4. Die 72.000 Dollar-Frage

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„Moment, jetzt nochmal zum Mitschreiben. Du hast ihn gefragt, ob er dich für ein Flittchen hält?", fragt die Schwarzhaarige während ein Chip nach dem anderen in ihrem Mund verschwindet. „Na ja, das hat sich in der Situation halt so ergeben", antworte ich über dem Vertrag brütend und versuche bei den Schmatzgeräuschen, die Rachel macht, nicht auszuflippen.

„Ja, ist klar. Ich sage das auch ständig zu Mr. Barton." Dann lachen wir beide bei der Vorstellung, wie sie es auch nur wagen könnte, ein Wort an den Seniorpartner der Kanzlei zu richten. „Naja, Mr. Brookman ist halt auch nicht Mr. Barton." „Was unterscheidet die beiden denn?", fragt Rachel und endlich fischt sie den letzten Chip aus der Tüte.

„Na, erstmal ist er fünfzig Jahre jünger und er scheint auch regelmäßig zu trainieren. Seine Augen schauen einen nicht nur an, sie durchbohren einen. Und seine Hände, du weißt, wie sehr ich Hände liebe und seine sind so..." „Oh, ich sehe schon. Heiratsmaterial", sagt Rachel und wackelt mit den Augenbrauen. „Nein, also okay, vielleicht sieht er ganz passable aus, aber er ist ein Kotzbrocken. Ich weiß gar nicht, wie man so überzeugt von sich sein kann."
„Er leitet ein millionenschweres Unternehmen. Natürlich ist er von sich überzeugt. Nur ist die Fragen aller Fragen: Erträgst du das?"

Ja, das ist die 72.000 Dollar-Frage. Ertrage ich auf Dauer seine ätzende Art? Ertrage ich es, dass er mich nervös macht? Dass er ständig zweideutige Anspielungen von sich gibt? Vielleicht müssen wir uns nur aneinander gewöhnen. Wofür gibt es außerdem eine Probezeit? Wenn es schief geht, kündige ich halt. Einen schlecht bezahlten Job bei einem Anwalt werde ich notfalls auch wieder finden. Ehe ich mich versehe, habe ich das Dokument unterschrieben. „Du siehst hier den neuen Assistenten der Geschäftsleitung von Brookman Enterprise", verkünde ich mit stolz geschwellter Brust. „Na, dann bleibt mir wohl nicht viel anders übrig, als dir Glück zu wünschen, oder?"

Nachdem ich den Vertrag in einen Briefumschlag gesteckt habe, mache ich mich sofort auf den Weg zum Briefkasten. Doch ich komme nicht sehr weit. „Sind Sie Mr. Parker?", werde ich unmittelbar vor meiner Haustür von einem Fahrradkurier angesprochen. „Ja", erwidere ich irritiert. „Mr. Chester Parker?", hakt er nochmal nach. „Ja, der bin ich." „Gut, und das Dokument in ihrer Hand ist wahrscheinlich für Mr. Brookman. Dürfte ich Sie bitte, es mir auszuhändigen, damit ich es ihm überbringen kann?"

Ich weiche automatisch einen Schritt zurück, als er nach dem Umschlag greifen will. In was für einem Film bin ich hier bitte gelandet? „Woher wissen Sie das?", frage ich etwas zu zickig. „Hören Sie zu Mann. Ich weiß gar nichts. Mr. Brookman hat mich beauftrag hier zu warten und dieses Dokument zu ihm zu bringen. Und ehrlich gesagt, warte ich hier schon ziemlich lange."

Jetzt tut der Typ mir plötzlich total leid. Während ich oben in der Wohnung gegrübelt habe, hat er sich hier die Beine in den Bauch gestanden. Also reiche ich ihm den Umschlag, den er sofort in seiner Tasche verschwinden lässt und dann greife ich nach meinem Portemonnaie und gebe ihm fünf Dollar. „Fürs Warten", sage ich, als er mich überrascht ansieht und anschließend davon fährt.

„Sagen Sie Mr. Brookman, dass er das in Zukunft lassen soll", schreie ich ihm hinterher. Er dreht sich während der Fahrt nochmal zu mir um. „Das müssen Sie ihm schon selber sagen, ich bin nur der Ku-" Weiter kommt er nicht, denn im nächsten Moment wird er von einem Auto erfasst. Ich muss mitansehen, wie er vom Fahrrad geschleudert wird und wenige Meter weiter auf der Fahrbahn liegen bleibt. Mein Herz rutscht eine Etage tiefer in meinen Magen. Sofort bildet sich eine Traube Menschen um ihn, durch die ich mich hindurchquetsche. „Alles okay, nichts passiert", sagt der zu meinen Füßen liegende Typ und mir fällt ein Stein vom Herzen. Heute jemanden umzubringen war auf alle Fälle nicht mein Plan.

Doch ganz so fit, wie er denkt, scheint er nicht zu sein, denn auf seiner Stirn klafft eine große Platzwunde. „Hey, alles gut. Hilfe ist auf dem Weg", rede ich auf ihn ein, während ich mich neben ihn hinhocke und eine Hand auf seine Schulter lege. „Mr. Brookman wird mich umbringen" jammert er und will schon wieder aufstehen, aber ich halte ihn an Ort und Stelle. „Lassen Sie Mr. Brookman mal mein Problem sein. Darf ich mir den Vertrag aus Ihrer Tasche nehmen?" Er nickt und ich merke, wie seine Anspannung von ihm abfällt.

Während wir auf den Krankenwagen warten, wird meine Anspannung hingegen immer größer. Ich kann es gar nicht abwarten, zu Brookman Enterprise zu fahren und diesem arroganten, überheblichen Schnösel von Geschäftsführer so richtig die Meinung zu geigen.

Kurze Zeit nachdem mir Chang – der Fahrradkurier – seine Nummer gegeben hat, damit ich ihn kontaktieren kann, wird er auch schon vom Krankenwagen mitgenommen. Mir ist es wirklich wichtig, mich zu vergewissern, dass es ihm gut geht. Schließlich bin ich an seinem Unfall nicht ganz unschuldig. Mein Weg führt mich direkt in die City, zu einen der höchsten Gebäude dort. Die Leuchtreklame prangt in großen Lettern hoch über der Stadt. Doch diesmal bin ich nicht nervös, als ich durch die Eingangshalle schreite und anschließend mit dem Ausflug in den 24. Stock fahre. Ich bin auf 180.

Wieder öffnet sich die Tür mit einem lauten Ping und wieder blicke ich in Mr. Brookmans freudestrahlendes Gesicht. „Chester, welch Freude. Ich habe dich schon erwartet."

Date the boss - don't fall in loveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt