45. Schwäche zeigen ist eine Stärke

891 79 6
                                    

Mit geweiteten Augen sah er mich an, als er die beiden Briefe vom Boden auflas. Nun gab es keinen Ausreden mehr und Adrian musste sich der Wahrheit und seinen Ängsten stellen. Wie paralysiert starrte er auf den Brief mit seinem Namen. „Hey, ich bin für dich da. Wir schaffen das", versuchte ich ihn aufzubauen. „Bitte bring Rachel den Brief", sagte er nur knapp und streckte ihn mir entgegen. „Jetzt noch? Es ist doch bereits nach 23 Uhr." „Das duldet keinen Aufschub."

Widerwillig zog ich meine Jacke über und ließ mir extra Zeit mit meinem Aufbruch, in der Hoffnung, Adrian würde es sich anders überlegen. Doch er schien völlig woanders zu sein. „Adrian?... Mr. Brookman!", versuchte ich. „Ja?" „Soll ich wirklich jetzt zu Rachel gehen?" „Ja natürlich, hier hast du den Brief."

Er übergab mir den Umschlag und wandte sich dann ab. Es hatte keinen Sinn länger zu diskutieren und deshalb machte ich mich auf den Weg zu Rachel, die ich aus dem Bett klingelte und kehrte anschließend unverzüglich nach Hause zurück. Die Wohnung lag im Dunkeln. Das Schlafzimmer war leer. Ich rief nach Adrian, aber bekam keine Antwort. Doch konnte ich ein leises Schluchzen aus dem Gästezimmer vernehmen. Ich drückte die Türklinke nach unten, doch die Tür war verschlossen. „Adrian, mach bitte auf." „Lass mich in Ruhe", schluchzte er von der anderen Seite der Tür. „Adrian, ich bin für dich-" „Hau ab, habe ich gesagt."

Ich verstand die Welt nicht mehr. Warum schloss er mich aus? Ich hatte ihm doch nichts getan. Ich hätte ihn trösten können, aber auch ich hatte meinen Stolz. Auch wenn ich mich an diesen Abend in den Schlaf weinte, versuche ich es nicht noch einmal an der Tür vom Gästezimmer.

Am nächsten Morgen wurde ich von der zufallenden Badezimmertür geweckt und dann hörte ich das Geräusch von nackten Füßen auf dem Parkett. „Adrian? Wo willst du-" Doch mit einem Rums fiel die Tür vom Gästezimmer ins Schloss und ich hörte, wie der Schlüssel in diesem um sich selbst gedreht wurde. „Können wir bitte reden? Habe ich dir was getan?", sprach ich in Dauerschleife an der Tür, aber entweder kam ein Nein oder jede Antwort blieb aus. „Adrian, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Ich werde jetzt Rachel anrufen." Plötzlich tat sich etwas im Zimmer und dann hörte ich seine Stimme ganz deutlich. „Nein, nicht Rachel. Sie ist an allem Schuld."

Ich war am Ende mit meinem Latein. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und so saß ich in der Küche und wartete darauf, dass etwas geschah. Ich fiel fast vom Barhocker, als auf einmal ein Typ Marke Clark Kent im offenen Wohnbereich stand. „Oh, entschuldige. Du musst Chester sein. Adrian hat mich angerufen. Ich wusste nicht, dass du da bist. Warum hätte er mich dann anrufen sollen? Also... sorry, ich bin Hugo. Adrians bester, und wohl auch einziger Freund", beendete er seinen Redeschwall und reichte mir die Hand. „Schön dich kennenzulernen", gab ich mit einem gequältem Lächeln zurück. „Na ja, ich gehe dann mal wieder, wenn du jetzt da bist." „Nein, halt! Ich war die ganze Zeit da. Er will nicht mit mir reden." Er schenkte mir ein mitleidiges Lächeln. „Tut mir leid. Adrian ist manchmal etwas speziell. Ich werde mit ihm reden." Mit diesen Worten entfernte er sich Richtung Gästezimmer, während mir stumm die Tränen übers Gesicht rannen. Sollte ich nicht derjenigen sein, der Adrian am besten kannte? Sollte ich nicht für ihn da sein? Aber er zog seinen Freund mir vor.

Eine knappe Stunde später hörte ich die Wohnungstür ins Schloss fallen und dann Adrians Schritte, die näher kamen. Schnell wischte ich mit dir Tränen aus dem Gesicht. Er sah elend aus. Die Augen rot unterlaufen. Die Schultern hingen schlaff herab. Den Brief seiner Mutter hielt er in der rechten Hand. „Es tut mir leid, Chester." „Warum redest du nicht mit mir?" Er senkte den Blick und starrte auf seine nackten Füße. „Weil ich nicht wollte, dass du mich so sieht... so schwach." „Schwäche zu zeigen ist auch eine Stärke, weißt du das?" Er schüttelte nur den Kopf. „Natürlich kannst du jederzeit mit deinem Freund über deine Problem reden, aber die erste Anlaufstelle sollte immer ich sein. Dein Ehemann."

Ich wusste nicht, ob es ihm recht war, aber ich musste ihn einfach in den Arm nehmen und ihm zeigen, dass alles gut war. Doch er streckte seinen Arm aus und überreichte mir den Brief. „Ließ ihn, bitte." Meine Augen flogen nur so über den mehrseitigen Brief. Ich wollte nicht glauben, was dort geschrieben stand. Doch verstand ich allmählich, was meinen Mann die letzten Stunden so aus der Bahn geworfen hatte. „Komm her", sagte ich mit Tränen in den Augen, als ich die letzten Worten gelesen hatte und Adrian warf sich regelrecht in meine Arme. „Sie hat mich einfach zurückgelassen."

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt