlingt seine Arme um mich, um mich in einen innigen Kuss zuziehen. Die Krawatte baumelt immer noch ungebunden um seinen Hals. „So förmlich heute zu dem Treffen?", frage ich scheinheilig, während ich meine Tasche im Schlafzimmer abstelle. „Meinetwegen können wir uns dieses Treffen sparen. Aber es scheint ja was Wichtiges zu sein, was Rachel und dieser..." „Samuel ist sein Name", beende ich seinen Satz, bevor er etwas sagt, was ihm später leid tut. Obwohl, Adrian tun sehr wenige Dinge leid. Er steht in der Regel zu seinen Worten. Er war noch nie ein großer Fan von Samuel. Schließlich ist er Mr. Bartons Neffe und die beiden Familien tragen schon lange eine Fede aus. Außerdem hat es Samuel gewagt, jemanden rechtlich zu vertreten, der jemanden im großen Stil im Internet fertig gemacht hat. Unverzeihlich für Adrian.

„Du solltest dich besser an seinen Namen gewöhnen", sage ich und schlage mir die Hand vor den Mund. Ich und meine große Klappe. Da hätte ich fast die ganze Überraschung ausgeplaudert. „Nein, Chester", sagt der Schwarzhaarige schockiert und kommt auf mich zu. „Sie hat dich eingeweiht. Du musst es mir sagen." Ich schüttele breit grinsend den Kopf, doch schon drückt er mich aufs Bett und fixiert meine Hände mit seinen neben meinem Kopf. „Komm, Chester, raus mit der Sprache." „Ich habe versprochen nichts zu sagen."

Ich schnappe nach Luft während er mich auskitzelt und sein ganzes Gewicht auf meinem Körper ruht. Dabei reibt sein Unterleib immer wieder über meinen. Gleich werde ich willenlos sein und alle Geheimnisse werden meine Lippen verlassen. „Bitte, Adrian, zwing mich nicht dazu", stöhne ich an sein Ohr. „Ich werde dich zu was ganz anderem bringen." Ich kann gar nicht so schnell gucken, wie er sein Hemd über den Kopf gezogen hat. „Wir werden zu spät kommen", merke ich noch an, als er mir mit einem Ruck beide Hosen gleichzeitig von den Beinen zieht. „Ich werde bestimmt nicht zu spät kommen. Und du auch nicht."

Natürlich hat er mich doch noch gezwungen, mein Wissen mit ihm zu teilen und so faselte ich irgendwas von neuer Wohnung, bevor er mich endlich erlöste. Die Art und Weise, wie er mir nun Informationen entlockt, ist mir bei weitem lieber, als die Überwachung meines Handys. Nun sitzen wir in einem schicken Restaurant und meine Wangen fühlen sich an, als würden sie immer noch glühen. Uns gegenüber sitzen Rachel und Samuel, die gefühlt immer noch so verliebt sind wie am ersten Tag. Ich bin nicht verliebt wie am ersten Tag. Vielleicht war ich das auch nicht. Vielleicht fühlte ich mich nur unglaublich hingezogen zu Adrian, doch nun, wo ich ihn richtig kenne, mit all seinen Ecken und Kanten, und auch er einen richtigen Eindruck davon bekommen hat, wer ich wirklich bin, liebe ich ihn von ganzem Herzen. Hätte ich ihn nicht schon geheiratet, dann würde ich es auf der Stelle tun. Adrian liest mir jeden Wunsch von den Augen ab, räumt hinter mir her und erträgt so manche Marotte. Ich zeige hingegen Geduld, wenn es ihm mal wieder schwer fällt sich zu öffnen, oder er mit dem Kopf durch die Wand will.

Der Kellner hat soeben die Vorspeise abgeräumt und ich gerade so ein Streitgespräch zwischen Samuel und Adrian über Politik verhindert. Rachel rutscht nervös auf ihrem Stuhl hin und her und die Stimmung am Tisch ist kaum auszuhalten. „Also, ihr fragt euch bestimmt, warum wir euch heute zum Abendessen eingeladen haben...", bricht Rachel endlich das Schweigen. Ich weiß es allerdings nur zu gut, denn vor zwei Wochen hat mich Rachel unter Tränen angerufen und mir erzählt, dass Samuel um ihre Hand angehalten hat und dass sie in naher Zukunft umziehen werden. Ziemlich überstürzt nach acht Monaten Beziehung, aber wer im Glashaus sitzt, sollte vielleicht nicht mit Steinen werfen.

Adrian neben mir ist ziemlich entspannt, auf alle Fälle ist es seine Hand, die auf meinem Oberschenkel ruht. Noch geht er ja auch davon aus, dass es sich nur um den Umzug in eine andere Wohnung handelt. „... Samuel und ich werden heiraten", quietscht Rachel. Ich sauge die Luft scharf ein, als sich Adrians Fingernägel in meinen Oberschenkel graben. „Bitte was? Ich dachte, ihr zieht um!", platzt es aus ihm heraus und ich ernte von Adrian und Rachel einen vorwurfsvollen Blick. Meine letzte Rettung ist Samuel, aber dieser lacht nur hinter vorhaltender Hand. „Ja, das tun wir auch, denn wir brauchen in Zukunft mehr Platz. Ich bin schwanger."

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt