17. Eskalation

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Eine Stunde später bin ich erst wieder zurück im Büro. All meine Hoffnung, dass Mr. Brookmans Zorn vielleicht in der Zwischenzeit verflogen ist, ist allerdings vergebens. „Chester, in mein Büro!", höre ich seine Stimme, kaum, dass ich den Aufzug hinter mir gelassen habe.

„Schließ die Tür." Ich sehe, wie sehr er sich zusammenreißen muss, um nicht gänzlich die Fassung zu verliehen. „Was sollte das? Partner", sagt er abfällig, als wäre es undenkbar, dass ich jemals mehr sein werde, als der Assistent von jemanden. Der Fußabtreter.

„Ich weiß, für Sie ist das wahrscheinlich schwer nachvollziehbar, aber Owen hat tatsächlich seinen besten Freund aus Kindheitstagen zu seinem Partner gemacht. Etwas, dass ich Ihnen vorher schon sagen wollte, aber Sie wollten es ja nicht hören." Er schnaubt verächtlich aus und schüttelt den Kopf. „Und die Sache mit dem Ballett? Was hatte das für einen Zweck?"

„Demütigung."

„Wie bitte?" Langsam kommt er auf mich zu. Schleicht sich an, wie das Raubtier an seine Beute. „Ich wollte Sie demütigen!", schreie ich.

Den letzten Meter zwischen uns überbrückt er so schnell, dass ich nicht reagieren kann, als er mein Jackett am Revers packt und mich gegen die Wand drückt. „Warum?"  Ein Schauer jagt über meinen Rücken, als ich seinen heißen Atem in meinem Gesicht spüre.

„Damit Sie endlich kapieren, dass das mit uns nichts wird." Seine braunen Augen, in denen man sich sonst verlieren kann, die eine Wärme ausstrahlen, wenn nicht gleich ein Feuer in einem hervorrufen können, sind erloschen. Er lockert den Griff an meinem Jackett. „Was habe ich dir denn getan?"

Eine Frage, auf die ich keine Antwort habe. Ist er denn wirklich so schrecklich zu mir? Oder erschaffe ich mir die Probleme vielleicht nur selbst? Will ich ihn hassen? Und hasse ich ihn nur, weil eben nicht alles an ihm abstoßend ist?

Doch er will die Kontrolle über mich und das kann ich ihm nicht erlauben. Ich gehöre nur mir. Ich habe bereits eine toxische Beziehung hinter mir, wenn auch auf privater Ebene und ich darf das nie wieder zulassen.

„Geh nach Hause, Chester... Geh mir aus den Augen." Ich öffne schon den Mund, um doch noch etwas zu sagen, aber er winkt ab. „Nein Chester, ich habe genug von dir."

„Gut, wie Sie meinen." Mit Tränen in den Augen stürme ich aus seinem Büro, hole meine Tasche aus meinigen und weil der Aufzug nicht schnell genug kommt, renne ich die kompletten 24 Stockwerke nach unten. Tatsächlich fühle ich mich danach besser. Einen kurzen Moment, bis mir bewusst wird, dass ich heute das Arschloch war und nicht Mr. Brookman.

Zuhause angekommen, versuche ich mich, so gut es geht, mit fernsehen abzulenken, nur damit ich nicht über Mr. Brookman und meinem Problem mit ihm nachdenken muss.

Viel zu lange dauert es, bis sich endlich der Schlüssel im Schloss dreht und Rachel mit dem Handy am Ohr die Wohnung betritt. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass sie telefoniert und keine Selbstgespräche führt. Meine Vermutung wird bestätigt, als sie ins Wohnzimmer kommt und kurz zusammenzuckt, als sie mich entdeckt.

„Du, ich glaube, hier sind Probleme im Anflug... Nein, nein, nur mein Mitbewohner... Ich mich auch, bis dann", spricht sie in das Handy und beendet dann das Telefonat.

„Nur dein Mitbewohner also", knurre ich beleidigt. „Wer war das?" Sie verschwindet nochmal in der Diele und kommt dann ohne ihren Mantel und die Handtasche wieder.
„Nicht so wichtig."

„Seit wann haben wir Geheimnisse voreinander?" „Seit wann hast du vor mir Feierabend?", kontert die Schwarzhaarige.
„Lenk nicht ab."
„Okay, es fühlt sich wirklich gut an, aber ich bin mir noch nicht zu 100 Prozent sicher. Aber wenn ich es bin, bist du der Erste, der es erfährt, okay?"

„Aber er behandelt dich gut? Ich will nicht, dass du an so einen Typen wie ich gerätst. Es gibt viele Camerons da draußen."

Sie schaut mich argwöhnisch an und dann spricht sie das aus, was ich denke. „Wir wollten nie wieder seinen Namen erwähnen. Warum heute? Warum hast du schon Feierabend? Wurdest du gefeuert?"

Seufzend lasse ich mich in die Kissen der Couch sinken, als könnte ich mich in ihnen verkriechen. „Nein, aber ich hätte es verdient. Ich war einfach nur scheiße und ungerecht zu Mr. Brookman. Dabei lief es heute gar nicht so schlecht zwischen uns, aber dann hat er so Anspielungen gemacht und das hat mich an Cam... an die Sache von damals erinnert und dann...Kurzschluss."

Was ich mit der Sache von damals meine, ist, dass ich mich auf einen Typen eingelassen habe, der mir das Gefühle gegeben hatte, ein Niemand zu sein. Aber ich war so verknallt in ihn, dass ich es lange Zeit nicht gemerkt habe. Ohne Rachel und meine Freunde wäre ich nie von ihm losgekommen und deshalb habe ich mir geschworen, mich nie wieder auf jemanden einzulassen, der mich klein macht und mich klein hält.

„Also steht morgen eine Entschuldigung an?" Ich fahre mir mit einer Hand durchs Gesicht. „Erinnere mich nicht daran. Wie soll ich ihm das nur erklären?" Sie zuckt mit den Schultern. „Mit der Wahrheit?"

„Das ist privat. Würdest du vor deinem Chef dein Privatleben ausbreiten?" Eine kurze Irritation flackert in ihren Augen auf. Was war das? 

„Nein, natürlich nicht, aber ich würde meinen Chef auch nicht fragen, ob er mich für ein Flittchen hält, oder ihm sagen, dass er meinen Astralkörper nicht haben kann."

Eins der hässlichen Boho-Kissen, die Rachel gekauft hat, landet in ihrem Gesicht. „Hätte ich dir das bloß nicht erzählt... Aber ja, ich muss mich entschuldigen... irgendwie."

„Das bekommst du schon hin. Er hat dir bis jetzt doch alles verziehen und du hast dir viel in der kurzen Zeit geleistet."

„Ich glaube, dieses Mal ist es anders." Nachdenklich fahre ich mir mit den Fingern über die Unterlippe. „Als würde ihm die Vorstellung, mich zu verlieren, Schmerzen bereiten... ach, ich weiß nicht. Vielleicht interpretiere ich da auch zu viel hinein. Morgen bin ich auf alle Fälle schlauer."

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt