15. Wer hat hier die Hosen an?

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Den ersten Arbeitstag in dieser Woche habe ich mehr oder weniger gut überstanden. Das hatte bestimmt auch etwas damit zu tun, dass Mr. Brookman sehr beschäftigt war und er mich den größten Teil des Tages in Ruhe gelassen hatte.

Meine Mittagspause hatte ich mit Luis in der Cafeteria verbracht und erst hatte ich noch darüber nachgedacht, ihn über Mr. Brookman und seine Familiengeschichte auszuquetschen, aber dann entschieden, dass es nicht von Belang war.

Schließlich war das hier nur eine kurze Episode, eine Zwischenstation, bevor ich beruflich richtig durchstarten würde.

Gegen Abend hatte sich noch Chang gemeldet. Er arbeitete wieder und so verabredeten wir uns für den Mittwoch in der Mittagspause.

Mr. Brookman hat mich gebeten, mich für den Termin mit Owen McNeal extra schick zu machen. Leider kann ich dieser Bitte mal wieder nicht nachkommen und ich bin ziemlich sicher, dass es sich diesmal nicht um umkehrte Psychologie handelt.

Um 8:30 Uhr klingelt das Telefon in meinem Büro. „Du bist da?", fragt er, nachdem ich das Telefonat entgegengenommen habe und ich bin mir ziemlich sicher, dass dies eine rhetorische Frage ist. „Offensichtlich."

„Und warum, um alles in der Welt, bekomme ich dann kein ,Guten Morgen'?" „Ihre Bürotür war zu und Sie möchten doch nicht vor neun Uhr gestört werden."

„Das gilt doch nicht für dich, Chester. Ich erwarte dich in meinem Büro."

Das ist wirklich bedauerlich, denn auch ich werde vor neun Uhr nicht gerne gestört.

Bei meinem Anblick entgleisen Mr. Brookman die Gesichtszüge. Er versucht es nicht einmal zu verbergen. Entnervt massiert er seine Nasenwurzel. „Was hast du da an?"

Ich blicke an mir herab. Ich mag mein Outfit. Einen blauen Anzug, weißes T-Shirt und ebenfalls weiße Sneaker. „Ich hoffe Hemd und Krawatte befinden sich in deinem Büro."

„Nein, tun sie nicht und ich hoffe, Sie legen ihre Krawatte auch noch ab." Seine Faust, die auf dem mahagonibraunen Schreibtisch kracht, lässt mich zusammenzucken. „Warum kannst du nicht einmal tun, was ich dir sage?"

„Wo bliebe da der ganze Spaß?", frage ich mit einem Grinsen.

Er greift nach der Aktentasche, die achtlos auf einem Sessel in der Ecke gelegen hat und im nächsten Moment fliegt etwas Schwarz-silbernes mit einem Klimpern auf mich zu. Etwas, das sich als Autoschlüssel entpuppt, als ich es mit beiden Händen auffange. „Kannst du Auto fahren?"

„Ich habe einen Führerschein."

„Das muss reichen. Wäre ja noch schöner, wenn ich meinen Assistenten durch die Gegend fahren müsste."

Wir begeben uns in die Tiefgarage und ich staune nicht schlecht, als wir vor dem schwarzen Bentley stehen bleiben. Die Kosten bei der Anschaffung haben sich bestimmt auf das Doppelte meines Jahreseinkommens belaufen, wenn nicht das Dreifache.

Nun ist mir gar nicht mehr so wohl dabei, das Auto zu lenken. Das letzte Mal, dass ich Auto gefahren bin, liegt schon eine ganze Weile zurück. Während ich also auf dem Fahrersitz Platz nehme, setzt sich Mr. Brookman hinter den Beifahrersitz auf die Rückbank, damit auch nicht der geringeres Zweifel daran besteht, wer hier die Hosen anhat.

Ich stecke den Schlüssel in das Zündschloss, dann schaue ich runter zu den Pedalen. Wie war das nochmal? Rechts ist das Gas, da bin ich mir ziemlich sicher. Aber wo war nochmal die Kupplung?

„Wird das heute noch was?", knurrt Mr. Brookman von der Rückbank. Unsere Blicke treffen sich im Rückspiegel und er sieht mich fragend an.

Na ja, wie sagt man so schön? Autofahren ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nicht. Wie sich herausstellt, ist links die Kupplung und in der Mitte die Bremse, warum sich das Auto aber nicht Bewegung setzt, ist mir schleierhaft und so langsam werde ich etwas nervös.

„Probiere es mal mit der Handbremse", höre ich von hinten. Oh stimmt, da war ja was. Als ich diese allerdings löse, macht das Auto einen Satz nach vorne und dann würge ich es auch noch ab.

„Entschuldigung", sagte ich und sehe nur, wie Mr. Brookman sich eine Haarsträhne wieder hinters Ohr streicht und nun den Sicherheitsgurt anlegt. Zweimal würge ich den Wagen noch ab, bis ich es schaffe, die Tiefgarage zu verlassen.

Während ich das Auto in den dichten Verkehr einfädele, wischt Mr. Brookman auf seinem Tablet herum. „Was kannst du mir über Mr. McNeal sagen?", fragt er nach einer Weile.

„Er ist Mitte zwanzig und hat seine erste Firma mit 18 Jahren gegründet-"
„Woher hatte er das Startkapital?"
„Sein Vater ist-"

„War ja klar. Wie ich diese abgehobenen Typen hasse. Denken, sie hätten es drauf, dabei kommt das ganze Geld von ihrem Daddy."

Ich runzele die Stirn. Wenn mich nicht alles täuscht, hat auch Mr. Brookman die Firma von seinem Vater geerbt. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.

„Das vergisst du mal ganz schnell wieder. Er und ich haben nichts gemeinsam."

Scheiße, hat er etwa auch eine Wanze in meinem Kopf?

„Was macht der gute Owen McNeal denn beruflich?"
„Er verdient sein Geld mit Fitnessvideos, Kooperationen mit Star-up-Unternehmen und Werbung."
„Er macht also ein paar Klimmzüge und schon klingelt der Beutel? Das nennst du arbeiten? Hast du auch noch was Interessantes für mich?"

„Er hat seinen besten Freund, den er aus Schulzeiten kennt-"

„Rührselige Freundschaftsgeschichten interessieren mich nicht."

„Sie haben wohl keine Freunde, oder?", presse ich hervor. Ich halte an einer roten Ampel und er wirft mir einen vernichteten Blick durch den Rückspiegel zu. Dann schüttelt er den Kopf und schaut aus dem Fenster. 1:0 für mich, würde ich sagen.

„Warum die zwei Konzepte für das Fitnessstudio?", frage ich, um die angespannte Stimmung zu lockern.

„McNeal will eine ganze Reihe von Fitnessstudios eröffnen. Was sehr lukrativ ist, wenn wir den Zuschlag bekommen. Würde er sich dann auch noch für die teurere Variante mit Schwimmbad entscheiden, wäre der Gewinn exorbitant. Aber erstmal müssen wir ihn ins Boot holen und da kommst du ins Spiel."

„Ich?", frage ich ungläubig.

„Wickel ihn um den Finger. Sowas liegt dir doch."

Das ist die wichtigste Aufgabe, die mir je jemand anvertraut hat und deshalb werde ich auch alles geben. Egal, ob ich Mr. Brookman nun leiden kann, oder nicht.

Geradezu euphorisch schlage ich das Lenkrad beim Einparken ein und setze mit Schwung zurück. Dann ertönt ein fieses Geräusch von Metall auf Metall. „Nicht dein verdammter Ernst!"

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt