14. Klarer Fall von sexueller Belästigung

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Als ich an diesem Nachmittag nach Hause komme, ist Rachel noch nicht da. Ein wenig Sorgen mache ich mir schon. Diese schlagen allerdings in Eifersucht um, als sie mir schreibt, dass es etwas später wird. Wobei ich nicht mal glaube, dass der Mann, mit dem sie sich trifft, an einer Freundschaft mit ihr interessiert ist.

Nun, da ich beschlossen habe, die Suche nach Mr. Right noch ein wenig hinauszuschieben, wäre es vielleicht gar nicht verkehrt, wenn Rachel auch Single bleiben würde. Unsere Wohngemeinschaft funktioniert nämlich super, so wie sie ist. Aber was, wenn sich eine dritte Person dazu gesellt?

Meine Gedanken wandern zu dem Moment, als ich mir den Kuchen in den Mund gestopft habe und die Hälfte wieder auf dem Teller gelandet ist und an Rachels laute Kaugeräusche.

Puh, nochmal Glück gehabt, wir werden auf ewig alleine bleiben.

Ob 16 Uhr wohl zu früh ist, sich eine Flasche Wein zu öffnen und sich mit ihr in Selbstmitleid zu ertränken?

Ich habe es dann mal getestet. Kleiner Spoiler, es klappt hervorragend und so habe ich schon ordentlich einen im Tee, als Rachel endlich heimkehrt.

Sie stellt eine halbleere Schachtel mit Asianudeln auf dem Wohnzimmertisch ab. Man könnt auch halbvoll sagen, aber heute bin ich Pessimist und ziemlich hungrig. Zwei Liter Wein konnten da nicht so viel bewirken.

„Moment, du warst beim Frisör? Ach Chester, war es so schlimm? Sieht aber gut aus, soweit man das in dieser liegenden Position beurteilen kann", sagt sie, setzt sich neben mich auf die Couch und hebt meinen Kopf an, damit ich diesen auf ihren Beinen ablegen kann.

„Allessupper. Komm erzähl", fordere ich sie auf. „Wer iss er?" Ein Lächeln gleitet über ihre Lippen, während sie durch meine Haare streicht.

„Mhm, das bleibt noch ein Geheimnis, bis ich mir sicher bin. Aber ich glaube, es hat gefunkt und bei dir?"

„Ich fange bestimmt nichts mit meinem Boss an."

„Ähm, das hat auch niemand behauptet. Wie kommst du nur darauf?" Ich richte mich auf und das Wohnzimmer dreht sich, nur die Couch bleibt an Ort und Stelle. Ich greife nach den Nudeln und nehme mir eine Gabel voll. „Darf iff?", frage ich mit vollem Mund.

Tja, wie komme ich darauf. Vielleicht weil er ständig in meinem Kopf ist seit dem Vorstellungsgespräch und ich mich von ihm verfolgt fühle.

„Weil mein Boss echt heiß aussieht."

Sie hält sich eine Hand vor den Mund und kichert. „Chester, du solltest weniger trinken." Das ist mein Stichwort und so torkle ich in mein Schlafzimmer, natürlich ohne vorher die Zähne zu putzen. Will mich ja sowieso niemand küssen morgen früh.

Der Sonntagmorgen startet unerfreulich mit einem brummenden Schädel und so quäle ich mich nur kurz raus zu dem Handyshop, um mein Display tauschen zu lassen. Aber dieser hat natürlich zu und so krabbele ich nach meiner Rückkehr wieder zurück ins Bett.

Der Sonntag geht schneller rum als mit lieb ist und schon finde ich mich pünktlich um acht Uhr am Montagmorgen im Büro wieder.

„Guten Morgen Mary, ist Mr. Brookman noch gar nicht da?" „Schon wieder weg. Aber er möchte vor neun Uhr sowieso nicht gestört werden. Hier sind die Akten für die Termine diese Woche. Er möchte, dass du dich einliest und dich über seine Geschäftspartner schlau machst."

Sie drückt mir einen Stapel Aktenordner in die Hand, die ich gerade so auf meinen Armen balancieren kann. In meinem Büro angekommen, schnappe ich mir gleich den Ordner für den Termin am nächsten Tag und blättere ihn, während der Laptop hochfährt, einmal grob durch.

Leider muss ich erkennen, dass ich nichts über die Immobilienbranche weiß. Ich habe keine Ahnung, wie ich Mr. Brookman da behilflich sein soll. Allerdings kann ich ganz gut mit Menschen. Auf alle Fälle dachte ich das, bis zu meinen letzten Dates.

Ich tippe den Namen des ersten Interessenten in die Suchmaschine und werde nicht enttäuscht. Ein junger sportlicher Typ – Marke Influencer – will anscheinend bei Brookman Enterprise eine größere Investition tätigen. Eine halbe Stunde ziehe ich mir seine sämtlichen TikTok- und Instagram-Reels rein.

Mein neuer Job ist anscheinend doch nicht so übel. Ich habe Owen beim Hanteltraining betrachtet, verfolgt wie er seine Bahnen im Pool zog und seinen guttrainierten Körper mit der neusten Bodylotion irgendeines Startup-Unternehmers eingerieben hat.

Also ich finde, ich bin bestens vorbereitet. Ein paar Notizen haben ich mir natürlich auch gemacht. Ich will gerade zum Drucker gehen, um mir diese zu holen, als mich Mr. Brookmans Stimme zusammenzucken lässt.

„Soll ich ihn sofort reinstecken? Oder wie hast du es am liebsten?"

Ich drehe mich entgeistert zu ihm um und sehe nun den Kaffee und den Strohhalm in seiner Hand. „Cappuccino, richtig?", hakt er nach, als er mir einen der Becher entgegen reicht.

„Ähm, sollte ich nicht eher Ihnen einen Kaffee holen?"

„Nein, dafür habe ich dich nicht eingestellt." „Wofür dann?" Er lächelt und streicht sich mit der Hand durch das glattrasierte Gesicht.

„Ich werde das nicht wiederholen. Es gibt da etwas, was du besser kannst als ich. Ich bin nicht besonders gut darin, mit Menschen in Kontakt zu treten, du allerdings schon. Du bist nett und sympathisch. Du kannst die Leute zum Lachen bringen und sie für dich gewinnen, wenn du nur wolltest... so, na ja, genug Süßholz geraspelt."

Ich lasse seine Worte einen Moment sacken. Ich glaube, das ist das Netteste, was er bisher zu mir gesagt hat. Aber er hat keine Zweifel daran gelassen, dass es sich nicht wiederholen wird.

Ich setze den Kaffee an die Lippen und genehmige mir einen Schluck. „Der ist kalt!"

„Ich dachte, du könntest nach meinem Anblick eine Abkühlung gebrauchen." Ich verziehe das Gesicht, was nicht dem Geschmack des Kaffes geschuldet ist. „Was ist? Fühlst du dich nicht wohl?"

„Ja, das trifft es ziemlich gut, obwohl ich eigentlich sexuell belästigt sagen wollte."

„Das solltest du unbedingt deinem Chef melden", sagt er noch, während er mein Büro verlässt.

„Und was wird er dann wohl tun?", rufe ich ihm nach. Er dreht sich um und hat ein breites Grinsen auf den Lippen, welches sich nun in meinem Gesicht spiegelt.

Ich schüttelte den Kopf und wende ihm den Rücken zu, aber das Lächeln will einfach nicht von meinen Gesicht weichen.

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt