Wutentbrannt gehe ich in mein Büro, welches immer noch keine Tür hat und wahrscheinlich auch nie eine bekommen wird.
Wie konnte das nur passieren? Ein schwacher Moment und zack, lande ich auf seinem Schreibtisch? Geht es noch billiger? Ist doch klar, dass er denkt, er könne alles mit mir machen.
„Chester, guten Morgen. Der Ball war also ein voller Erfolg?", begrüßt mich Mary, die mit einem riesigen Blumenstrauß zur Tür hereinkommt. Das Lächeln auf ihrem Gesicht verrät mir, dass auch sie bereits Zeitung gelesen hat.
Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Jetzt vermutet doch jeder auf der Arbeit, dass ich was mit dem Chef habe. Wie unangenehm.
„Von wem ist der Blumenstrauß?"
„Von Mr. Brookman." Kaum, dass sie den Satz beendet hat, entreiße ich ihr den Strauß Rosen und dresche damit so lange auf den Schreibtisch ein, bis auch die letzte Blüte abgefallen ist.
Anschließend stopfe ich die Stengel in den Müll und greife nach der Karte. „Chester", sagt Mary vorwurfsvoll. Ich schlage währenddessen die Karte auf.
Liebe Rachel, danke für den schönen Abend.
„Oh", entweicht es mir. „Ja, oh." Zerknirscht betrachte ich die Überreste des Blumenstraußes im Mülleimer. „Fuck, und jetzt?"
„Bekommt Rachel wohl keine Blumen. Ich habe hier aber tatsächlich noch etwas für dich. Dein Flugticket." Ungläubig nehme ich den Umschlag entgegen und schaue hinein." „Las Vegas? Schon morgen? Warum?"
Ihr Lächeln spricht Bände und so stürme ich wieder in Richtung Mr. Brookmans Büro. Doch dann besinne ich mich. Nein, ich kann da jetzt nicht rein. Nicht nach dem Vorfall von vorhin. Also gehe ich wieder zurück und renne dabei Mary halb über den Haufen.
Unruhig tigere ich durch mein Büro, unschlüssig, was ich tun soll, als plötzlich mein Telefon klingelt. „Ja bitte?", höre ich Mr. Brookmans Stimme am anderen Ende der Leitung. „Ja bitte, was?"
„Du willst doch bestimmt etwas fragen, oder?"
„Warum das Flugticket?"
„Damit du dem ganzen Zirkus eine Weile entkommst."
„Alleine?"Schallendes Gelächter am anderen Ende. „Natürlich nicht."
„Ich fliege bestimmt nicht mit Ihnen in den Urlaub. Davon stand nichts im Vertrag."
„Eine Dienstreise."
„So kurzfristig? Wohl kaum."
„Der Anruf gerade, der unser kleines... Intermezzo unterbrochen hat."
„Nenne Sie das nicht so."
„Wie nennst du es denn?"
„Ausrutscher, Fehler. Suchen Sie sich was aus."Ich kann sein Augenrollen durch das Telefon hören. „Wie du meinst. Mach dir noch länger was vor. Du kannst Feierabend machen, um zu packen und bring Rachel bitte die Blumen mit."
Ich lege auf, werfe noch einen Blick auf die Blumen und hoffe, dass Mr. Brookman erst davon Wind bekommt, wenn ich weg bin.
Das „Chester", was über den ganzen Flur hallt, verheißt allerdings nichts Gutes und so nehme ich lieber die Treppe, um seinen Zorn zu entkommen.
Noch bevor Rachel nach Hause kommt, schellt ein Blumenkurier und bringt einen neuen Strauß. „Sind Sie Chester?", fragt der Typ mit der Cappy mich. „Ja, der bin ich."
„Gut, ich soll Ihnen noch eine Nachricht überbringen." Er kramt in seiner Tasche und holt einen Zettel hervor, von dem er schließlich vorliest:
„Chester, das ist eine Warnung. Sollte dem Blumenstrauß erneut etwas zustoßen, dann wird dir auch etwas zustoßen..."
Der Typ sieht mich schockiert an, aber ich fordere ihn auf weiterzulesen.
„... und... und ich meine damit nicht, das... oh man... das, was ich mit dir auf dem Schreibtisch gemacht habe... Puh, das war jetzt echt peinlich."
Er übergibt mir den Strauß und eilt dann mit hochrotem Kopf davon.
Als Rachel nach Hause kommt, freut sie sich zwar über den Strauß, aber nicht so wie gedacht. „Weißt du, ich mag Adrian. Er ist nett, auch wenn du anders darüber denkst, aber... Samuel und ich habe es heute auf der Arbeit offiziell gemacht."
Ich drücke sie an mich. Das ist ein großer Schritt, also muss er ihr wirklich etwas bedeuten. „Ich habe ihn für morgen eingeladen, damit er meine bessere Hälfte richtig kennenlernt." Ich stöhne genervt auf. „Liebend gerne, aber mein Boss entführt mich nach Las Vegas."
„Verstehe", sagt sie frech grinsend. Nichts versteht sie. Niemand versteht, dass das kein Spaß für mich wird.
Trübselig verabschiede ich mich am nächsten Morgen von ihr und bin sehr überrascht, als sie keine fünf Minuten später wieder in der Wohnungstür steht. „Für dich. Steckte im Briefkasten."
Sie reicht mir eine Packung Pralinen mit meinem Namen darauf. Na, da hätte sich Mr. Brookman auch mal mehr Mühe geben können. Ich stecke die Packung ins Handgepäck, denn ich fürchte, dass ich Nervennahrung brauchen werde.
Gott sei Dank treffe ich Mr. Brookman erst am Terminal, wo er ganz entspannt sitzt und einen Espresso trinkt. Allerdings sind nicht alle so entspannt. Weder ich, noch die Frau mit dem brüllendem Baby.
Sie tut mir richtig leid, denn sie wirkt genau so erschöpft, wie das Kind auf ihrem Arm. Deshalb biete ich ihr kurzerhand meinen Sitzplatz in der ersten Klasse an.
„Kommst du?", fragt mich Mr. Brookman, denn ich reagiere nicht, als die Personen für das bevorzugte Boarding aufgerufen werden. Sein Gesichtsausdruck, als ich ihm erkläre, dass ich meinen Sitzplatz getauscht habe, war es jetzt schon wert.
Das Babygeschrei ist bis in die zweite Klasse zu hören, bis es schließlich, als wir die Flughöhe erreicht haben, verstummt. Ich widme mich dem Boardmagazin und schaue mir an, was ich alles nicht kaufen werde.
„Na, sitzt du bequem?", kommt es plötzlich von rechts und ich traue meinen Augen nicht.
Dort steht wirklich Mr. Brookman mit dem Baby auf dem Arm. „Was tun Sie mit dem Baby?", frage ich entsetzt. „Jason hat ein bisschen Bauchschmerzen, deshalb laufe ich etwas mit ihm herum... Oh, hoppla", sagt er noch, bevor der Knirps aufstößt und sich eine ganze Ladung Milch auf Mr. Brookmans Schulter ergießt.
„Chester, würdest du mal?" Schon habe ich das Baby auf dem Arm. Beziehungsweise halte ich es mit ausgestreckten Armen von mir weg. Ich habe keine Ahnung von Babys. Adrian anscheinend schon, denn er putzt sich lässig die Milch von der Schulter und nimmt das Baby dann wieder in Empfang. „Ja, das hat gedrückt. Jetzt gehen wir wieder zur Mama und berichten von deinem Bäucherchen."
Wer ist dieser Mann? Ich habe wirklich keine Ahnung. Dieser Typ hat einfach zwei Gesichter. Eins davon lässt mein Herz leider viel zu schnell schlagen.
DU LIEST GERADE
Date the boss - don't fall in love
RomanceChester hofft den Mann fürs Leben über ein Blind Date zu finden. Leider entpuppt sich der Typ, mit dem er sich verabredet hat, als Soziophat. Das Date droht in einem Desaster zu endet, als plötzlich ein gut aussehender Fremder ihn aus der unangeneh...